2928/J XXII. GP

Eingelangt am 19.04.2005
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend der Verantwortlichkeit des Umweltministers angesichts  hoher Feinstaubbelastung und Vollziehung des Immissionsschutzgesetzes Luft

 

 

Bei Feinstaub (PM 10) kommt es in Österreich seit Jahren verbreitet zu Grenzwert-Überschreitungen. Umweltminister und Landeshauptleute sind seit Jahren säumig. Leidtragende sind die betroffene Bevölkerung in den Ballungsräumen und insbesondere Kinder und ältere  Menschen, deren Gesundheit durch die Feinstaubbelastung besonders gefährdet ist.

 

Die Feinstaubbelastung hat in den vergangenen Wochen in ganz Österreich ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. In allen Bundesländer gab es massive und anhaltende Grenzwertüberschreitungen. Der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde in praktisch allen Ballungsräumen und Landeshauptstädten mehrfach überschritten.

 

Laut gesetzlicher Vorgabe müssen die Landeshauptleute tätig werden, wenn der Grenzwert an einer Messstelle innerhalb eines Jahres an mehr als 30 Tagen (bzw. an mehr als 35 Tagen bis Ende 2004) überschritten wurde.  Dabei können vom Landeshauptmann/von der Landeshauptfrau gem. Immissionsschutzgesetz – Luft (IG-L) unter anderem Maßnahmen wie z.B. zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs, Geschwindigkeitsbeschränkungen, nachträgliche Auflagen für Staubemissionen von Industrieanlagen oder – bei Grenzwertüberschreitung in mehr als einem Jahr – auch Fahrverbote, Festlegung niedriger Emissionsgrenzwerte, Beschränkungsverbote für bestimmte Brennstoffe oder Produktionsmittel verordnet werden.

 

Oberste Bundesbehörde in Sachen Feinstaub ist laut Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L BGBl. I Nr. 115/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2003) Umweltminister Josef Pröll. Sind die Länder bei der Vollziehung des IG-L säumig (z.B.: Landeshauptleute erlassen trotz Ablauf der gesetzlichen Frist keinen Maßnahmenkatalog zur Feinstaubreduktion) so kann der Umweltminister die Landeshauptleute per Weisung zur Umsetzung der verabsäumten Schritte auffordern (Art. 102 und Art. 103 B-VG).

 

Widersetzt sich ein Landeshauptmann den Weisungen des Bundes, so kann dies durch die Bundesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden. Dieser kann in schwerwiegenden Fällen auf Amtsverlust erkennen oder ansonsten die Rechtsverletzung bloß feststellen (Art. 142 B-VG).

 

Der Umweltminister müsste auf grund der Säumigkeit der Bundesländer längst eingreifen. Dazu hätte er wie beschrieben auch die gesetzliche Handhabe.

 

Die Säumigkeit der Bundesländer ist evident. Nur zwei Beispiele von vielen:

 

Niederösterreich

2001 und insbesondere in den Jahren 2002, 2003 und 2004 wurde der Feinstaub-Jahresgrenzwert an zahlreichen Messstellen in Niederösterreich deutlich überschritten. Bisher wurde vom NÖ Landeshauptmann keine Statuserhebung erstellt (gesetzliche Frist: neun Monate nach Ausweisung der Grenzwertüberschreitung), geschweige denn ein Maßnahmenkatalog verordnet. Landeshauptmann Pröll verstößt damit klar gegen das IG-L.

 

Kärnten

Seit 2001 werden in Klagenfurt jährlich Grenzwertüberschreitungen gemessen. Eine Statuserhebung wurde zwar 2002 erarbeitet,  bis heute wurde jedoch vom Landeshauptmann kein Maßnahmenkatalog verordnet.

 

Feinstaub-belastete Luft stellt eine gravierende Gesundheitsgefahr dar. Vor allem Kinder, Risikogruppen und ältere Menschen sind besonders betroffen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Feinstaub schwere Gesundheitsschäden und das Ansteigen der Sterblichkeitsrate aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs verursachen. In Österreich kam es laut einem aktuellen Bericht der EU-Kommission im Jahr 2000 zu mehr als 4.600 frühzeitigen Todesfällen durch Feinstaub. Die durchschnittliche Lebenserwartung der in Österreich lebenden Menschen verkürzt sich durch die Feinstaubbelastung um 4 bis 6 Monate. Bei Kindern beeinträchtigt die hohe Feinstaubbelastung die Entwicklung der Lungenfunktion, Kinder leiden Feinstaub-bedingt besonders oft an Asthma, Bronchitis oder Husten.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. In welchen Bundesländern, Städten, Gebieten bzw. Regionen ist es in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 zur Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte für Feinstaub (PM10) gem. IG-L gekommen? Bitte um detaillierte Auflistung inkl. den Zeitpunkten der Grenzwertüberschreitung.

