2952/J XXII. GP

Eingelangt am 27.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Lackner

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen                                                                  

betreffend Dr. K.                                                                                                                       

Herr Dr. K. hat in einem Aufsehen erregenden internationalen Fall medizinische Gutachten für den seinerzeitigen Präsidentschaftskanidaten Juschtschenko abgegeben.

Auf der Homepage (www.cryosurgery.at) steht zu lesen: Herr Univ.-Prof. Dr. med. N. K., Facharzt für Chirurgie, ist ein nach seinen eigenen Angaben in der Ukraine ausgebildeter Chirurg, der sein Studium an der Medizinischen Universität in Kiew absolviert und dort mit der Auszeichnung summa cum laude und „sub auspiciis" im Jahr 1982 promoviert hat.

In seiner Homepage, in zahlreichen Publikationen, beispielsweise dem Buch „Krebs - Die biologische und medizinische Tragödie", und im Telefonbuch führt Herr Dr. K. auch den Titel: Univ.-Prof.

Dieser Aspekt wurde, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich aus den Angaben von Dr. K. zahlreiche Widersprüche ergeben, in mehreren Medienberichten (siehe beispielsweise „profil" 15/05 - Beilage A und „Heute" 30.09.;01.10.; 04.10. - Beilagen B, C, D) ausführlich behandelt.

Dabei wurde auch die Frage erörtert, inwieweit Dr. K. den Titel Universitätsprofessor zu Recht trage.

Sie tragen als Gesundheitsministerin, die politische Verantwortung für Standards und Qualität in den österreichischen Spitälern - öffentlich wie privat - und haben daher dafür zu sorgen, dass die PatientInnen entsprechend dem medizinisch-wissenschaftlichen Standard behandelt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen nachfolgende


Anfrage:

1.     Sehen Sie es als vereinbar mit dem Ärztegesetz, dass ein Chirurg offensichtlich internistisch-toxikologische Diagnostik und Therapie betreibt?

2.            Halten Sie es für möglich, dass in Österreich kein Arzt bzw. keine entsprechende Einrichtung fähig ist, eine Dioxinvergiftung zu verifizieren?

3.                         Vor einigen Jahren kam es zu oral beigebrachten Dioxinvergiftungen in einer Fachschule in Wien:

 

a)            durch wen wurde damals die Diagnose gestellt?

b)           konnte er/sie die Herkunft des Giftes klären?

c)                         konnte er/sie den Zeitraum der Vergiftung feststellen?

 

4.            Die betreffende Diagnose hat im beschriebenen Fall internationale Aufmerksamkeit erregt. Veranlassten Sie die Aufsichtsbehörde die Untersuchungsschritte so wie die Dokumentation zu überprüfen, insbesondere, da Diagnostik und Therapie bei einem Patienten mit Verdacht auf ein internes Leiden oder eine Vergiftung durch einen Chirurgen eher einer Fachüberschreitung ist und nicht dem Ärztegesetz entspricht?

5.                         Ist Ihnen bekannt, dass Dr. K. sowohl im (Wiener) Telefonbuch als auch in mehreren Buchtiteln sowie im Internet den Titel Universitätsprofessor führt, obwohl bis auf seine Aussage auf seiner Homepage (www.cryosurgery.at - Beilage A) Professor of Surgery Federal Ministry of Science and Research Austria, September 21,1995 in Österreich nichts auf seine Habilitation hinweist bzw. keine Nostrifikation eines solchen Titels bekannt ist?

6.                         Falls es zutrifft, dass Dr. K. den Titel Universitätsprofessor zu Unrecht führt, was werden Sie dagegen unternehmen?

7.                         Wie werden Sie sicherstellen, dass in Österreich Patienten von jenen Ärzten behandelt werden, die dafür die fachliche Eignung haben? (PatientInnen mit internen Leiden von Internisten,  mit  chirurgischen  Leiden  von  Chirurgen,  mit  gynäkologischen von Gynäkologen etc.)

