2940/J XXII. GP
Eingelangt am 25.04.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend „Neues von Gestern“: Die Rumpelkammer Eisenbahnrecht und das
hartnäckige Festhalten des Verkehrsministers am Regelungs-Mittelalter im Eisenbahnbereich
In vielen Bereichen ist
das Eisenbahnrecht durch ein geradezu rührendes Festhalten an Uraltregelungen
geprägt und versickern sogar verspätete Regelungsversuche im Dickicht der
Apparate. Beispiele für dieses Unvermögen sind aus den Bereichen
Eisenbahnkreuzungen oder barrierefreie/behindertengerechte Fahrzeuggestaltung
bekannt. Das Festhalten des BMVIT an der „guten alten Zeit“ der
Steinzeitregelungen sorgt vereinzelt für Heiterkeit, viel mehr jedoch für
Betroffenheit und Ärger. So werden nicht nur längst obsolete Regelungen im
Eisenbahnrecht regelmäßig bei Novellierungen „vergessen“, ernster ist jedoch,
dass in eisenbahnrechtlichen Bewilligungsverfahren, in denen schwerwiegende
Sicherheitsfragen und beträchtliche Investitionen entschieden werden, als
Rechtsgrundlagen nicht nachvollziehbare Bestimmungen wie der 19. Entwurf zur 2.
Ausgabe eines UIC-Merkblattes 541-05 oder die von DB, EBA und VDV publizierte
Regelung Nr. B004/001 (Entwurf 5.1 vom September 2002) vorgeschrieben. Dieses
Tohuwabohu ist aus dem Blickwinkel der Fahrgäste, die sichere Fahrzeuge und
Anlagen voraussetzen können, eine Zumutung und für die Hersteller, die ihre
Produkte offenbar auf Verdacht einreichen müssen, ein hohes wirtschaftliches
Risiko.
Da dem Verkehrsministerium nunmehr bereits zwei Staatssekretäre zur
Unterstützung des Herrn Vizekanzlers beigegeben wurden, darf gehofft werden,
dass die vereinten Kräfte von nunmehr bereits drei Regierungsmitgliedern im
Verkehrsministerium ausreichen sollten, im Eisenbahnwesen für zeitgemäße
Regelungen zu sorgen. Bei einigen besonders überholten Regelungen wären
Aktivitäten besonders dringend angebracht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1.
Nach vielen Jahrzehnten der
Kommandowirtschaft wurden schließlich auch in nahezu allen noch kommunistisch
regierten Staaten die staatlichen „Aufsichtskommissäre“ (gut bezahlte
Funktionäre, die aber keinerlei Verantwortung tragen) weitgehend abgeschafft.
Unter den allerletzten verbliebenen Bastionen der Verteidigung dieses
Aufsichtssystems befindet sich das BMVIT. Im Eisenbahnwesen wird diese
überholte und kostentreibende Aufsichtstätigkeit über Sitzungen von ohnedies
bereits gutbezahlten RessortvertreterInnen gegen ein zusätzliches Körberlgeld
(vulgo Aufwandsentschädigung) unbeirrt wahrgenommen.
Während legistische Aufgaben im Eisenbahnbereich mit dem Hinweis auf
Personalmangel immer wieder abgeblockt und verschoben werden, wurde alleine für
die Installierung zusätzlicher Staatskommissäre sogar eine
gesonderte Novellierung des Eisenbahngesetzes vorgenommen (BGBl. Nr. 106 vom 9.
