2873/J XXII. GP
Eingelangt am 12.04.2005
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Dringliche Anfrage
gem. § 93 Abs. 2 GOG
der Abgeordneten Dr. Cap
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
Betreffend: BZÖ-Regierungsbeteiligung verstärkt die Handlungsunfähigkeit und Instabilität der Regierung und zementiert den politischen Stillstand
Am Montag, dem 4. April 2005, gab die FPÖ-Spitze ihren Austritt aus der FPÖ und die Gründung des BZÖ bekannt. Gleichzeitig wurde angekündigt, auch mit dem BZÖ die Regierungskoalition mit der ÖVP fortsetzen zu wollen, was von Bundeskanzler Schüssel bedenkenlos akzeptiert wurde. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die einmalig in der Geschichte der 2. Republik sind und die sowohl massive politische, wie auch rechtliche Konsequenzen haben.
Politisch befindet sich Schüssel nun in der Abhängigkeit einer Vereinigung, die sich niemals einer Wahl gestellt hat und deren neuer Chef Jörg Haider den Bundeskanzler noch vor wenigen Wochen als „falschen Kuckuck“ bezeichnete, der nicht mehr in seinen Porsche einsteigen dürfe – es sei denn er baue vorher einen Schleudersitz ein. Was Schüssel nicht hindert, das BZÖ und Haider als verlässliche Partner für eine konstruktive Regierungsarbeit anzupreisen, anstatt sich nach seinem abermaligen Scheitern dem Urteil der Bevölkerung zu stellen.
Selbst bei den Garantieerklärungen für die Umsetzung des Regierungsabkommens und die reibungslose Umsetzung der EU-Präsidentschaft, die Bundeskanzler Schüssel und die ÖVP von den FPÖ/BZÖ-Abgeordneten ultimativ und verpflichtend verlangten, scheint es sich zu „spießen“. Bundeskanzler Schüssel erklärte in der ZIB 1 am 7. April: „Wir wollen haben dass die Regierungsübereinkunft außer Streit steht, dass das auch wirklich durch Unterschrift bekräftigt wird. Das ist erfolgt.“ Demgegenüber musste Herbert Scheibner gestern eingestehen, dass er über keine derartige Unterschriftenliste verfügt. Offenbar sind nicht alle FPÖ/BZÖ-Abgeordneten bereit eine derartige unverbindliche Erklärung zu unterschreiben.
Die ÖVP-BZÖ Regierung ist aber nicht nur aus politischen Gründen alles andere als stabil. Die durch die Gründung des BZÖ erfolgte Spaltung der FPÖ führt zu einer Reihe weiterer, vor allem rechtlicher Probleme, die massive negative Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit dieser Regierung haben und haben werden.
So gibt es eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen für die Einrichtung von Beiräten und Kommissionen, die die Bundesregierung beraten. Diese haben wichtige und oft hoch sensible Aufgaben wahrzunehmen, wie beispielsweise der Nationale Sicherheitsrat, der Datenschutzrat oder die Volksgruppenbeiräte. Die Zusammensetzung dieser Einrichtungen ist unterschiedlich geregelt, stellt aber zumeist auf ein Entsendungsrecht von Parteien, üblicherweise nach ihrem Stärkeverhältnis, ab. Nachdem nun bereits viele bisherigen FPÖ-Mandatare aus der FPÖ aus- und in das BZÖ eingetreten sind, stellt sich die Frage, wie viele Parteien nun im Nationalrat vertreten sind bzw. wie ihr Stärkeverhältnis zueinander nun zu bewerten ist.
Völlig unklar ist auch die Frage der
Parteienfinanzierung für BZÖ und FPÖ. Sowohl das Parteiengesetz, als auch das
Publizistikgesetz zur Förderung der politischen Bildung stellen bei der
Förderung von Parteien bzw. politischer Akademien auf die Vertretung der
politischen Parteien im Nationalrat ab. So heißt es in § 2 Abs. 2 lit. a
Parteiengesetz, dass den Grundbetrag in Höhe von 218.019 Euro jährlich „jede im
Nationalrat vertretene politische Partei, die über mindestens fünf Abgeordnete
(Klubstärke) verfügt,“ erhält. Der Zusatzbetrag ist „auf die im Nationalrat
vertretenen politischen Parteien im Verhältnis der für sie bei der letzten
Nationalratswahl abgegebenen Stimmen“ zu verteilen.