8.                         Angeblich wurde das Gutachten in dem international viel beachteten Fall von einem internationalen Expertenteam überprüft.

 

a)            Wurde diese Meldung von Ihrer Aufsichtsbehörde geprüft?

b)           Wenn ja, wie war das Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

9.      Auch für private Krankenanstalten (die auch öffentliche Förderung aus dem PRIKRAF erhalten) gilt das Krankenanstaltengesetz. Überprüfen Sie, ob dies auch entsprechend eingehalten wird?

a)                         Wenn ja, welche privaten Krankenanstalten wurden 2004, 2003, 2002, 2001, 2000 überprüft?

b)           Wie war das Ergebnis?

 

10.                  Wie viele Ärzte waren an Diagnose und Therapie in dem international viel beachteten Fall beteiligt?

11.                  Welcher Fachrichtung gehörten die Ärzte an?

12.                  Univ.-Prof. Dr. N. K. schreibt als Mitautor eines Buches („Krebs - Die biologische und medizinische Tragödie" - Beilage B), dass mit der Kryochirurgie nicht nur die gesamte Tumormasse zerstört wird, sondern zugleich auch die Ausbreitung der

Krebszellen und in der Folge vor allem die gefürchtete Metastasenbildung unterbunden wird.

a)       Halten Sie das für eine seriöse Aussage?

Wenn ja, wo gedenken Sie überall diese Methode zu implementieren?

Wenn nein, wie überprüfen Sie die Qualität, des von Univ.-Prof. Dr. K.

geleiteten Instituts?

b)           Was gedenken Sie zu tun, wenn diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht?

c)                          Dürfen   Ärzte   Derartiges   versprechen,   ohne   mit   dem   Werbeverbot   und Konsumentenschutz in Konflikt zu kommen?

13.     Wie   viele   Patienten   wurden   in   welchen   österreichischen   Spitälern   viszeralen Operationen mit Kryochirurgie von 1995 - 2005 unterzogen?

a)     Aufgelistet Anzahl / Jahr / Krankenhaus / Organ sowie Komplikationen und Erfolg.

14.                  In welchen öffentlichen Spitälern hat Univ.-Prof. Dr. K. seit 1991 gearbeitet, in welchen privaten?

15.                  Auf seiner Homepage schreibt Dr. K. von Filtration der Tumorzellen durch Blut und Lymphsorption. Da diese Methodik unbekannt ist, können Sie bitte klären, worum es sich genau handelt?

16.                  Fürchten Sie nicht, dass potentiell heilbare PatientInnen auf Grund der Schriften des vielleicht Univ.-Prof. Dr. K. sich diesen Behandlungsmethoden unterziehen und daher nicht rechtzeitig eine kurative Therapie erhalten?

 

a)                          Wenn ja, wie werden Sie in diesem speziellen Fall vorgehen?

b)            Wie wollen Sie für die Zukunft sichern, dass medizinische Bücher, Homepages etc. seriös die medizinischen Möglichkeiten widerspiegeln?

17.     Da Dr. K. nach seiner Aussage vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung nach Österreich eingeladen wurde erhebt sich die Frage, ob mit der Einladung die Nostrifizierung und Verleihung der Staatsbürgerschaft verbunden war?

a)            Wenn nein, wann wurde er wo als Arzt in Österreich nostrifiziert?

b)            Wann und wo erfolgte die Anerkennung als Facharzt für Chirurgie?

 

18.                  Laut seiner Homepage wurde er am 11. November 1995 als Chirurg nostrifiziert, Professor für Chirurgie vom österr. BM wurde er am 21. September 1995, ist so ein Ablauf möglich?

19.                  Laut seiner Homepage arbeitete er vom 01.09.1995-11.09.2001  als Professor für Chirurgie im evangelischen KH.