August 2004).
a) Weshalb war es erforderlich, auch noch Eisenbahn-Staatskommissäre für Unternehmen vorzusehen, die nur an Eisenbahnunternehmen beteiligt sind, und welche Sitzungen sind bei diesen Unternehmen zu überwachen?
b) Wie viele zusätzliche Staatskommissäre wurden für das durch die
Gesetzesnovelle BGBl. Nr. 106 vom 9. August 2004 zusätzlich geschaffene Aufgabenfeld
zusätzlich bestellt?
c) Wieviele der zusätzlichen Staatskommissäre wurden aus der Eisenbahnbehörde rekrutiert und wie viele aus anderen Bereichen?
d) Welchen zusätzlichen Betrag müssen die hinzugekommenen Unternehmen und die SteuerzahlerInnen jetzt für weitere Staatskommissärs-Apanagen pro Jahr aufbringen?
e) Sind durch das erweiterte Aufgabenfeld der Staatskommissäre im
Eisenbahnbereich nun alle KandidatInnen ausreichend versorgt oder ist eine
weitere entgeltliche Ausdehnung des Aufgabenfelds der Staatskommissäre zu
befürchten?
f) War Ihnen dieser zusätzliche Körberlgeld-Vorstoß im Eisenbahngesetz bekannt oder wurden Sie darüber gar nicht informiert?
g) Welche Maßnahmen und Anordnungen werden Sie treffen bzw. haben Sie bereits getroffen, um die kostenintensive Sitzungsüberwachung zur Bevormundung der Wirtschaft zu evaluieren und abzustellen?
2. Im Gegensatz zur Aufgabenrekrutierung für zusätzliche Staatskommissärs-Positionen im Sinne von Frage 1 ist das Eisenbahnrecht in vielen anderen Bereichen geradezu das Gegenteil von up to date. Einige Bestimmungen können getrost als unfreiwillig komisch bezeichnet werden. So regelt beispielsweise § 44 Abs 4 Eisenbahngesetz trotz der mehrfachen Novellen der letzten Jahre unverändert: „Sofern Fahrzeuge mit Vorrichtungen zur Aufnahme von Abfällen ausgestattet sind, ist das Hinauswerfen von Gegenständen aller Art verboten.“
a) Halten Sie es für zeitgemäß, dass in einem Bundesgesetz geregelt wird, welche Gegenstände unter welchen Voraussetzungen aus dem fahrenden Zug geworfen werden dürfen, während es gleichzeitig nicht einmal zeitgemäße Regelungen über Eisenbahnfahrzeuge oder Eisenbahnkreuzungen gibt?
b) Halten Sie es für sinnvoll, dass in einem Bundesgesetz zugelassen wird, dass wartende Reisende oder das Eisenbahnpersonal aus dem fahrenden Zug heraus mit Abfällen oder Gegenständen beworfen werden dürfen, weil es im Fahrzeug keine Abfallbehälter gibt?
c) Wie viele Eisenbahnfahrzeuge ohne Vorrichtungen zur Aufnahme von
Abfällen sind in Österreich zugelassen?
d) Woher wissen die Reisenden auf dem Bahnsteig, bei welchen vorbeifahrenden Zügen sie sich besser ducken sollten, weil aus ihnen - ganz gesetzeskonform - Abfälle und sonstige Gegenstände herausfliegen dürfen?
e) Welche Maßnahmen und Anordnungen werden Sie treffen, damit dies abgestellt wird?
f) Welche Maßnahmen und Anordnungen werden Sie treffen, damit anstelle derartiger Regelungen besser sinnvolle Regelungen über Anforderungen an Eisenbahnfahrzeuge erstellt werden und zukünftig die Anwendung des 19. Entwurfs zur 2. Ausgabe eines UIC Merkblattes 541-05 oder der von DB, EBA und VDV publizierten Regelung Nr. B004/001 (Entwurf 5.1 vom September 2002) oder anderes Fach-Chinesisch nicht mehr erforderlich sind?
