Eingelangt am 19.04.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten
Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister
für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend der
Verantwortlichkeit des Umweltministers angesichts hoher Feinstaubbelastung und Vollziehung des
Immissionsschutzgesetzes Luft
Bei Feinstaub (PM 10) kommt es in Österreich seit Jahren verbreitet
zu Grenzwert-Überschreitungen. Umweltminister und Landeshauptleute sind seit
Jahren säumig. Leidtragende sind die betroffene Bevölkerung in den Ballungsräumen
und insbesondere Kinder und ältere
Menschen, deren Gesundheit durch die Feinstaubbelastung besonders
gefährdet ist.
Die
Feinstaubbelastung hat in den vergangenen Wochen in ganz Österreich ein
besorgniserregendes Ausmaß angenommen. In allen Bundesländer gab es massive und
anhaltende Grenzwertüberschreitungen. Der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro
Kubikmeter Luft wurde in praktisch allen Ballungsräumen und Landeshauptstädten
mehrfach überschritten.
Laut
gesetzlicher Vorgabe müssen die Landeshauptleute tätig werden, wenn der
Grenzwert an einer Messstelle innerhalb eines Jahres an mehr als 30 Tagen (bzw.
an mehr als 35 Tagen bis Ende 2004) überschritten wurde. Dabei können vom Landeshauptmann/von
der Landeshauptfrau gem. Immissionsschutzgesetz – Luft (IG-L) unter anderem
Maßnahmen wie z.B. zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs,
Geschwindigkeitsbeschränkungen, nachträgliche Auflagen für Staubemissionen von
Industrieanlagen oder – bei Grenzwertüberschreitung in mehr als einem Jahr –
auch Fahrverbote, Festlegung niedriger Emissionsgrenzwerte,
Beschränkungsverbote für bestimmte Brennstoffe oder Produktionsmittel verordnet
werden.
Oberste
Bundesbehörde in Sachen Feinstaub ist laut Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L
BGBl. I Nr. 115/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2003) Umweltminister
Josef Pröll. Sind die Länder bei der Vollziehung des IG-L säumig (z.B.:
Landeshauptleute erlassen trotz Ablauf der gesetzlichen Frist keinen
Maßnahmenkatalog zur Feinstaubreduktion) so kann der Umweltminister die
Landeshauptleute per Weisung zur Umsetzung der verabsäumten Schritte auffordern
(Art. 102 und Art. 103 B-VG).
Widersetzt sich
ein Landeshauptmann den Weisungen des Bundes, so kann dies durch die
Bundesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden. Dieser
kann in schwerwiegenden Fällen auf Amtsverlust erkennen oder ansonsten die
Rechtsverletzung bloß feststellen (Art. 142 B-VG).
Der
Umweltminister müsste auf grund der Säumigkeit der Bundesländer längst eingreifen.
Dazu hätte er wie beschrieben auch die gesetzliche Handhabe.
Die Säumigkeit
der Bundesländer ist evident. Nur zwei Beispiele von vielen:
2001 und
insbesondere in den Jahren 2002, 2003 und 2004 wurde der Feinstaub-Jahresgrenzwert
an zahlreichen Messstellen in Niederösterreich deutlich überschritten. Bisher
wurde vom NÖ Landeshauptmann keine Statuserhebung erstellt (gesetzliche Frist:
neun Monate nach Ausweisung der Grenzwertüberschreitung), geschweige denn ein
Maßnahmenkatalog verordnet. Landeshauptmann Pröll verstößt damit klar gegen das
IG-L.
Seit 2001 werden
in Klagenfurt jährlich Grenzwertüberschreitungen gemessen. Eine Statuserhebung
wurde zwar 2002 erarbeitet, bis heute
wurde jedoch vom Landeshauptmann kein Maßnahmenkatalog verordnet.
Feinstaub-belastete Luft stellt eine
gravierende Gesundheitsgefahr dar. Vor allem Kinder, Risikogruppen und ältere
Menschen sind besonders betroffen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass
Feinstaub schwere Gesundheitsschäden und das Ansteigen der Sterblichkeitsrate
aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs verursachen. In
Österreich kam es laut einem aktuellen Bericht der EU-Kommission im Jahr 2000
zu mehr als 4.600 frühzeitigen Todesfällen durch Feinstaub. Die
durchschnittliche Lebenserwartung der in Österreich lebenden Menschen verkürzt
sich durch die Feinstaubbelastung um 4 bis 6 Monate. Bei Kindern beeinträchtigt
die hohe Feinstaubbelastung die Entwicklung der Lungenfunktion, Kinder leiden
Feinstaub-bedingt besonders oft an Asthma, Bronchitis oder Husten.