 

a)            Arbeitet er dort als eigenständiger FA schon vor der Nostrifikation? Wenn ja, wie ist das mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang zu bringen?

b)            Wie viele PatientInnen  operierte  er mit welchen Diagnosen,  mit welchen Methoden, mit welchem Erfolg?

c)            Werden Sie die Krankengeschichten überprüfen?


20.     Da Qualitätssicherung immer gefordert wird, mit welchen Methoden führen Sie in österreichischen     Spitälern     (öffentlichen     und    privaten)     eine    medizinische Qualitätssicherung durch?

21.        Es ist bekannt und ausreichend dokumentiert, dass die medizinischen Erfolge dort besser sind, wo mehr Patienten einer bestimmten Erkrankung behandelt (sei es konventionell oder operativ) werden. Wie tragen Sie diesem Umstand Rechnung?

22.        Werden Sie in Hinkunft darauf achten, dass ausschließlich Ärzte, die dafür die einschlägige Berufsberechtigung haben, erkrankte Menschen behandeln?

23.        Wann  und  wie  werden  Sie  Ergebnisse  Ihrer medizinischen  Qualitätssicherung veröffentlichen?

24.        Werden Sie die Berichte der Patientenanwälte 1 x jährlich veröffentlichen, geordnet nach  Fehlerhäufigkeit  (örtlich  und  fachbezogen),   damit  Patienten   als  mündige Konsumenten unterstützt werden können?

25.        Welche    Summen   werden,   geordnet   nach   Bundesländern,    an   Patienten   an Entschädigungen bei welchen medizinischen oder sonstigen Fehlleistungen ausbezahlt?

26.        Wie viele Beschwerden wurden bei den Patientenanwälten eingebracht und

 

a)                         wie vielen wurde stattgegeben,?

b)           wie viele sind noch offen und?

c)                         wie viele Abschlagzahlungen entrichtet?

(pro Bundesland für die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003, 2004)

27.        Eine   der   wichtigsten   Methoden   der   Qualitätssicherung   ist   die   post   mortem Untersuchung - die Obduktion. Es gibt genügend Veröffentlichungen , die über große Abweichungen     der     klinischen     Diagnose     eines     Todesfalles     und     des Obduktionsergebnisses berichten. Die Zahlen der durchgeführten Obduktionen gehen in Österreich massiv zurück: Werden Sie im Sinne der Qualitätssicherung dafür sorgen, dass es wieder zu einer Anhebung der Obduktionen kommt und dass nicht nur nach klinischer Anweisung, sondern auch nach dem Zufallsprinzip obduziert wird?

28.        Werden Sie diese Qualitätssicherung auch für den extramuralen Bereich einfuhren?

29.        Glauben Sie nicht, dass man durch medizinische Qualitätssicherung eine Verbesserung für PatientInnen erreichen und beträchtlich Geld einsparen kann?


Beilagen A bis D zur

schriftlichen Anfrage 2952/J



 


Gift: Der überlebte Mord

profil erzählt den Krimi der Spurensuche nach dem Dioxin-Anschlag auf den

ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko: was im Wiener Rudolfinerhaus wirklich

geschah.

Es wäre beinahe ein perfekter Mord gewesen. Übelkeit, Erbrechen, heftige Schmerzen, ein sich über Tage und Wochen verschlimmernder Krankheitszustand, ohne dass die Arzte am Lauf der Dinge etwas Entscheidendes hätten ändern               können. Der Patient wäre schließlich verstorben, und kein Gerichtsmediziner hätte nachweisen können, was die Ursache               war.

So aber kam alles anders, als es um ein Haar hätte sein können.

Viktor Juschtschenko, der liberale, westlich orientierte Präsidentschaftskandidat der Ukraine, ist zwar - für alle Welt                 sichtbar -entstellt und wird wohl noch jahrelang an den Folgen seiner Dioxinvergiftung zu leiden haben, aber er lebt. Und      vermutlich wird er aus der Wahlwiederholung am 26. Dezember als Sieger hervorgehen. Dann wird man wahrscheinlich      endgültig sagen können, dass die Täter, die ihm das Dioxin ins Essen gemischt haben, das Gegenteil dessen erreicht             haben, was sie erreichen wollten.

