2933/J XXII. GP
Eingelangt am 21.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“
EU-Gesundheitskommissar
Markos Kyprianou hat den Kampf gegen die Fettleibigkeit zu
einer Priorität seiner Amtszeit erklärt. Daher wurde auf seine Anregung eine
europäische
Plattform für gesunde Ernährung u.a. mit der Lebensmittelindustrie,
Einzelhandel,
Gastronomie und Werbebranche gegründet.
Damit soll aus seiner Sicht erreicht werden, dass
diese Branchen freiwillig Verpflichtungen im Kampf gegen die
Fettleibigkeit und den
Bewegungsmangel übernehmen.
In zahlreichen Vorgesprächen wurde diese Gründung auf europäischer Ebene
vorbereitet.
Im Zuge der Vorarbeiten wurde sinnvollerweise angeregt,
den Aspekt der körperlichen
Bewegung in diese
europäische Strategie einzubeziehen. Dieser Ansatz fand bei den
Beteiligten große Zustimmung.
Der
Titel der Initiative lautet nun „Diet, Physical Activity and Health - a
European
Platform for Action“ (Ernährung, Körperliche Bewegung und Gesundheit - eine
Europäische Aktionsplattform) oder
Europäische Aktionsplattform für Ernährung und
Körperliche Bewegung.
Zu
Mitgliedern dieser Plattform gehören u.a. die Europäische "Kommission
selbst, die
Confederation of the Food and Drink
Industries of the EU (CIAA - Europäischer Verband der
Lebensmittelindustrie), EuroCommerce (Europäische Handelsvereinigung), der
Europäische
Verbraucherverband BEUC, der Europäische Verband moderner Restaurants, die
World
Federation of Advertisers (WFA - Weltverband der werbetreibenden Wirtschaft),
das
European Heart Network (EHN - Europäisches Netzwerk für Kardiologie) und die
International Obesity Task Force (IOTF -
Internationale Adipositasgesellschaft).
Die Mitgliedschaft soll aber weiteren Institutionen wie der European
Public Health Alliance
(EPHA), Landwirtschaftsverbänden, Familien-
und Jugendverbänden usw. offen stehen.
Die zunehmende Verbreitung von Fettleibigkeit, insbesondere bei jungen
Menschen, hat diese
Sport- und Gesundheitsexperten zusammengeführt. Fettleibigkeit ist ein
Risikofaktor für viele
schwere Erkrankungen,
wie Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Schlaganfall,
Atemwegserkrankungen, Arthritis und
bestimmte Krebsarten. Auch für die steigende Zahl der
an Typ-2-Diabetes Erkrankten wird die Fettleibigkeitsepidemie in Europa
verantwortlich
gemacht. Falsche Ernährung und Bewegungsmangel gehören zu den führenden
Ursachen
vermeidbarer Todesfälle in Europa, wobei die Fettleibigkeit schätzungsweise 2 -
8 % der
Kosten im Gesundheitswesen verursacht!
Diese
Europäische Aktionsplattform bringt die wichtigsten Vertreter u.a. der
Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels,
der Gastronomie, der Werbebranche, der
Verbraucherverbände und der nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen auf EU-
Ebene zusammen.
Die
EU-Kommission strebt dabei an, dass die einzelnen Teilnehmer an dieser
Plattform für
ihre Mitglieder bestimmte Maßnahmen und Anstrengungen zusichern, mit denen
falsche
Ernährung, Fettleibigkeit, Übergewicht, Bewegungsmangel etc. bekämpft werden
sollen.
Das Spektrum möglicher Maßnahmen könnte vom
Marketing für Lebensmittel über die Größe
angebotener Portionen bis zur Verbraucheraufklärung und -unterrichtung
reichen. Daneben
sind auch gesetzliche Maßnahmen geplant.
Die
in den USA und Europa in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegene Zahl an
Übergewichtigen lässt Gesundheitsexperten und Mediziner mittlerweile von einer
„Pandemie“ sprechen. Laut WHO sind die
Hälfte der Erwachsenen und rund 20% der
europäischen Kinder übergewichtig.
Die WHO sieht im Übergewicht das am schnellsten
wachsende Gesundheitsrisiko und
befürchtet,
dass bis 2040 bereits die Hälfte der Erwachsenen in den entwickelten
Ländern adipös sein könnte.
