2951/J XXII. GP

Eingelangt am 27.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Lackner                                                                                                 

und GenossInnen                                                                                                               

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Dr. K.

Herr Dr. K. hat in einem Aufsehen erregenden internationalen Fall medizinische
Gutachten für den seinerzeitigen Präsidentschaftskanidaten Juschtschenko abgegeben.

Auf der Homepage (www.cryosurgery.at) steht zu lesen: Herr Univ.-Prof. Dr. med. N. K., Facharzt für Chirurgie, Österreich, ist ein nach seinen eigenen Angaben in der Ukraine ausgebildeter Chirurg, der sein Studium an der Medizinischen Universität in Kiew absolviert und dort mit der Auszeichnung summa cum laude und „sub auspiciis“ im Jahr 1982 promoviert hat.

In seiner Homepage, in zahlreichen Publikationen, beispielsweise dem Buch „Krebs - Die
biologische und medizinische Tragödie“, und im Telefonbuch führt Herr Dr. K. auch den
Titel: Univ.-Prof.

Dieser Aspekt wurde, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich aus den Angaben von Dr.
K. zahlreiche Widersprüche ergeben, in mehreren Medienberichten (siehe beispielsweise
„profil“ 15/05 - Beilage A und „Heute“ 30.09.;01.10.; 04.10. - Beilagen B, C, D) ausführlich
behandelt.

Dabei wurde auch die Frage erörtert, inwieweit Dr. K. den Titel Universitätsprofessor zu
Recht trage, aus diesem Grund richten die unterfertigten Abgeordneten an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende

Anfrage:

1.      Wann (1991 oder 1992) wurde „Universitätsprofessor“ Dr. N. K. vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung nach Österreich eingeladen?

2.      Auf Grund welcher Verdienste und welcher zukünftiger Forschungstätigkeiten wurde er
eingeladen?

3.                         Welche Tätigkeit an welcher Universität sollte er übernehmen?


4.            War mit der Einladung auch die Nostrifizierung von Doktorat, Facharztanerkennung
und ev. Professur verbunden?

5.                         Auf welchen Zeitraum bezog sich die Einladung?

6.            6.            War damit auch der Erwerb der Staatsbürgerschaft verbunden?

a)            Nach welcher Aufenthaltsdauer wurde er österreichischer Staatsbürger?

b)           War eine kürzere Aufenthaltsdauer als für Ausländer in ähnlichen Umständen
erforderlich?

c)            Musste er die ukrainische Staatsbürgerschaft zurücklegen oder ist er
Doppelstaatsbürger?

d)           Wenn ja, welche Gründe waren dafür ausschlaggebend?

7.      Gab es von Seiten des BM für Wissenschaft und Forschung, von Seiten der
Beamtenschaft Ihres Ministeriums oder von einer anderen Bundesdienststelle eine
aktive Unterstützung für Dr. K. bei der Erlangung der österreichischen
Staatsbürgerschaft (trotz langer Wartefristen für die Absolventen des Medizinstudiums,
hatte Dr. K. sehr rasch Arbeitsplätze in österreichischen Krankenhäusern)?

a)                          Wenn ja, warum?

b)            Wenn nein, wie konnte er offensichtlich sehr schnell die österreichische
Staatsbürgerschaft erlangen (lt. Homepage von Dr. K. - Beilage E: Assistant
Medical Director Department of Surgery Hospital Zwettl vom 01.07.1993-
31.12.1993)?

8.      Halten Sie es für möglich, dass keine österreichische Universität eine Dioxinvergiftung
diagnostizieren kann?

Wenn ja, was gedenken Sie zu tun, dass österreichische medizinische Universitäten
wieder international Anschluss finden und dazu in der Lage sind?

9.           Vor wenigen Jahren gab es in einer Fachschule in Wien 2 Fälle von ebenfalls oral
beigebrachter Dioxinvergiftung, war auch damals kein österreichisches
Universitätsinstitut zur Diagnose fähig?

10.                 In seiner Biographie auf der Homepage gibt Herr „ Univ.-Prof.“ Dr. K. an, dass er
am 21. September 1995 Professor of Surgery vom Federal Ministry of Science and
Research, Austria wurde:

 

a)            Entspricht das der Wahrheit?

b)            Wenn nein, wie gedenken Sie zu reagieren, damit nicht jeder, wenn es ihm
opportun erscheint einfach den Titel Univ.-Prof. führt?