Aber es hätte um ein Haar anders kommen können.

Am 11. Oktober berichtete profil erstmals über seltsame Vorgänge rund um einen prominenten Patienten des Wiener Rudolfinerhauses - dort lag mit heftigen Bauchkrämpfen der 50-jährige Viktor Juschtschenko, umringt von Bodyguards.                     Ein von den Ärzten geäußerter Vergiftungsverdacht wurde von der ukrainischen Opposition sogleich als Wahlkampf-             Munition gegen das Regierungslager genutzt, worauf der ärztliche Leiter des Rudolfinerhauses, Lothar Wicke, diesen           Verdacht wieder zurücknahm: Er lasse sein Haus nicht in den ukrainischen Wahlkampf hineinziehen, es gebe absolut                 keine Hinweise auf eine Vergiftung. Diese Aussage führte im Rudolfinerhaus zu heftigen Auseinandersetzungen:                 einerseits zwischen Wicke und Juschtschenkos Entourage, die Wickes Aussage als politisch extrem kontraproduktiv                empfand - Wicke fühlte sich bedroht und forderte Polizeischutz an. Andererseits zwischen Wicke und dem Präsidenten                 des Hauses, Michael Zimpfer, der im Gegensatz zu Wicke zu den behandelnden Ärzten gehörte und der hinter        Juschtschenkos Krankheit einen Anschlag mit biologischen oder chemischen Kampfmitteln vermutete. Zimpfers Anzeige               wegen Verdachts auf Fremdverschulden führte zu Erhebungen der Staatsanwaltschaft und zur Beschlagnahme der Krankengeschichte, wobei es im Rudolfinerhaus zu einem Handgemenge zwischen Staatsorganen und ukrainischen Sicherheitsleuten kam.

Der profil-Bericht rund um den erstmals aufgetauchten Vergiftungsverdacht schlug sich in zahlreichen internationalen                    Medien nieder, darunter auch in Wettblättern wie „Le Monde“. Inzwischen haben die Analysen mehrerer Labors die              Diagnose „Dioxinvergiftung" bestätigt. profil schildert erstmals die genauen Hintergründe der Spurensuche.

5. September, Geheimdienst

Im Kiewer Haus des stellvertretenden ukrainischen Geheimdienstchefs Volodymyr Satsyuk trifft sich Juschtschenko mit Geheimdienstchef Ihor Smeschko und anderen Geheimen zum Abendessen. Zur Speisenfolge gehörten Rahmsuppe,                   Sushi und Flusskrebse. In der darauf folgenden Nacht klagte Juschtschenko über heftige Bauch- und Rückenschmerzen,         Übelkeit und Erbrechen. Vier Tage danach kam er, noch immer von heftigen Schmerzen geplagt, in einem                mitternächtlichen Flug von Kiew zur Behandlung nach Wien ins 120 Jahre alte private Nobelspital Rudolfinerhaus. Die           Kontakte liefen über N. K., einen aus der Ukraine stammenden, seit vielen Jahren in Wien tätigen                           Allgemeinchirurgen, der im Rudolfinerhaus als Belegsarzt ordiniert.

Michael Zimpfer, seit drei Jahren Präsident des Aufsichtsrats des Rudolfinerhauses sowie Vorstand der Wiener         Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, der bei Juschtschenkos Aufnahme anwesend war,                berichtet, die Ärzte hätten sich zunächst nur auf eine „deskriptive Diagnostik“ beschränken müssen - so ungewöhnlich                       war das Krankheitsgeschehen. Demnach wurde Juschtschenko „in einem kritischen, aber nicht sterbenden Zustand“        eingeliefert. Die Erstdiagnose lautete auf „akutes Abdomen“ (akuter Bauch).

