2838/J XXII. GP

Eingelangt am 06.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Eder

und GenossInnen

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend die geplante Reform des Nahverkehrs in Österreich

Von Ihrer, insbesondere aber von der Seite von Staatssekretär Helmut Kukacka, wurde nach
den katastrophalen Rechnungsrohberichts über die Finanzierung und Organisation des
Nahverkehrs wiederholt eine Reform des Nahverkehrs eingemahnt. Offensichtlich soll dabei
vor allem eine Übertragung der Finanzmittel zur Finanzierung des Nahverkehrs auf die
Länder ein Kernstück der Reform darstellen. Dazu finden derzeit Expertengespräche mit den
Bundesländern statt, wobei von Seiten der Bundesländer sehr wohl auch Bedenken an
Reformüberlegungen Ihres Hauses sichtbar werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang nachstehende

Anfrage:

1.   In welchen Stadium befinden sich derzeit die Gespräche mit den Bundesländern?

2.                            Bis wann ist mit der Vorlage eines entsprechenden Gesetzes zur Nahverkehrsreform
zu rechnen?

3.                            Wird es zu einer Kürzung der Finanzmittel für den Nahverkehr insgesamt kommen
und damit zu einer Qualitätsverschlechterung?

4.                            Auf Basis welcher Kompetenzzuteilung in der Bundesverfassung wird den Ländern die
Zuständigkeit im ÖPNRV überlassen? Welche Kompetenzen leiten sich daraus für die
Länder ab und sind diese ausreichend, um den Rückzug des Bundes aus diesem Bereich
zu ersetzen?


5.                           Der Rechnungshof kritisiert in seinem Rohbericht, dass der Bund seine Verantwortung
aus dem ÖPNRVG 1992 nicht wahr genommen hat. Ist ein Rückzug aus der
Verantwortung die adäquate Methode, auf diese Kritik zu reagieren?

6.                           Auf welche Art plant der Bund die Integration des Bahn-Fernverkehrs in die Verbünde,
oder ist eine solche von Seiten des Bundes nicht vorgesehen? Wer trägt politisch die
Verantwortung dafür, dass Pendler mit Verbundkarten keine IC- und EC-Züge mehr
benützen dürfen?

7.                           Auf welche Art plant der Bund die Bereitstellung von landesgrenzenübergreifenden
Verkehren? Wie ist eine eventuelle Vergabe EU-rechtskonform möglich und von wem?

8.                           Mit welchen Finanzmitteln in wessen Verantwortung sind größere Erhaltungs- und
Bauinvestitionen im geplanten Landesschienennetz durchzuführen? Welchen Zustand
haben die geplanten Landesschienenstrecken und wann sind wo welche größeren
Erhaltungs- und Bauarbeiten notwendig? Sind die Länder über diesen Zustand
informiert und bekommen sie an den Investitionsbedarf angepasste Dotierungen? Wo
sind diese Erhaltungsarbeiten derzeit budgetiert und in welcher Höhe?

9.                           Wer hat die in den nächsten Jahren die Kosten der steigenden IBE (Schienenmaut) zu
tragen und werden die Betroffenen dafür kompensiert? Welche zusätzlichen Kosten
kommen auf
welche zukünftigen Aufgabenträger zu und sind diese darüber informiert?

10.                    Die IBE ist betragmäßig fixiert. Eine Rücknahme bestellter Leistungen auf der Bahn
und eine Stilllegung von Streckenteilen erhöht daher anteilig die Kosten für
Bestellungen im ganzen restlichen Land. Wie gedenkt der Bund einen
Stilllegungswettbewerb des einen Landes auf Kosten des anderen zu verhindern? Haben
die Länder die steigenden Kosten aus der Stilllegung einzelner Strecken selbst zu tragen
oder werden ihnen diese Kosten ersetzt und von wem?

Hintergrund: Derzeit tragen die ÖBB praktisch das Gesamtrisiko an der IBE, da diese
als feste Summe an den Bund abgeliefert werden muss. Die ÖBB werden diese auf ihre
Auftraggeber (Länder für gemeinwirtschaftliche Leistungen, Fahrgäste im Fernverkehr)
abwälzen. Damit kommt ein verhängnisvolles Gefangenendilemma zum Tragen: Jedes
Land hat den Anreiz zum Stilllegen, denn der IBE-Ausfall wird von allen Ländern
gemeinsam getragen.