 

  1. Wann wurden in Folge die gem. IG-L gesetzlich notwendigen Stauserhebungen begonnen und wann wurden sie beendet? Bitte um detaillierte Auflistung nach Bundesländern und Orten der gemessenen Grenzwertüberschreitungen unter Angabe der jeweiligen zeitlichen Daten.

 

  1. Welche Maßnahmenkataloge gem. IG-L wurden in weiterer Folge erlassen und wann? Bitte um detaillierte Auflistung nach Bundesländern und Orten der gemessenen Grenzwertüberschreitungen unter Angabe der jeweiligen zeitlichen Daten.

 

  1. Wie viele Sanierungsgebiete betreffend Feinstaub gem. IG-L wurden in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 festgelegt? Bitte um detaillierte Auflistung der Sanierungsgebiete nach Bundesländern.

 

  1. Warum wurde in den in der Begründung beschriebenen Fällen Niederösterreich und Kärnten bisher keine Statuserhebung vorgelegt (Niederösterreich) bzw. Maßnahmenkatalog erlassen (Kärnten)?

 

  1. Welche weiteren Fälle von Säumigkeit seitens der Landeshauptleute beim Vollzug des IG-L bereffend Feinstaub (PM 10) sind Ihnen bekannt? Bitte listen Sie alle Fälle inkl. Datum der jeweiligen Grenzwertüberschreitung, Vorlage allfälliger Statuserhebungen bzw. Maßnahmenkataloge auf bzw. den Zeitpunkt der versäumten Fristen gem. IG-L.

 

  1. Wurden der EU-Kommission die Maßnahmenkataloge der Bundesländer gemeldet bzw. welche Pläne oder Programme im Sinne der EU-Richtlinie 1996/62/EG, Artikel 8 und 11 wurden der EU-Kommission gemeldet? Bitte um detaillierte Auflistung nach Bundesländern.

 

  1. Hat die EU-Kommission auf grund der Säumigkeit einzelner Bundesländer, entsprechende Maßnahmen zur Feinstaubreduktion gem. EU-Vorgaben zu setzen bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet? Falls ja, bitte um detaillierte Auflistung der Verfahren inkl. Inhalt, Name des Bundeslandes, Datum und Ort der Grenzwertüberschreitung.

 

  1. Werden Sie in jenen Fällen, wo es bisher seitens der Landeshauptleute gesetzwidrig verabsäumt wurde, entsprechende Schritte gem. IG-L zu setzen eine entsprechende Weisung an die Landeshauptleute erteilen? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Welche weiteren Maßnahmen zur Reduktion der hohen Feinstaubbelastung werden sie als zuständige oberste Bundesbehörde in der Frage Feinstaub in den kommenden Wochen setzen bzw. der Bundesregierung vorschlagen? Bitte um detaillierte Auflistung der Maßnahmen inkl. Zeitplan.

 

  1. Wie viele Messstellen wurden in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 in Österreich zur Messung von PM 10 gem. IG-L betrieben? Bitte um detaillierte Auflistung.

 

  1. Wie viele Messstellen werden im Jahr 2005 in Österreich zur Messung von PM 10 gem. IG-L betrieben? Bitte um detaillierte Auflistung.

 

  1. An wie vielen Messstellen gem. IG-L werden bzw. wurden bisher in Österreich die Feinstaubfraktionen PM 2,5 und PM 1 gemessen. Bitte um detaillierte Auflistung für die Jahre 2000 bis 2005.

 

  1. Planen Sie bei der bevorstehenden Novelle zum IG-L die Einführung von Grenzwerten für die Kleinstpartikel der Feinstaubfraktion PM 2,5 und PM 1? Falls ja, welche Grenzwerte für PM 2,5 und PM 1 schlagen Sie vor, ab wann sollen sie gelten und mit welcher Begründung? Falls nein, warum nicht?