Im Rahmen des gerade vergangenen Europäischen Jahres der
„Erziehung durch Sport“ vergab
die EU-Kommission
vier Aufträge für Untersuchungen zu diesem Themenkreis.
Eine
Studie dieser Reihe nimmt die Lebensweise Jugendlicher und deren Hang zum
Bewegungsmangel unter die Lupe, der zu vermehrtem Auftreten von Fettleibigkeit
führt.
Europas Kinder werden immer dicker, in manchen EU-Staaten nimmt dies bereits
Formen
einer Epidemie an, so lautet die zentrale Aussage der Untersuchung, die
angesichts des
präsentierten Zahlenmaterials durchaus
nachvollziehbar ist:
„So stieg der Anteil übergewichtiger Kinder im letzten Jahrzehnt in den
„alten“
Mitgliedstaaten um 8-10 %, während sich die körperliche
Leistungsfähigkeit in den
vergangenen 25 Jahren um 10-15 % verringerte. Die Ursachen dieser Entwicklung
sind in
zunehmenden Medienkonsum, ungesunder
Ernährung (kein Obst und kein Gemüse) sowie in
der Vernachlässigung des Schulsports zu suchen. Vor allem unter den Nachkommen
ärmerer
Familien sind Fettleibigkeit und damit einhergehende Krankheiten wie
Diabetes, die
normalerweise erst im Alter auftreten, anzutreffen. Um diese wachsenden
Gesundheitsprobleme in den Griff zu bekommen, sollten alle beteiligten Akteure
an einem
Strang ziehen, denn richtige Ernährung
fängt zwar zu Hause an, aber auch Schulen, Vereine
und Jugendklubs sollten ihren Beitrag leisten.“
In
Österreich haben in der Vergangenheit u.a. Ernährungswissenschafter,
Interessensvertretungen wie die Arbeiterkammern sowie NGO's immer wieder auf
diese
Probleme hingewiesen und konkrete Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen
eingefordert.
So glauben viele KonsumentInnen zu wissen was gesund ist. Nur, gerade AK Tests
haben
gezeigt, dass „gesunde“ Durstlöscher bis zu 29 Stück Würfelzucker pro Liter
enthalten oder
viele Fertiggerichte Kalorienbomben sind oder Kinderprodukte trotz Slogans wie
„mit Milch
und Honig“ oder „das Vitaminplus“ meist zu süß und zu fett sind. Dies sind die
wirklichen
Dickmacher -je mehr zuckerhaltige Limonaden Kinder und Jugendliche trinken,
umso dicker
werden sie. Tatsächlich ausgewogen essen
ist nicht so leicht und wird einem auch nicht leicht
gemacht. Angebot, Werbung und Trend verhindert oft eine gesunde Wahl.
Zuletzt hat die Bundesarbeiterkammer darauf hingewiesen, dass Fehlernährung in
der Arbeit
ein Teil der betrieblichen Realität ist
(Wirtschaft & Umwelt 1/2005).
Und gerade die Ernährungssituation am Arbeitsplatz zählt heute zu den
wichtigen
Herausforderungen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung. Unter dem
Motto
„upgrading nutritional quality“ unternehmen daher bereits mehr und mehr
Produzenten
Anstrengungen, ihre Standardprodukte auf der Rezepturebene hinsichtlich ihres
Engeriegehalts zu optimieren. „Anti-Fat-Food“ ist ein Trend, der an die Welle
von „Light-
Produkten“ aus den 70er-Jahren anschließt, nun aber weiter greift. Es geht um
energiearme
Lebensmittel, um den Trend zur Dick- und Fettleibigkeit zu stoppen.
Absolut alarmierend ist in Österreich die diesbezügliche Entwicklung bei der Jugend:
Der
körperliche Zustand von Kindern und Jugendlichen durch falsche Ernährung und
Bewegungsdefizite ist generell besorgniserregend. Bereits jeder 8. Lehrling
leidet unter
Rückenschmerzen, jeder 10. fühlt sich
dadurch in seiner Bewegung eingeschränkt. Schon 16-
Jährige haben nachweisliche Schäden an der Wirbelsäule. Große Probleme gibt's
auch bei der
Koordination: Für viele ist es schwierig auf einem Bein zu balancieren.
Dazu
kommen die Ernährungssünden: Salzburgs SchülerInnen beispielsweise zwischen 10
und 18 Jahren essen doppelt soviel Fleisch, Wurstwaren, Mehlspeisen und
Süßigkeiten als
empfohlen, wie nicht zuletzt auch eine
Studie der AK Salzburg im Dezember 2004 aufzeigte.