Zunächst deutete nichts auf eine Vergiftung oder gar eine Dioxinvergiftung hin, wie sie etwa durch eine charakteristische Chlorakneerkrankung der Gesichtshaut erkennbar wird. Wohl zeigten sich im Gesicht des Patienten Hautrötungen, die                   von zwei hinzugezogenen Hautärzten zunächst als Rosacea, eine chronisch verlaufende Hauterkrankung unbekannter,      vermutlich genetischer Ursache, gedeutet wurden. Weiters diagnostizierten die Mediziner einen Herpes zoster                  (Gürtelrose), eine leichte Gesichtslähmung sowie eine Ohrenentzündung.

11. September, Blutflecken im Darm

Weit dramatischere Befunde ergaben die Aufnahmen aus dem Computertomografen sowie die endoskopische               Untersuchung von Magen und Darm durch den AKH-Gastroenterologen Eduard Penner. Demnach zeigten sich im                   Magen, im Zwölffinger- und im Dickdarm des Patienten geschwollene Blutflecken, auch Leber und Bauchspeicheldrüse                 waren stark angeschwollen, die Leberwerte im Blut deutlich erhöht - typische Anzeichen einer Leberentzündung                   (Hepatitis) und eines Leberzerfalls. Überdies zeigten sich an den Rändern der Bauchspeicheldrüse Flüssigkeitsaustritte,         deutliches Signal für eine - von Ärzten besonders gefürchtete - Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse).                           Es bestand akute Lebensgefahr.

http://www.profil.at/articles/0451/560/100818.shtml?print                                                 11.04.2005


Denn die Pankreatitis birgt in sich die Gefahr, dass sich die Entzündung „selbst propagiert“ und das Organ „verrückt                    spielt“, wie es Intensivmediziner Zimpfer formuliert. In solchen Fallen sondert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr die                üblichen Verdauungssekrete in den Darm ab, um den Speisebrei in seine Bestandteile aufzulösen, sondern beginnt,                  mittels gewebszersetzender Stoffe, seine Umgebung zu verdauen. Außerdem bestand auch Gefahr, dass die            Leberfunktion zusammenbricht - für das behandelnde Ärzteteam ein Albtraum.

Die Situation war umso dramatischer, als die Ursache von Juschtschenkos Erkrankung nach wie vor unbekannt war. Die      Mediziner konnten vorerst nur versuchen, bekannte Erkrankungen nach und nach auszuschließen, wie etwa eine Fisch-             oder eine andere Lebensmittelvergiftung, eine Immunerkrankung oder eine bakterielle oder virale Infektion. Aber im Blut                 fand sich bis auf den Herpes zoster keinerlei Erreger, auch ließ sich kein „Morbus", also keinerlei                 Kombinationserkrankung, finden. Die Ärzte suchten, fanden aber nichts. Sie verabreichten dem Patienten Infusionen und organstabilisierende Medikamente. Aber damit war ihre Kunst auch schon zu Ende.

18. September, Kritische Leberwerte

Acht Tage nach seiner Aufnahme im Rudolfinerhaus flog Juschtschenko zurück in die Ukraine, um sich wieder im Präsidentschaftswahlkampf zu engagieren - entgegen dem dringenden Rat der Wiener Ärzte, die Schlimmes                 befürchteten, weil sich die Leberwerte des Patienten weiter verschlechtert hatten. Am 30. September kehrte                 Juschtschenko wieder nach Wien zurück, um sich einer neuerlichen ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Unterdessen             klagte er über unerträgliche Rückenschmerzen, wie sie sonst allenfalls nach einem Unfall oder im Zusammenhang mit              einem Bandscheibenvorfall auftreten. Doch die Abklärung im Kernspintomografen unter Beiziehung des bekannten                 Wiener Neurologen Heinrich Binder, des Ärztlichen Leiters des Neurologischen Krankenhauses im Wiener Maria-              Theresien-Schlössl, ergab keinerlei Befund im Bereich der Wirbelsäule.