ANFRAGE:
- In welchen Bundesländern, Städten, Gebieten bzw. Regionen ist
es in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 zur Überschreitung der
gesetzlichen Grenzwerte für Feinstaub (PM10) gem. IG-L gekommen? Bitte um
detaillierte Auflistung inkl. den Zeitpunkten der Grenzwertüberschreitung.
- Wann wurden in Folge die gem. IG-L gesetzlich notwendigen
Stauserhebungen begonnen und wann wurden sie beendet? Bitte um
detaillierte Auflistung nach Bundesländern und Orten der gemessenen
Grenzwertüberschreitungen unter Angabe der jeweiligen zeitlichen Daten.
- Welche Maßnahmenkataloge gem. IG-L wurden in weiterer Folge
erlassen und wann? Bitte um detaillierte Auflistung nach Bundesländern und
Orten der gemessenen Grenzwertüberschreitungen unter Angabe der jeweiligen
zeitlichen Daten.
- Wie viele Sanierungsgebiete betreffend Feinstaub gem. IG-L
wurden in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 festgelegt? Bitte um
detaillierte Auflistung der Sanierungsgebiete nach Bundesländern.
- Warum wurde in den in der Begründung beschriebenen Fällen
Niederösterreich und Kärnten bisher keine Statuserhebung vorgelegt
(Niederösterreich) bzw. Maßnahmenkatalog erlassen (Kärnten)?
- Welche weiteren Fälle von Säumigkeit seitens der
Landeshauptleute beim Vollzug des IG-L bereffend Feinstaub (PM 10) sind
Ihnen bekannt? Bitte listen Sie alle Fälle inkl. Datum der jeweiligen
Grenzwertüberschreitung, Vorlage allfälliger Statuserhebungen bzw.
Maßnahmenkataloge auf bzw. den Zeitpunkt der versäumten Fristen gem. IG-L.
- Wurden der EU-Kommission die Maßnahmenkataloge der Bundesländer
gemeldet bzw. welche Pläne oder Programme im Sinne der EU-Richtlinie
1996/62/EG, Artikel 8 und 11 wurden der EU-Kommission gemeldet? Bitte um
detaillierte Auflistung nach Bundesländern.
- Hat die EU-Kommission auf grund der Säumigkeit einzelner
Bundesländer, entsprechende Maßnahmen zur Feinstaubreduktion gem.
EU-Vorgaben zu setzen bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet?
Falls ja, bitte um detaillierte Auflistung der Verfahren inkl. Inhalt,
Name des Bundeslandes, Datum und Ort der Grenzwertüberschreitung.
- Werden Sie in jenen Fällen, wo es bisher seitens der
Landeshauptleute gesetzwidrig verabsäumt wurde, entsprechende Schritte
gem. IG-L zu setzen eine entsprechende Weisung an die Landeshauptleute
erteilen? Wenn nein, warum nicht?
- Welche weiteren Maßnahmen zur Reduktion der hohen
Feinstaubbelastung werden sie als zuständige oberste Bundesbehörde in der
Frage Feinstaub in den kommenden Wochen setzen bzw. der Bundesregierung
vorschlagen? Bitte um detaillierte Auflistung der Maßnahmen inkl.
Zeitplan.
- Wie viele Messstellen wurden in den Jahren 2000, 2001, 2002,
2003, 2004 in Österreich zur Messung von PM 10 gem. IG-L betrieben? Bitte
um detaillierte Auflistung.
- Wie viele Messstellen werden im Jahr 2005 in Österreich zur
Messung von PM 10 gem. IG-L betrieben? Bitte um detaillierte Auflistung.
- An wie vielen Messstellen gem. IG-L werden bzw. wurden bisher
in Österreich die Feinstaubfraktionen PM 2,5 und PM 1 gemessen. Bitte um
detaillierte Auflistung für die Jahre 2000 bis 2005.
- Planen Sie bei der bevorstehenden Novelle zum IG-L die
Einführung von Grenzwerten für die Kleinstpartikel der Feinstaubfraktion
PM 2,5 und PM 1? Falls ja, welche Grenzwerte für PM 2,5 und PM 1 schlagen
Sie vor, ab wann sollen sie gelten und mit welcher Begründung? Falls nein,
warum nicht?