 

11.                 Bereiten Sie rechtliche Schritte vor, sollte der Titel Universitätsprofessor nicht zu Recht
verwendet werden?

12.                 Halten Sie es für einen Betrug an PatientInnen und der Öffentlichkeit, wenn Titel
(speziell Doktor med. oder Universitätsprofessor) vorgetäuscht werden?

13.                 Welches sind die Kriterien für Einladungen Ihres Bundesministeriums an ausländische
Mediziner?

14.                 In welcher Universitätsklinik in Österreich wird die viszerale Kryochirurgie
durchgeführt?


15.                 In welchem österreichischen Universitätsspital arbeitete Univ.-Prof. Dr. K. und wie
lange (aus seiner Biographie ist ab 1995 nur das Evangelische Krankenhaus und
Rudolfinerhaus in Wien bekannt, davor die Krankenhäuser KFJ, KAR, KES, KHL,
Thoraxchirurgie OWS, Unfall AKH, Barmherzige Schwestern in Wien, sowie in
Zwettl)?

16.                 Wenn kein Forschungsauftrag an einer Universitätsklinik geplant war, wieso wurde er
dann 1991 oder 1992 vom BM f. Wissenschaft und Forschung eingeladen?


Beilagen A bis E zur
schriftlichen Anfrage 2951/J

 



Gift: Der überlebte Mord

profil erzählt den Krimi der Spurensuche nach dem Dioxin-Anschlag auf den

ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko: was im Wiener Rudolfinerhaus wirklich

geschah.

Es wäre beinahe ein perfekter Mord gewesen. Übelkeit, Erbrechen, heftige Schmerzen, ein sich über Tage und Wochen
verschlimmernder Krankheitszustand, ohne dass die Ärzte am Lauf der Dinge etwas Entscheidendes hätten ändern
können. Der Patient wäre schließlich verstorben, und kein Gerichtsmediziner hätte nachweisen können, was die Ursache war.

So aber kam alles anders, als es um ein Haar hätte sein können.

Viktor Juschtschenko, der liberale, westlich orientierte Präsidentschaftskandidat der Ukraine, ist zwar - für alle Welt
sichtbar - entstellt und wird wohl noch jahrelang an den Folgen seiner Dioxinvergiftung zu leiden haben, aber er lebt. Und vermutlich wird er aus der Wahlwiederholung am 26. Dezember als Sieger hervorgehen. Dann wird man wahrscheinlich
endg
ültig sagen können, dass die Täter, die ihm das Dioxin ins Essen gemischt haben, das Gegenteil dessen erreicht
haben, was sie erreichen wollten.

Aber es hätte um ein Haar anders kommen können.

Am 11. Oktober berichtete profil erstmals über seltsame Vorgänge rund um einen prominenten Patienten des Wiener
Rudolfinerhauses - dort lag mit heftigen Bauchkr
ämpfen der 50-jährige Viktor Juschtschenko, umringt von Bodyguards.
Ein von den
Ärzten geäußerter Vergiftungsverdacht wurde von der ukrainischen Opposition sogleich als Wahlkampf-
Munition gegen das Regierungslager genutzt, worauf der
ärztliche Leiter des Rudolfinerhauses, Lothar Wicke, diesen
Verdacht wieder zur
ücknahm: Er lasse sein Haus nicht in den ukrainischen Wahlkampf hineinziehen, es gebe absolut
keine Hinweise auf eine Vergiftung. Diese Aussage f
ührte im Rudolfinerhaus zu heftigen Auseinandersetzungen:
einerseits zwischen Wicke und Juschtschenkos Entourage, die Wickes Aussage als politisch extrem kontraproduktiv
empfand - Wicke fühlte sich bedroht und forderte Polizeischutz an. Andererseits zwischen Wicke und dem Präsidenten
des Hauses, Michael Zimpfer, der im Gegensatz zu Wicke zu den behandelnden
Ärzten gehörte und der hinter
Juschtschenkos Krankheit einen Anschlag mit biologischen oder chemischen Kampfmitteln vermutete. Zimpfers Anzeige
wegen Verdachts auf Fremdverschulden führte zu Erhebungen der Staatsanwaltschaft und zur Beschlagnahme der
Krankengeschichte, wobei es im Rudolfinerhaus zu einem Handgemenge zwischen Staatsorganen und ukrainischen
Sicherheitsleuten kam.