2. Oktober, unerträgliche Schmerzen

Um die unerträglichen Schmerzen zu lindem, verabreichten die Ärzte dem Patienten intravenös extrem hohe Dosen    morphinartiger Medikamente. In einer nicht ungefährlichen Aktion injizierten sie ihm zusätzlich mittels Katheter ein   Lokalanästhetikum neben das Rückenmark der Brustwirbelsäule, weil die durch nichts erklärbaren Schmerzen stärker           wurden, obwohl sich Juschtschenkos Allgemeinzustand inzwischen leicht gebessert hatte. Die Ratlosigkeit der Ärzte                    wurde nur noch größer, nachdem sich auch bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung von Harn- und Blutproben des         Patienten „kein Hinweis für toxikologisch relevante Komponenten“ ergeben hatte (siehe Faksimile).

Heute wissen sie, warum: Zwar gilt der Chefchemiker des Wiener Instituts für Gerichtsmedizin, Walter Vykudilik, allseits als hervorragender Detektiv mit der Pipette. (Er konnte unter anderem in den neunziger Jahren die von der „schwarzen                 Witwe“ Elfriede Blauensteiner mithilfe des Blutzuckermittels Euglucon begangenen Giftmorde an drei Pensionisten                aufklären.) Aber es fehlen am Wiener gerichtsmedizinischen Institut jene Präzisionsgeräte, die man benötigt, um auch                  eine Dioxinvergiftung zu entdecken. „Man kann so eine Analyse ohne die entsprechenden Geräte, ohne die personellen                    und strukturellen Voraussetzungen nicht machen, das geht nicht“, sagt Vykudilik.

7. Oktober, ärztlicher Hilferuf

Weil die behandelnden Arzte schon frühzeitig auf eine unbekannte biologische oder chemische Waffe getippt hatten,             wandten sie sich weltweit an höchste Repräsentanten ihres Fachs, an wissenschaftliche Institute und internationale     Organisationen um Hilfe bei der Aufklärung des schwierigen Falles: „Da die Erkrankung untypisch verläuft, ist auch der            Verdacht des individuellen Einsatzes eines biologischen Kampfstoffes gegeben. Aufgrund der geschilderten Situation             benötigen wir Ihre Hilfe und möchten Sie herzlich ersuchen, uns diese bezüglich chemischer Kampfmittel und                       biologischer Waffen zu gewähren“, heißt es in dem von K. und Zimpfer unterzeichneten Schreiben. Zugleich setzte                           sich Zimpfer telefonisch mit Kollegen in weltweit führenden Instituten der Toxikologie, darunter dem Center of Poison                   Control in Washington, in Verbindung, um mit ihnen die seltsamen Krankheitssymptome zu erörtern. Aber auch diese        Gespräche blieben vorerst ohne Ergebnis.

Nach neuerlichem zehntägigem Aufenthalt im Wiener Rudolfinerhaus flog Juschtschenko, begleitet von Zimpfer und                       einer Wiener Ärztin, am 10. Oktober über Lemberg, wo Juschtschenko eine Wahlveranstaltung abhielt, nach Kiew, um                     sich dort in weitere ärztliche Behandlung zu begeben. Die Wiener Ärztin blieb als Beratungs- und Auskunftsperson in                   Kiew zurück.

Nun behauptete der vom Westen unterstützte Juschtschenko auch im Parlament in Kiew, er sei von Regierungskreisen          vergiftet worden, was nicht ohne Wirkung auf die öffentliche Meinung in der Ukraine blieb: Der Kandidat der Opposition                   legte in allen Umfragen deutlich zu und schien gute Aussichten zu haben, nach dem ersten Wahlgang am 31. Oktober in                   die für 20. November angesetzte Stichwahl zu kommen und seinen Hauptrivalen Viktor Janukowitsch, den Kandidaten                   des Regierungslagers, zu schlagen. Zum Beleg seiner Behauptung legte Juschtschenko jenes ärztliche Schreiben aus                Wien vor, das zu den erwähnten Erschütterungen unter den Ärzten des Rudolfinerhauses führte.