3. Die Unfallraten an österreichischen Eisenbahnkreuzungen sind trotz aller Versuche des Schönredens merklich höher als beispielsweise jene in der Bundesrepublik Deutschland. Die mangelhafte Sicherheit an den österreichischen Eisenbahnkreuzungen war auch wiederholt Gegenstand der Kritik in der Presse, beispielsweise in der Zeitschrift Hallo Oberösterreich (Auflage 200.000 Stück), in der im Leitartikel dem Verkehrsministerium massives Versagen vorgeworfen wird („An ihren Händen klebt Blut“). Der erwähnte Leitartikel war bereits Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage (2436/J-NR/2004). Abgesehen von fachlich nicht nachvollziehbaren Antworten des BMVIT zu den dort gestellten Fragen ist insbesondere das Beharren auf dem bestehenden überholten Sicherheits-Standard bemerkenswert.
a) In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 2436/J-NR/2004 wird angeführt, dass der gegenständliche Artikel nicht den Gegebenheiten entspricht und sich sohin irgendwelche Schritte gegen die Aussagen des Artikels erübrigen. Soll das heißen, das Verkehrsressort unternimmt nur Schritte gegen Artikel, die den Gegebenheiten entsprechen? Weshalb hält sich Ihr Haus hier so auffällig zurück, wenn angeblich ohnehin alles nicht wahr ist?
b) In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage wird darauf
hingewiesen, dass der Durchführungserlass zur Eisenbahnkreuzungs-Verordnung
(EKVO) ohnehin im Oktober 1998 das letzte Mal geändert wurde. Das bedeutet
also, dass sich die Sicherheit an Eisenbahnkreuzungen in den letzten sieben
Jahren offenbar keinen Schritt weiterbewegt hat. Zusammen mit der letzten
Änderung der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung selbst im Jahr 1988 - also vor
siebzehn (!) Jahren - ergibt das ein Bild der Versteinerung im Hinblick auf Rechts-
und Sicherheitsfragen an Eisenbahnkreuzungen. Im gleichen Zeitraum haben sich
die Sicherheitsvorschriften für den Straßenverkehr, der bekanntermaßen auch
über die Eisenbahnkreuzung führt, spürbar und in mehrfachen legistischen
Schritten (StVO, KFG) weiterentwickelt.
Welche Maßnahmen und Anordnungen werden Sie daher treffen, damit endlich
zeitgemäße Grundlagen sowohl in der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung als auch im
Durchführungserlass dazu geschaffen werden?
c) Nicht nachvollziehbar ist die Ansicht Ihres Hauses, dass - im Sinne
der Beantwortung der Anfrage Nr. 2436/J-NR/2004 - an den wenig brauchbaren
Regelungen zu Eisenbahnkreuzungen nicht die verantwortlichen politisch und
behördlich Zuständigen, sondern die anderen (z.B. Behindertenverbände) schuld
seien, die im Zuge der Begutachtung entdecken mussten, dass die vorgeschlagenen
Regelungen schlichtweg unbrauchbar sind.
Was werden Sie unternehmen, damit die Arbeiten endlich sinnvoll fortgesetzt
werden?
Wird die Beharrungshaltung Ihres Hauses aufrecht bleiben, die bislang nur das
Durchsetzen unbrauchbarer Regelungen oder das weiteren Inkraftbleiben des
Status Quo als Optionen aufgezeigt hat?
d) Im Rahmen der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr.
2436/J-NR/2004 wird auch darauf hingewiesen, ein „Arbeitsausschuss
Eisenbahnkreuzungen“ beschäftige sich seit 2003 mit der Erstellung von
Regelungen für Verbesserungsmaßnahmen an Eisenbahnkreuzungen, die Arbeiten
befänden sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Das bedeutet also,
dass nach fast zwei Jahren offenbar noch immer keine herzeigbaren Ergebnisse
vorliegen.
Welches Zwischenergebnis hat der Arbeitsausschuss bisher erarbeitet, was werden
Sie unternehmen um endlich Bewegung in dieser Frage zustande zu bringen, und
wie lange noch werden Sie es zulassen, daß siebzehn Jahre alte, überholte
Rechtsvorschriften seitens Ihres Hauses als letzter Schrei der Technik
dargestellt werden?