Der profil-Bericht rund um den erstmals aufgetauchten Vergiftungsverdacht schlug sich in zahlreichen internationalen
Medien nieder, darunter auch in Weltblättern wie Le Monde“. Inzwischen haben die Analysen mehrerer Labors die
Diagnose „Dioxinvergiftung“ best
ätigt, profil schildert erstmals die genauen Hintergründe der Spurensuche.

5. September, Geheimdienst

Im Kiewer Haus des stellvertretenden ukrainischen Geheimdienstchefs Volodymyr Satsyuk trifft sich Juschtschenko mit
Geheimdienstchef Ihor Smeschko und anderen Geheimen zum Abendessen. Zur Speisenfolge gehörten Rahmsuppe,
Sushi und Flusskrebse. In der darauf folgenden Nacht klagte Juschtschenko
über heftige Bauch- und Rückenschmerzen,
Übelkeit und Erbrechen. Vier Tage danach kam er, noch immer von heftigen Schmerzen geplagt, in einem
mittern
ächtlichen Flug von Kiew zur Behandlung nach Wien ins 120 Jahre alte private Nobelspital Rudolfinerhaus. Die
Kontakte liefen
über N. K., einen aus der Ukraine stammenden, seit vielen Jahren in Wien tätigen
Allgemeinchirurgen, der im Rudolfinerhaus als Belegsarzt ordiniert.

Michael Zimpfer, seit drei Jahren Präsident des Aufsichtsrats des Rudolfinerhauses sowie Vorstand der Wiener
Universit
ätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, der bei Juschtschenkos Aufnahme anwesend war,
berichtet, die Arzte h
ätten sich zunächst nur auf eine „deskriptive Diagnostik“ beschränken müssen - so ungewöhnlich
war das Krankheitsgeschehen. Demnach wurde Juschtschenko „in einem kritischen, aber nicht sterbenden Zustand“
eingeliefert. Die Erstdiagnose lautete auf „akutes Abdomen“ (akuter Bauch).

Zunächst deutete nichts auf eine Vergiftung oder gar eine Dioxinvergiftung hin, wie sie etwa durch eine charakteristische
Chlorakneerkrankung der Gesichtshaut erkennbar wird. Wohl zeigten sich im Gesicht des Patienten Hautrötungen, die
von zwei hinzugezogenen Haut
ärzten zunächst als Rosacea, eine chronisch verlaufende Hauterkrankung unbekannter,
vermutlich genetischer Ursache, gedeutet wurden. Weiters diagnostizierten die Mediziner einen Herpes zoster
(G
ürtelrose), eine leichte Gesichtslähmung sowie eine Ohrenentzündung.

11. September, Blutflecken im Darm

Weit dramatischere Befunde ergaben die Aufnahmen aus dem Computertomografen sowie die endoskopische
Untersuchung von Magen und Darm durch den AKH-Gastroenterologen Eduard Penner. Demnach zeigten sich im
Magen, im Zw
ölffinger- und im Dickdarm des Patienten geschwollene Blutflecken, auch Leber und Bauchspeicheldrüse
waren stark angeschwollen, die Leberwerte im Blut deutlich erhöht - typische Anzeichen einer Leberentzündung
(Hepatitis) und eines Leberzerfalls. Überdies zeigten sich an den Rändern der Bauchspeicheldrüse Flüssigkeitsaustritte,
deutliches Signal für eine - von Ärzten besonders gefürchtete - Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse).
Es bestand akute Lebensgefahr.

 


Denn die Pankreatitis birgt in sich die Gefahr, dass sich die Entzündung „selbst propagiert“ und das Organ „verrückt
spielt“, wie es Intensivmediziner Zimpfer formuliert. In solchen F
ällen sondert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr die
üblichen Verdauungssekrete in den Darm ab, um den Speisebrei in seine Bestandteile aufzulösen, sondern beginnt,
mittels gewebszersetzender Stoffe, seine Umgebung zu verdauen. Au
ßerdem bestand auch Gefahr, dass die
Leberfunktion zusammenbricht - für das behandelnde Ärzteteam ein Albtraum.

Die Situation war umso dramatischer, als die Ursache von Juschtschenkos Erkrankung nach wie vor unbekannt war. Die
Mediziner konnten vorerst nur versuchen, bekannte Erkrankungen nach und nach auszuschlie
ßen, wie etwa eine Fisch-
oder eine andere Lebensmittelvergiftung, eine Immunerkrankung, oder eine bakterielle oder virale Infektion. Aber im Blut
fand sich bis auf den Herpes zoster keinerlei Erreger, auch ließ sich kein Morbus“, also keinerlei
Kombinationserkrankung, finden. Die Ärzte suchten, fanden aber nichts. Sie verabreichten dem Patienten Infusionen und
organstabilisierende Medikamente. Aber damit war ihre Kunst auch schon zu Ende.