In
ähnlicher Weise lautet § 1 Abs. 1 Z 3 Parteiengesetz, dass der Rechtsträger
einer politischen Akademie „von einer mit mindestens fünf Abgeordneten
(Klubstärke) im Nationalrat vertretenen politischen Partei“ als der von ihr
bestimmte Förderungswerber bezeichnet werden muss.
Im Falle
der Gründung des Liberalen Forums hat das Bundeskanzleramt seinerzeit die
Rechtsauffassung vertreten, dass diese politische Partei, die nicht für den
Nationalrat kandidiert hat, sondern sich aus Abgeordneten einer anderen Partei
gebildet hat, keinen Anspruch auf Parteien– und Parteiakademiefinanzierung hat.
Begründet wurde dies damit, dass aus den gesetzlichen Bestimmungen in ihrem
Zusammenhang eindeutig hervorgehe, dass nur solche politische Parteien Anspruch
auf Finanzierung hätten, die auf Grund einer Kandidatur zum Nationalrat nach
der Nationalratswahl im Nationalrat mit zumindest fünf Abgeordneten vertreten
sind.
Legt man
diese Rechtsauffassung zugrunde, hat weder das BZÖ noch die FPÖ (alt) Anspruch
auf Parteienfinanzierung: Beim BZÖ stellt sich die Rechtslage völlig gleich wie
beim Liberalen Forum dar. Es ist auf Grund einer Abspaltung aus einer anderen
Partei
hervorgegangen
und hat nicht bei der Nationalratswahl kandidiert. Aber auch die FPÖ alt
erfüllt nicht mehr die Voraussetzung, dass sie mit zumindest fünf Abgeordneten
im Parlament vertreten ist, sodass sie aus diesem Grund keinen Anspruch auf
Parteienfinanzierung mehr hat. Es geht hier also um die Vergabe bzw. nach
Ansicht der SPÖ Nicht-Vergabe einer beträchtlichen Summe an Steuergeld, über
die das Bundeskanzleramt, also letztlich Wolfgang Schüssel, zu entscheiden hat.
Offen in
diesem Zusammenhang ist auch, was mit den Schulden der „alten“ FPÖ geschieht.
Die BZÖ-Proponenten scheinen der Ansicht zu sein, sich durch schlichtes
Austreten und Weglaufen aus der FPÖ jeder Verantwortung und Haftung entziehen
zu können. Eine Vorgangsweise, die umso unverständlicher und unverantwortlicher
ist, als die nunmehrige BZÖ-Führung personenident mit jener FPÖ-Führung ist,
die diese Schulden verursacht hat. Abseits aller moralischen Einwände, die
gegen eine derartige Vorgangsweise zu erheben sind, stellt sich aber auch die
Rechtsfrage, welche nunmehrigen BZÖ-Mitglieder in der Bundesregierung in
welcher Höhe für welche Verbindlichkeiten der FPÖ haften bzw. ob das jener korrekte
Umgang mit Finanzen und Verpflichtungen ist, den zumindest die
Österreicherinnen und Österreicher, wenn schon nicht der Bundeskanzler, von
Regierungsmitgliedern zu Recht erwarten.
Verschärft
wird diese Situation dadurch, dass die FPÖ schon in der Vergangenheit sich
durch einen vorsichtig gesagt eher nachlässigen Umgang mit Finanzen
„auszeichnete“. Gerüchten zufolge ist die Parteienfinanzierung der FPÖ-Kärnten
auf mehrere Jahre hinaus verpfändet. Der Umgang mit Parteifinanzen der FPÖ-NÖ
wurde sogar gerichtsanhängig. Es stellt sich die Frage, ob der für die
Vollziehung des Parteienfinanzierungsgesetzes und anderer relevanter Gesetze
zuständige Bundeskanzler Schüssel, bevor er die BZÖ in der Regierung
akzeptierte, prüfen ließ, ob durch den Austritt der nunmehrigen
BZÖ-Regierungsmitglieder nicht eine vorsätzliche Verkürzung von
Gläubigerinteressen eingetreten ist. Weiters stellt sich die Frage, ob Wolfgang
Schüssel überhaupt in der Lage und Willens ist, diese sensiblen Gesetze – es
geht um den Umgang mit Steuergeld in der Höhe von Millionen Euro –objektiv und
gesetzeskonform zu vollziehen.
Zu einem
weiteren Unsicherheitsfaktor für diese Regierung wird in Zukunft auch der
Bundesrat werden. Zum einen politisch, weil ÖVP und BZÖ im Bundesrat über keine
Mehrheit mehr verfügen, nachdem drei der bisherigen fünf FPÖ-Bundesräte nach
eigenen Angaben bei der FPÖ verbleiben werden. Zum anderen aber auch rechtlich.