- Ab wann beginnen gem. IG-L die Fristen für Statuserhebungen und
Maßnahmenverordnungen zu laufen, wenn es an einer Messstelle eine Grenzwertüberschreitung
gem. IG-L festgestellt wurde? Bitte stellen Sie den diesbezüglichen
Fristenlauf gem. IG-L allgemein für den Fall von Grenzwertüberschreitungen
in den Jahren 2001, 2002 und 2003 dar und ebenso in den in den folgenden
Fragen dargelegten Fällen detailliert dar.
- Im Bundesland Niederösterreich wurde der PM 10-Grenzwert gem.
IG-L in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2004 überschritten. Bis wann ist gem.
Fristenlauf IG-L vom Landeshauptmann eine Statuserhebung vorzulegen
gewesen und bis wann hätte ein Maßnahmenkatalog verordnet werden müssen?
Bitte um genaue Begründung
und Hinweis auf die entsprechenden Gesetzespassagen.
- Im Bundesland Wien wurde im Jahr 2002 der Grenzwert gem. IG-L
überschritten. Im Jahr 2003 wurde an der Messstelle Rinnböckstraße bereits
am 26.2.2003 die 36. Grenzwertüberschreitung gemessen, also der
Jahresgrenzwert gem. IG-L überschritten. Bis wann ist gem. Fristenlauf
IG-L vom Landeshauptmann eine Statuserhebung vorzulegen gewesen und bis
wann hätte ein Maßnahmenkatalog verordnet werden müssen? Bitte um
genaue Begründung und Hinweis
auf die entsprechenden Gesetzespassagen.
- Im IG-L ist als Zielwert für PM 10 eine maximale Überschreitung
des Grenzwertes für PM10 (50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) an sieben
Tagen im Jahr festgeschrieben. Daraus lässt sich ableiten – und das
bestätigen auch Fachärzte – dass selbst bei Einhaltung des derzeitigen
Grenzwertes von maximal 30 Grenzwertüberschreitungen pro Jahr an einer
Messstelle weiterhin eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung besteht.
Werden Sie vorschlagen, den Zielwert gem. IG-L in der bevorstehenden IG-L
Novelle 2005 auch verbindlich festzuschreiben? Falls ja ab wann? Falls nein warum nicht?
- In der EU-Richtlinie 99/30/EG sind unter anderem die Grenzwerte
für Feinstaub (PM 10) definiert. In Artikel 5, Absatz 1 der Richtlinie
heißt es wörtlich: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen
Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß Artikel 7 beurteilten
PM10-Konzentrationen in der Luft die Grenzwerte des Anhang III Abschnitt I
ab den dort genannten Zeitpunkten nicht überschreiten.“ Ist aus dieser
EU-Vorgabe abzuleiten, dass die Mitgliedsstaaten rechtzeitig Maßnahmen
setzen hätten müssen, um die ab 1.1.2005 gültigen EU-Grenzwerte für PM 10
im Jahr 2005 einzuhalten? Falls ja, hätten gem. dieser EU-Vorgabe und
aufgrund der Grenzwertüberschreitungen in den Jahren 2001, 2002 und 2003
nicht alle österreichischen Bundesländer die Pflicht gehabt,
entsprechende Maßnahmenkataloge so rechtzeitig zu verordnen, dass die
darin festgelegten Maßnahmen spätestens im Jahr 2005 Wirkung zeigen, so
dass die Grenzwerte eingehalten werden können? Falls nein, warum nicht?
- Warum haben Sie in der Messkonzeptverordnung gem. IG-L § 4 nur
eine Ausweisung der Grenzwertüberschreitungen für PM 10 im Jahresbericht
vorgesehen und nicht bereits in den Monatsberichten?
- Wurden die Fristen für die Vorlage der Jahresberichte, für die
Vorlage der Monatsberichte, für den Abschluss der Statuserhebung, für die
Vorlage der Maßnahmenkataloge viel zu großzügig bzw. EU-widrig bemessen
angesichts der in Artikel 5, Absatz 1 der EU-Richtlinie 99/30/EG klar
vorgegebenen Fristen, wann die Grenzwerte bereits eingehalten werden
müssen? Wenn ja, werden Sie diesbezügliche eine Verkürzung der Fristen im Rahmen
der bevorstehenden IG-L-Novelle 2005 vorschlagen? Falls nein, warum nicht?
- Werden Sie sich auf EU-Ebene für eine Verschärfung der
PM10-Grenzwerte und für eine rechtlich verbindliche Festlegung von
Grenzwerten für PM2,5 und PM 1 einsetzen? Falls ja, welche Position
vertreten sie dabei genau? Falls nein, warum nicht?