18. September, kritische Leberwerte

Acht Tage nach seiner Aufnahme im Rudolfinerhaus flog Juschtschenko zurück in die Ukraine, um sich wieder im
Pr
äsidentschaftswahlkampf zu engagieren - entgegen dem dringenden Rat der Wiener Ärzte, die Schlimmes
bef
ürchteten, weil sich die Leberwerte des Patienten weiter verschlechtert hatten. Am 30. September kehrte
Juschtschenko wieder nach Wien zurück, um sich einer neuerlichen ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Unterdessen
klagte er über unerträgliche Rückenschmerzen, wie sie sonst allenfalls nach einem Unfall oder im Zusammenhang mit
einem Bandscheibenvorfall auftreten. Doch die Abkl
ärung im Kernspintomografen unter Beiziehung des bekannten
Wiener Neurologen Heinrich Binder, des
Ärztlichen Leiters des Neurologischen Krankenhauses im Wiener Maria-
Theresien-Schl
össl, ergab keinerlei Befund im Bereich der Wirbelsäule.

2. Oktober, unerträgliche Schmerzen

Um die unerträglichen Schmerzen zu lindern, verabreichten die Ärzte dem Patienten intravenös extrem hohe Dosen
morphinartiger Medikamente. In einer nicht ungefährlichen Aktion injizierten sie ihm zusätzlich mittels Katheter ein
Lokalan
ästhetikum neben das Rückenmark der Brustwirbelsäule, weil die durch nichts erklärbaren Schmerzen stärker
wurden, obwohl sich Juschtschenkos Allgemeinzustand inzwischen leicht gebessert hatte. Die Ratlosigkeit der Ärzte
wurde nur noch gr
ößer, nachdem sich auch bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung von Harn- und Blutproben des
Patienten „kein Hinweis für toxikologisch relevante Komponenten“ ergeben hatte (siehe Faksimile).

Heute wissen sie, warum: Zwar gilt der Chefchemiker des Wiener Instituts für Gerichtsmedizin, Walter Vykudilik, allseits
als hervorragender Detektiv mit der Pipette. (Er konnte unter anderem in den neunziger Jahren die von der „schwarzen
Witwe“ Elfriede Blauensteiner mithilfe des Blutzuckermittels Euglucon begangenen Giftmorde an drei Pensionisten
aufkl
ären.) Aber es fehlen am Wiener gerichtsmedizinischen Institut jene Präzisionsgeräte, die man benötigt, um auch
eine Dioxinvergiftung zu entdecken. „Man kann so eine Analyse ohne die entsprechenden Geräte, ohne die personellen
und strukturellen Voraussetzungen nicht machen, das geht nicht“, sagt Vykudilik.

7. Oktober, ärztlicher Hilferuf                                                                                                            

Weil die behandelnden Ärzte schon frühzeitig auf eine unbekannte biologische oder chemische Waffe getippt hatten,
wandten sie sich weltweit an h
öchste Repräsentanten ihres Fachs, an wissenschaftliche Institute und internationale
Organisationen um Hilfe bei der Aufklärung des schwierigen Falles: „Da die Erkrankung untypisch verläuft, ist auch der
Verdacht des individuellen Einsatzes eines biologischen Kampfstoffes gegeben. Aufgrund der geschilderten Situation
benötigen wir Ihre Hilfe und möchten Sie herzlich ersuchen, uns diese bezüglich chemischer Kampfmittel und        .

biologischer Waffen zu gewähren“, heißt es in dem von K. und Zimpfer unterzeichneten Schreiben. Zugleich setzte
sich Zimpfer telefonisch mit Kollegen in weltweit führenden Instituten der Toxikologie, darunter dem Center of Poison
Control in Washington, in Verbindung, um mit ihnen die seltsamen Krankheitssymptome zu er
örtern. Aber auch diese
Gespr
äche blieben vorerst ohne Ergebnis.

Nach neuerlichem zehntägigem Aufenthalt im Wiener Rudolfinerhaus flog Juschtschenko, begleitet von Zimpfer und
einer Wiener Ärztin, am 10. Oktober über Lemberg, wo Juschtschenko eine Wahlveranstaltung abhielt, nach Kiew, um
sich dort in weitere ärztliche Behandlung zu begeben. Die Wiener Ärztin blieb als Beratungs- und Auskunftsperson in
Kiew zurück.