Für die Bildung einer Bundesratsfraktion braucht es mindestens fünf Bundesräte,
die auf Grund von Vorschlägen derselben Partei durch die Landtage gewählt
wurden. Inhaltlich besteht der Sinn einer Fraktion darin, geschlossen politisch
aufzutreten, was bei den BZÖ- und FPÖ-Bundesräten nicht zu erwarten ist. Sollte
– korrekterweise – die FPÖ-Bundesratsfraktion daher aufgelöst werden, sind in
Folge weder FPÖ noch BZÖ in den Bundesratsausschüssen vertreten, wodurch SPÖ
und Grüne dort eine Mehrheit hätten. Sollte die bestehende Fraktion trotzdem
aufrechterhalten werden, würde die Willensbildung im Bundesrat verzerrt und
würden alle Beschlüsse den Bundesrates in Zukunft verfassungswidrig zustande
kommen. Die SPÖ würde Gesetze, die unter Aufrechterhaltung der FPÖ-Fraktion im
Bundesrat beschlossen werden, jedenfalls als verfassungswidrig anfechten.
All das
zeigt, dass der fliegende Wechsel zum BZÖ und die Fortsetzung der Regierung
durch Wolfgang Schüssel nichts anderes ist als ein – wenn auch für ihn nicht
untypisches – „Vabanque-Spiel“ mit mehr als ungewissem Ausgang. In rechtlicher,
politischer und demokratiepolitischer Hinsicht. Die Regierungsarbeit wird
weiterhin von Stillstand gekennzeichnet sein. Noch mehr als bereits in der
Vergangenheit werden die Regierungsparteien nicht nur mit inneren
Befindlichkeiten, sondern auch mit den verschiedensten Unsicherheiten und Unwägbarkeiten
beschäftigt sein und keine Zeit und Energie für das haben, wofür ihre
Repräsentanten vom Steuerzahler bezahlt werden: nämlich zu arbeiten.
Verantwortlich dafür ist Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der nicht zum ersten
mal persönlichen Machterhalt über das Wohl Österreichs stellt.
Die
unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler als
Vorsitzenden der Bundesregierung und als den für die Vollziehung der
Bundesverfassung, des Art. II des Parteiengesetzes und des Publizistikförderungsgesetzes
zuständigen Bundesminister folgende
Anfrage:
1. Wieviele politische Parteien sind derzeit im Nationalrat vertreten, wie heißen sie und über wieviele Mandate verfügen sie jeweils?
2. Welches sind im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 55 Abs. 3 B-VG die „im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien“ und welches ist im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 148 g B-VG die erst-, zweit-, dritt- und viertstärkste im Nationalrat vertretene Partei? Gibt es eine fünftstärkste im Nationalrat vertretene Partei und welche ist dies?
3. Zahlreiche Rechtsvorschriften sehen Vertreter von im Nationalrat vertretenen politischen Parteien in Beiräten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen vor; derartige Einrichtungen sind beispielsweise:
o Nationaler Sicherheitsrat
o Beirat für die Förderung staatsbürgerlicher Bildungsarbeit
o Volksgruppenbeiräte
o Datenschutzrat
o ORF-Stiftungsrat
o Kuratorium des Versöhnungsfonds
o Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik
o Kuratorium für Fonds zur Unterstützung österreichischer Staatsbürger im Ausland
o Beirat für Bewährungshilfe
o Beirat zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsinformationssystem
o Kommission gemäß § 7 Landwirtschaftsgesetz
o Bundesbehindertenbeirat
o Kommission zur langfristigen Pensionssicherung
o Österreichischer Rat für Freiwilligenarbeit
o Bundesheer-Beschwerdekommission
o ERP-Kreditkommission
o Österreichischer Verkehrssicherheitsrat
o Zivilluftfahrtsbeirat
o Kommission in Angelegenheiten der Siedlungswasserwirtschaft
o Kommission in Angelegenheiten der betrieblichen Umweltförderung und Umweltförderung im Ausland
o Kommission in Angelegenheiten der Altlastensanierung
o Umweltrat
o Kommission JI/CDM Programm Kyoto Ziel
Die Rechtsvorschriften stellen hiebei entweder auf die Vertretung einer „politischen Partei im Hauptausschuss des Nationalrates“ oder auf „im Hauptausschuss vertretene Parteien“ oder auch auf „im Hauptausschuss des Nationalrates vertretene Klubs“ ab. Welches sind jeweils die entsendungsberechtigten Rechtsträger im Sinne dieser drei unterschiedlichen Formulierungen und wer ist jeweils das entsendungsberechtigte Organ, das die Entsendung mitzuteilen hat? Teilen Sie die seinerzeit im Zusammenhang mit dem Liberalen Forum vertretene und in der Praxis auch vollzogene Rechtsansicht, dass in diesem Sinne entsendungsberechtigt nur Parteien sind, die auf Grund einer Nationalratswahl im Nationalrat und Hauptausschuss aktuell vertreten sind? Wenn nein, wie begründen Sie die gegenteilige Rechtsansicht? Welche Parteien sind beispielsweise aufgrund dessen in welchem Stärkeverhältnis in Zukunft im Nationalen Sicherheitsrat, Datenschutzrat, ORF-Stiftungsrat, Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik und Bundesheer-Beschwerdekommission vertreten? In welchen dieser Einrichtungen verlieren die Regierungsparteien ihre Mehrheit, wenn die gleiche Rechtsauffassung wie seinerzeit beim Liberalen Forum vertreten wird?