11.     Auf Basis welcher Rechtsgrundlage soll das ÖBB-Betriebspersonal an die zu
schaffenden Landes-Infrastruktur-Betriebs-Gesellschaften verliehen werden? Ist dazu


eine Zustimmung der Betroffenen erforderlich? Wenn die Länder nur einen Teil des
ÖBB-Personals übernehmen (oder nur ein Teil des ÖBB-Personals wechselt), wer
übernimmt die Kosten und die politische Verantwortung für den Abbau des ÖBB-
Personals? Wer trägt die Risiken arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen um das
Personalleasing? Plant die Bundesregierung die Änderung des AÜG oder gesetzliche
Eingriffe ins ÖBB-Dienstrecht?

12.                   Schienenverkehr kostet viermal soviel wie Busverkehr. Dies hat systembedingte
Gründe, aber auch fehlende Anlastung externer Kosten und Ungleichbehandlung
zwischen Straßen- und Schienenmaut. Gleichzeitig hat die Bahn in den letzten Jahren
Fahrgäste leicht gewonnen, während der Bus massiv Fahrgäste verloren hat. Wie will
der Bund sicher stellen, dass die Länder unter Budgetdruck (siehe IBE-Steigerungen,
siehe Stilllegungswettbewerb, siehe Investitionen in Regionalverkehrsnetz, siehe
fehlende Indizierung der übertragenen Bundesmittel) nicht trotzdem Bahn durch Bus
ersetzen und damit den einzigen erfolgreichen Verkehrsträger im ÖPNV zusätzlich
schwächen?

13.                   Ist im Zuge der Regionalisierung der Finanzmittel auch die Regionalisierung der FLAF-
Mittel geplant? Nach welchem Schlüssel? Wie soll dies gesetzlich verankert werden?
Werden dies für die Länder „frei verfügbare" Mittel und Können unter Umständen den
Anspruchsberechtigten BürgerInnen (SchülerInnen, Lehrlinge, Senioren) auf
Landesebene diese Mittel durch Umschichtungen in andere Leistungen ganz oder
teilweise entzogen werden? Bleibt das Recht auf Schüler- und Lehrlingsfreifahrt als
Recht bestehen? Wenn keine Verländerung vorgesehen ist: Wie sollen die FLAF-Gelder
in Zukunft abgerechnet werden?

14.                   Berücksichtigt das Reformvorhaben den voraussichtlich Mitte April vorgestellten
Entwurf für eine Nachfolgeregelung der EU-Verordnung 1191/69? Wie berücksichtigt
das BMVIT die dort vermutlich enthaltene marktorientierte Direktvergabe an „In-
House-Unternehmen, sofern diese nicht außerhalb des Territoriums der zuständigen
Behörde tätig sind"? Wie ist eine Direktvergabe der Länder an überregionale
Verkehrsanbieter überhaupt möglich? Wenn dies nicht möglich ist, wie will der Bund
die Interaktion von zwei oder mehreren Bahnunternehmen im teilweise überlasteten
Streckennetz mit knappen Umsteigezeiten gewährleisten?

15.                   Wenn die Länder die „zuständigen Behörden" im Sinne des ÖPNRVG und der VO
1191/69 sind, welches Land ist die zuständige Vergabebehörde für den Großraum


Wien?

16.                    Welche quantitativen Ziele setzt sich der Bund beim ÖV-Modal Split bei der Reform?
Welche wissenschaftlichen Studien belegen, dass die vorgelegten Maßnahmen auch
geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen? Welche Konsequenzen wird der Bund ziehen,
wenn die geplante Reform nicht das gewünschte Ergebnis erzielt? In welchen
Abständen sind Evaluierungen der Reform geplant?

17.                    Welche Auswirkungen auf die ArbeitnehmerInnen im Verkehrsbereich wird
zunehmender Ausschreibungswettbewerb haben? Sind diese Auswirkungen intendiert,
in Kauf genommen oder sind Gegenmaßnahmen geplant?