Nun behauptete der vom Westen unterstützte Juschtschenko auch im Parlament in Kiew, er sei von Regierungskreisen
vergiftet worden, was nicht ohne Wirkung auf die öffentliche Meinung in der Ukraine blieb: Der Kandidat der Opposition
legte in allen Umfragen deutlich zu und schien gute Aussichten zu haben, nach dem ersten Wahlgang am 31. Oktober in
die f
ür 20. November angesetzte Stichwahl zu kommen und seinen Hauptrivalen Viktor Janukowitsch, den Kandidaten
des Regierungslagers, zu schlagen. Zum Beleg seiner Behauptung legte Juschtschenko jenes
ärztliche Schreiben aus  
Wien vor, das zu den erw
ähnten Erschütterungen unter den Ärzten des Rudolfinerhauses führte.

22. November, Dioxin-Verdacht

Einige Wochen später war der Beleg für Juschtschenkos Behauptung auch in seinem Gesicht zu sehen: anthrazitfarben
aufgedunsen, zerfurcht und mit Pusteln überzogen, die Augen verschwollen. Als der Londoner Toxikologe John A. Henry
diese Aufnahmen sah, tippte er sofort auf eine Dioxinvergiftung. Die Furchen und Geschwulste in Juschtschenkos
Gesicht seien allem Anschein nach eine Chlorakne, und die sei nun einmal charakteristisch f
ür eine Dioxinvergiftung,
sagte Henry gegenüber einem Redakteur des Londoner Inde-pendent“.

Er verfüge zwar über keine toxikologische Evidenz zur Untermauerung seines Verdachts, aber seine Diagnose beziehe
sich auf diese Bilder sowie auf den medizinischen Bericht, wonach Juschtschenko zwei Monate zuvor völlig gesund
gewesen wäre. "Es gibt nur sehr wenige medizinische Konditionen, die innerhalb so kurzer Zeit zu dieser Art
Ver
änderung führen können", sagte Henry, der es für durchaus möglich hielt, dass eine einzige hohe Dosis Dioxin,

versteckt im Essen, genügen würde, um jenen Effekt zu erzeugen, wie er nun in Juschtschenkos Gesicht zu sehen war
(siehe auch Interview oben).


11. Dezember, Dioxin-Bombe

Die Veränderungen in Juschtschenkos Gesicht, wie sie im Fernsehen und in Zeitungen zu sehen waren, waren auch
Ärzten in Wien aufgefallen. So etwa tippte auch Hubert Pehamberger, der neue Vorstand der Wiener Universitätsklinik
für Dermatologie, auf eine Chlorakne. Solche Vergiftungen sind zwar äußerst selten, aber es gab auch schon Fälle in
Österreich, weil Dioxin auch bei normalen Verbrennungs- oder industriellen Produktionsprozessen anfällt. Im Jahr 1998
wurden bei fünf Mitarbeiterinnen des österreichischen Textilinstituts erhöhte Dioxinwerte im Blut festgestellt. Zwei der
Betroffenen erlitten schwerste Vergiftungen und waren „mit Chlorakne
übersät und schwer entstellt“, wie die Austria
Presse Agentur damals meldete.

Unterdessen hatten die Wiener Ärzte an Juschtschenko appelliert, wieder nach Wien zu kommen, um sich weiteren
Untersuchungen zu unterziehen. Schon zuvor wurden ihm in Kiew neuerlich Blutproben abgenommen und von einem bei
der Prozedur anwesenden österreichischen Zeugen in einer eidesstattlichen Erklärung als von Juschtschenko stammend
bestätigt. Diese Proben gingen an mehrere Labors, darunter an ein EU-Referenzlabor in Amsterdam. Am Samstag, den
11. Dezember platzte dann die Bombe: In einer internationalen Pressekonferenz gab das behandelnde Ärzteteam in
Juschtschenkos Gegenwart die Analyse des Labors in Amsterdam bekannt: Demnach enthielten die Blutproben derart
hohe Dioxinwerte, dass eine exakte Bestimmung vorerst unmöglich war. In der Vorwoche bestätigten zwei weitere EU-
Referenzlabors, Juschtschenkos Blutproben würden Dioxinwerte zeigen, die etliche tausend Mal höher liegen als die im
menschlichen Blut vorhandenen Normalwerte.