Gerade in Familien mit niedrigem Bildungsgrad nimmt der Anteil dicker
Kinder zu.
Bewegungsarmut fuhrt im Zusammenhang mit ungesunder
Ernährung einerseits zu teilweise
schweren körperlichen
Schäden (z.B. Haltungsschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
andererseits führt ungesunde Ernährung zu Übergewicht bzw. Fettleibigkeit. Bei
den 7- bis
14-jährigen Jugendlichen sind nach dem
europäischen Ernährungsbericht 16% der Burschen
und 14% der Mädchen in Österreich zu dick.
In Europa steigt die Zahl der übergewichtigen
Schulkinder um 400.000 pro Jahr. Gerade auch
deswegen wurde durch
diese EU-Kommission die europäische „Aktionsplattform für
Ernährung und körperliche Bewegung“ gegründet. Dabei soll auch die regelmäßige
körperliche Bewegung - am Arbeitsplatz sowie im schulischen wie
außerschulischen Bereich
- gefördert werden.
In
Österreich ist in den letzten Jahren genau das Gegenteil davon passiert:
Turnstunden
wurden in den Schulen reduziert und eingespart. Dies wurde in der Antwort
2519/AB XXII
GP.
vom 22.03.2005 von Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer auf die
Parlamentarische
Anfrage „Massive Einsparungen im Schulsport“ (2520/J XXII GP) auch schriftlich bestätigt.
Und genau mit diesen Kürzungen werden mittelfristig höhere Gesundheitskosten
provoziert.
Bewegung und Ernährung sind ein Zukunftsthema und müssen
daher auch ein zentrales
Thema für
unsere Jugend in den Schulen werden.
Notwendig ist dabei die komplexen Zusammenhänge zwischen
Ernährung, Bewegung und
private Lebensführung
anzusprechen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die
Bundesministerin für Gesundheit und
Frauen nachstehende
Anfrage:
1. In wie weit ist Ihr Ressort in dieser
europäischen Plattform integriert und in die
konkrete Arbeit (Projektmanagement und Umsetzung) eingebunden?
Durch wen werden Sie in dieser Plattform vertreten?
2.
Welche konkreten Maßnahmen (Projekte) werden bzw. haben
Sie bereits auf
Europäischer Ebene
vorschlagen?
3.
Welche konkreten Maßnahmen (Projekte) werden Sie auf
nationaler Ebene
vorschlagen?
4.
Welche finanziellen Mittel werden Sie 2005 und 2006 für
nationale Maßnahmen zur
Verfügung stellen?
5.
Worauf führen Sie konkret die Zunahme der Fett- bzw.
Dickleibigkeit von
Jugendlichen in
Österreich zurück?
6.
Welche Maßnahmen müssten deshalb aus Sicht Ihres
Ministeriums unternommen
werden?
7.
Sind Sie bereit, eine ähnliche gemeinsame Plattform auch
in Österreich - gemeinsam
mit anderen
Bundesministerien, Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen,
Branchen, Unternehmen, Sportdachverbänden, NGO's etc. - mitzugründen und zu
unterstützen?
8.
Wenn
nein, warum nicht?
9.
Wenn ja, wer bzw. welche Gebietskörperschaften,
Branchen, Unternehmen,
Interessensvertretungen, Sportvereine, NGO's etc. sollen in diese Plattform
miteingebunden
werden?
10.
Welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen werden Sie in der
Öffentlichkeit setzen,
damit KonsumentInnen
erfahren, wie sie sich gesund ernähren können?
11. Welche Zielgruppen werden Sie
besonders ansprechen?
12.
Welche
diesbezüglichen Maßnahmen werden Sie im Rahmen des Unterrichtsprinzips
„Konsumentenerziehung“ der Frau BM
Elisabeth Gehrer für die Schulen vorschlagen?
13.
Welche diesbezüglichen Maßnahmen werden Sie der BM
Elisabeth Gehrer für die
Verpflegung in
Ganztagesschulen, Internaten etc. vorschlagen?
14.
Gibt es Richtlinien bzw. Vorgaben bei Vergaben bzw.
Ausschreibungen für die
Führung von
Betriebsküchen oder Kantinen in Ihrem Bundesministerium
(Zentralstelle) oder nachgeordneten Dienststellen?
15.