22. November, Dioxin-Verdacht

Einige Wochen später war der Beleg für Juschtschenkos Behauptung auch in seinem Gesicht zu sehen: anthrazitfarben   aufgedunsen, zerfurcht und mit Pusteln überzogen, die Augen verschwollen. Als der Londoner Toxikologe John A. Henry                   diese Aufnahmen sah, tippte er sofort auf eine Dioxinvergiftung. Die Furchen und Geschwulste in Juschtschenkos                        Gesicht seien allem Anschein nach eine Chlorakne, und die sei nun einmal charakteristisch für eine Dioxinvergiftung,                      sagte Henry gegenüber einem Redakteur des Londoner Inde-pendent".

Er verfüge zwar über keine toxikologische Evidenz zur Untermauerung seines Verdachts, aber seine Diagnose beziehe                     sich auf diese Bilder sowie auf den medizinischen Bericht, wonach Juschtschenko zwei Monate zuvor völlig gesund                  gewesen wäre. „Es gibt nur sehr wenige medizinische Konditionen, die innerhalb so kurzer Zeit zu dieser Art                    Veränderung führen können“, sagte Henry, der es für durchaus möglich hielt, dass eine einzige hohe Dosis Dioxin,

http://www.profil.at/articles/0451/560/l00818.shtml?print                                                  11.04.2005


versteckt im Essen, genügen würde, um jenen Effekt zu erzeugen, wie er nun in Juschtschenkos Gesicht zu sehen war                (siehe auch Interview oben).

11. Dezember, Dioxin-Bombe

Die Veränderungen in Juschtschenkos Gesicht, wie sie im Fernsehen und in Zeitungen zu sehen waren, waren auch              Ärzten in Wien aufgefallen. So etwa tippte auch Hubert Pehamberger, der neue Vorstand der Wiener Universitätsklinik                     für Dermatologie, auf eine Chlorakne. Solche Vergiftungen sind zwar äußerst selten, aber es gab auch schon Falle in       Österreich, weil Dioxin auch bei normalen Verbrennungs- oder industriellen Produktionsprozessen anfallt. Im Jahr 1998               wurden bei fünf Mitarbeiterinnen des österreichischen Textilinstituts erhöhte Dioxinwerte im Blut festgestellt. Zwei der         Betroffenen erlitten schwerste Vergiftungen und waren „mit Chlorakne übersät und schwer entstellt“, wie die Austria                   Presse Agentur damals meldete.

Unterdessen hatten die Wiener Ärzte an Juschtschenko appelliert, wieder nach Wien zu kommen, um sich weiteren Untersuchungen zu unterziehen. Schon zuvor wurden ihm in Kiew neuerlich Blutproben abgenommen und von einem bei                   der Prozedur anwesenden österreichischen Zeugen in einer eidesstattlichen Erklärung als von Juschtschenko stammend         bestätigt. Diese Proben gingen an mehrere Labors, darunter an ein EU-Referenzlabor in Amsterdam. Am Samstag, den               11. Dezember platzte dann die Bombe: In einer internationalen Pressekonferenz gab das behandelnde Ärzteteam in Juschtschenkos Gegenwart die Analyse des Labors in Amsterdam bekannt: Demnach enthielten die Blutproben derart                 hohe Dioxinwerte, dass eine exakte Bestimmung vorerst unmöglich war. In der Vorwoche bestätigten zwei weitere EU- Referenzlabors, Juschtschenkos Blutproben würden Dioxinwerte zeigen, die etliche tausend Mal höher liegen als die im menschlichen Blut vorhandenen Normalwerte.