4.
Trifft es zu, dass im Falle der Gründung
des Liberalen Forums das Bundeskanzleramt die Rechtsauffassung vertreten hat, dass diese politische Partei, die
nicht für den Nationalrat kandidiert, sondern sich aus Abgeordneten einer
anderen Partei gebildet hatte, keinen Anspruch auf Parteien– und
Parteiakademiefinanzierung gehabt habe und dies damit begründet wurde, dass aus
den Bestimmungen in ihrem Zusammenhang eindeutig hervorgehe, dass nur solche
politische Parteien Anspruch auf Finanzierung hätten, die auf Grund einer
Kandidatur zum Nationalrat nach der Nationalratswahl im Nationalrat mit
zumindest fünf Abgeordneten vertreten sind?
5.
Steht
demnach dem BZÖ eine Finanzierung nach dem Parteiengesetz oder dem Publizistikförderungsgesetz zu? Wenn ja, warum vertreten Sie nunmehr eine andere Rechtsauffassung
als sie seinerzeit das Bundeskanzleramt beim Liberalen Forum vertreten hat und
wie hoch ist die Finanzierung?
6.
Steht der FPÖ (alt) eine Finanzierung
nach dem Parteiengesetz oder dem Publizistikförderungsgesetz zu? Wenn ja, wie
begründen Sie dies angesichts dessen, dass die FPÖ nicht mehr das gesetzliche
Erfordernis erfüllt, über „mindestens fünf Abgeordnete (Klubstärke)“ im
Nationalrat zu verfügen? Wie hoch ist die Finanzierung?
7.
Angesichts
dessen, dass sich einzelne Ihrer Regierungsmitglieder einer Partei entledigt
haben, die über einen hohen Schuldenstand verfügt, um dadurch einer Haftung zu
entgehen bzw. die Gläubiger in ihren Ansprüchen zu verkürzen: Werden Sie
umgehend die Entlassung eines solchen Regierungsmitglieds veranlassen, wenn
gegen es im Zusammenhang damit strafrechtliche Anklage erhoben wird?
8.
Mit
Sicherheit ist damit zu rechnen, dass gegen einzelne Ihrer Regierungsmitglieder
im Zusammenhang mit der Abspaltung des BZÖ zivilrechtliche Haftungsklagen in
Millionen-Euro-Höhe eingebracht werden. Können Sie garantieren, dass diese
Regierungsmitglieder davon völlig unbeeinflusst ihre Arbeit im Interesse der
Republik fortsetzen werden?
9.
Sie
haben von den FPÖ/BZÖ-Abgeordneten eine schriftliche Garantie für die Umsetzung
des Regierungsabkommens und die Umsetzung der EU-Präsidentschaft verlangt.
Haben Sie diese erhalten? Wenn ja, von welchen FPÖ/BZÖ-Abgeordneten wurde diese
unterschrieben? Wenn nein, warum benötigen Sie diese plötzlich nicht mehr?
10.
Meinen
Sie nicht, dass es im Interesse Österreichs und der dringend anstehenden
Aufgaben – Stichworte Rekordarbeitslosigkeit, PISA-Debakel, Gesundheitsmisere –
am besten wäre, durch Neuwahlen klare Verhältnisse zu schaffen?
In
formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG
dringlich zu behandeln.