 

  1. Ab wann beginnen gem. IG-L die Fristen für Statuserhebungen und Maßnahmenverordnungen zu laufen, wenn es an einer Messstelle eine Grenzwertüberschreitung gem. IG-L festgestellt wurde? Bitte stellen Sie den diesbezüglichen Fristenlauf gem. IG-L allgemein für den Fall von Grenzwertüberschreitungen in den Jahren 2001, 2002 und 2003 dar und ebenso in den in den folgenden Fragen dargelegten Fällen detailliert dar.

 

  1. Im Bundesland Niederösterreich wurde der PM 10-Grenzwert gem. IG-L in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2004 überschritten. Bis wann ist gem. Fristenlauf IG-L vom Landeshauptmann eine Statuserhebung vorzulegen gewesen und bis wann hätte ein Maßnahmenkatalog verordnet werden müssen? Bitte um genaue  Begründung und Hinweis auf die entsprechenden Gesetzespassagen.

 

  1. Im Bundesland Wien wurde im Jahr 2002 der Grenzwert gem. IG-L überschritten. Im Jahr 2003 wurde an der Messstelle Rinnböckstraße bereits am 26.2.2003 die 36. Grenzwertüberschreitung gemessen, also der Jahresgrenzwert gem. IG-L überschritten. Bis wann ist gem. Fristenlauf IG-L vom Landeshauptmann eine Statuserhebung vorzulegen gewesen und bis wann hätte ein Maßnahmenkatalog verordnet werden müssen? Bitte um genaue  Begründung und Hinweis auf die entsprechenden Gesetzespassagen.

 

  1. Im IG-L ist als Zielwert für PM 10 eine maximale Überschreitung des Grenzwertes für PM10 (50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) an sieben Tagen im Jahr festgeschrieben. Daraus lässt sich ableiten – und das bestätigen auch Fachärzte – dass selbst bei Einhaltung des derzeitigen Grenzwertes von maximal 30 Grenzwertüberschreitungen pro Jahr an einer Messstelle weiterhin eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung besteht. Werden Sie vorschlagen, den Zielwert gem. IG-L in der bevorstehenden IG-L Novelle 2005 auch verbindlich festzuschreiben? Falls ja  ab wann? Falls nein warum nicht?

 

  1. In der EU-Richtlinie 99/30/EG sind unter anderem die Grenzwerte für Feinstaub (PM 10) definiert. In Artikel 5, Absatz 1 der Richtlinie heißt es wörtlich: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß Artikel 7 beurteilten PM10-Konzentrationen in der Luft die Grenzwerte des Anhang III Abschnitt I ab den dort genannten Zeitpunkten nicht überschreiten.“ Ist aus dieser EU-Vorgabe abzuleiten, dass die Mitgliedsstaaten rechtzeitig Maßnahmen setzen hätten müssen, um die ab 1.1.2005 gültigen EU-Grenzwerte für PM 10 im Jahr 2005 einzuhalten? Falls ja, hätten gem. dieser EU-Vorgabe und aufgrund der Grenzwertüberschreitungen in den Jahren 2001, 2002 und 2003 nicht alle österreichischen Bundesländer die Pflicht gehabt, entsprechende Maßnahmenkataloge so rechtzeitig zu verordnen, dass die darin festgelegten Maßnahmen spätestens im Jahr 2005 Wirkung zeigen, so dass die Grenzwerte eingehalten werden können? Falls nein, warum nicht?

 

  1. Warum haben Sie in der Messkonzeptverordnung gem. IG-L § 4 nur eine Ausweisung der Grenzwertüberschreitungen für PM 10 im Jahresbericht vorgesehen und nicht bereits in den Monatsberichten?

 

  1. Wurden die Fristen für die Vorlage der Jahresberichte, für die Vorlage der Monatsberichte, für den Abschluss der Statuserhebung, für die Vorlage der Maßnahmenkataloge viel zu großzügig bzw. EU-widrig bemessen angesichts der in Artikel 5, Absatz 1 der EU-Richtlinie 99/30/EG klar vorgegebenen Fristen, wann die Grenzwerte bereits eingehalten werden müssen? Wenn ja, werden Sie diesbezügliche eine Verkürzung der Fristen im Rahmen der bevorstehenden IG-L-Novelle 2005 vorschlagen? Falls nein, warum nicht?

 

  1. Werden Sie sich auf EU-Ebene für eine Verschärfung der PM10-Grenzwerte und für eine rechtlich verbindliche Festlegung von Grenzwerten für PM2,5 und PM 1 einsetzen? Falls ja, welche Position vertreten sie dabei genau? Falls nein, warum nicht?