Wenn ja, wie lauten im Wortlaut diese Richtlinien oder
Vorgaben bei Vergaben oder
Ausschreibungen (ersuche um Übermittlung dieser)? Inwieweit sind darin „gesunde
und vollwertige
Ernährung“ etc. als Bedingung normiert?
16.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass das Angebot
in Getränkeautomaten in
Ihrem Ressort sowie
den nachgeordneten Dienststellen auf andere zuckerarme
Getränke umgestellt wird?
17.
Werden Sie dieses Problem hinsichtlich der Schulen
(Automaten, Kantinen, etc.) an
Frau BM Elisabeth Gehrer sowie an die anderen Bundesminister herantragen? Wenn
nein, warum nicht?
18.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass
Betriebsküchen auf gesunde und
vollwertige Ernährung
umsteigen?
19. Welche Fördermittel sind 2005 und
2006 vorgesehen?
20.
Werden Sie aus den dargelegten Gründen an Frau BM
Elisabeth Gehrer herantreten,
dass gerade die im
Schuljahr 2003/2004 erfolgten Stundenkürzungen beim
Turnunterricht korrigiert werden?
21. Wenn nein, warum nicht?
22.
Werden Sie dafür eintreten, dass im Zuge der Einführung
der Ganztagesschule eine
tägliche Bewegungsstunde für alle Schulkinder eingeführt wird, weil damit auch
die
Konzentrations- und
Leistungsfähigkeit gesteigert wird?
23.
Was werden Sie unternehmen, damit die derzeit
freiwilligen Nährwertangaben auf
Lebensmittel
verbessert und verständlicher gemacht werden?
24.
Werden
Sie auf europäischer Ebene - wie die internationalen
Verbraucherorganisationen - für eine gesetzlich verpflichtende
Nährwertkennzeichnung für alle verpackten
Lebensmittel eintreten? Wenn nein,
warum nicht?
25.
Werden Sie gesundheitsbezogene (irreführende) Werbung
für „ungesunde“ Produkte
gesetzlich verbieten?
26. Wenn nein, warum nicht?
27.
Wenn ja, werden Sie auch mit Unterlassungsklagen nach
dem UWG gegen diese
Werbung vorgehen bzw.
den VKI damit beauftragen?
28. Wenn nein, warum nicht?
29.
Was werden Sie konkret in Österreich unternehmen, dass
Lebensmittelhersteller und
Gastronomen Fett,
Zucker und Salz in ihren Produkten reduzieren?
30.
Werden Sie dafür eintreten, dass zumindest bei
Lebensmitteln des täglichen Bedarfs
(z.B. Brot und Backwaren)
jeweils der Fettgehalt aufgeführt werden muss?
31. Wenn nein, warum nicht?
32.
Welche
Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass Werbung an Kinder - speziell für
fette, süße und salzige Produkte - reduziert bzw. generell verboten wird?
33. Wenn nein, warum nicht?
34.
Wie
werden Sie die Entwicklung von „Anti-Fat-Food“-Produkten unterstützen? Wenn
ja, in welcher Form?
35.
Welche Initiativen und Projekte wurden von Ihnen 2000,
2001, 2002, 2003 und 2004
gefördert, die sich in Österreich mit gesunder Ernährung oder körperlicher
Bewegung
und Gesundheit
auseinandergesetzt haben (Aufschlüsselung der Projekte auf Jahre)?
36.
Welche Mittel wurden in diesen Jahren jeweils ausbezahlt
(Aufschlüsselung auf Jahre
und Projekte)?
37. Welche diesbezügliche Initiativen
und Projekte werden 2005 und 2006 gefördert?
38.
Welche österreichischen Einrichtungen und
Organisationen, die sich in Österreich mit
„Gesunder Ernährung“ oder der „Körperlicher Bewegung“ auseinandersetzen, wurden
von Ihrem Ressort
2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 finanziell unterstützt
(Aufschlüsselung auf Jahre und Organisationen)?
39.
Welche Mittel wurden in diesen Jahren jeweils ausbezahlt
(Aufschlüsselung auf Jahre
und
Organisationen)?
40. Welche österreichischen
Einrichtungen und Organisationen, die sich in Österreich mit
„Gesunder Ernährung“ oder der „Körperlicher Bewegung“ auseinandersetzen, werden
von Ihrem Ressort
2005 und 2006 finanziell unterstützt (Aufschlüsselung auf Jahre
und Organisationen)?