2973/J XXII. GP
Eingelangt am 29.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Maga . Melitta Trunk, Erwin Spindelberger und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend politischer
Imageschaden für Österreich durch „Kameradenmörder"-Aussagen
des BR
Siegfried Kampl und Schweigen des Bundeskanzlers
Im Bundesrat wurde am 14. April 2005 eine
dringliche Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny
(SPÖ) und Stefan Schennach (Grüne) zum Thema „Rehabilitierung der Opfer der
NS-Militärjustiz"
diskutiert.
Der Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl, neuerdings Mitglied
des BZÖ, hat mit seiner damaligen
Stellungnahme und seinen weiteren
öffentlichen Aussagen zu diesem Thema klar gezeigt, dass er
nicht in der Lage ist, den
politisch-gesellschaftlichen Grundkonsens der II.
Republik
mitzutragen
und Widerstand gegen
das NS-Regime - auch jenen innerhalb der deutschen „Wehrmacht" durch
Deserteure - als legitimen Akt des
Widerstandes gegen eine Unrechtsdiktatur anzuerkennen.
Vielmehr meinte Kampl:
„Der Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl, der mit der
freiheitlichen Landesorganisation
des
südlichsten Bundeslands dem von der FPÖ abgespaltenen BZÖ-Bündnis von Jörg
Haider folgt, hat Wehrmachtsdeserteure als
"zum Teil Kameradenmörder" bezeichnet. ...
Diese "Mörder" seien
"keine Einzelfälle", sondern "katastrophale Zustände"
gewesen ...
Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es außerdem eine brutale
"Naziverfolgung" gegeben.
Man müsse daran erinnern, "mit welcher
Arroganz" 1945 Politik betrieben worden sei. "
(APA-Meldung 686
vom 18. April 2005 - 20.40 Uhr)
„ Der freiheitliche Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl
betonte am Dienstag, er stehe "zu
jedem Wort", das er im Zusammenhang mit Deserteuren aus der
deutschen Wehrmacht
gesagt habe.
" (APA-Meldung 139 vom 19. April 2005 - 10.06 Uhr)
Es ist mehr als bedauerlich, dass 60
Jahre nach Kriegsende und damit auch 60 Jahre nach der
Überwindung
der NS-Diktatur durch einen Mandatar des Bundesrates - immerhin die zweite
Kammer
des österreichischen Parlaments - solche Geisteshaltungen vertreten werden. Die
Aussagen
sind - neben den nun bekannt gewordenen neuerlichen Aussagen des Bundesrates
Gudenus
— wieder einmal ein schwerer Imageschaden für unsere Demokratie.
Erschreckenderweise
wäre Bundesrat Kampl
turnusmäßig ab 1. Juli 2005 Präsident des Bundesrates geworden, wenn er
nicht durch seinen Rücktritt die einzig richtige Konsequenz gezogen hätte.
Seine Aussagen können
daher nicht einfach als „private
Meinung" abgetan werden, sondern sie stellen die öffentliche
Meinung eines Menschen dar, der für eines der protokollarisch höchsten
Ämter dieser Republik
designiert war.
Gemäß Artikel 36 der Bundesverfassung
wechselt der Vorsitz im Bundesrat unter den einzelnen
Bundesländern
halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge und als Vorsitzender fungiert der an
erster
Stelle entsandte Vertreter des zum Vorsitz berufenen Bundeslandes. Daher hat
der
Österreichische
Bundesrat nach derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit, einen durch solche
Aussagen
demokratiepolitisch untragbar gewordenen Mandatar als Präsidenten abzulehnen.
Die
Frage
einer nachträglichen Umreihung durch den entsendenden Landtag ist rechtliche
ebenfalls
offen.
Gerade wegen dieser Rechtslage und dem Imageschaden
für Österreich sind klare Distanzierungen
und Zurückweisungen durch die höchsten
Vertreter unserer Republik hier ein wichtiger und
notwendiger Schritt der
Demokratiepolitik - denn erst sie ebnen den Weg für eine öffentliche
Diskussion, die nun letztlich zum
Rücktritt von BR Kampl geführt hat. Im Gegensatz zu
Bundeskanzler Schüssel hat Bundespräsident Dr. Heinz Fischer klare Worte
gefunden:
„Bundespräsident Heinz Fischer geht auf deutliche Distanz zu dem freiheitlichen Bundesrat
Siegfried Kampl (B)........... auch der militärische Widerstand in der NS-Zeit verdiene "unseren
Respekt".
"Ich wünsche mir, dass diese Position eindeutig vertreten wird", so
der
Bundespräsident wörtlich. ... Fischer berichtete, dass nach Prüfung der
gesetzlichen Lage
festzustellen sei, dass die Wahl Kampls zum
Präsidenten des Bundesrates in der zweiten
Jahreshälfte durch den Landtag nicht mehr revidierbar sei. ... Möglich
wäre nur, dass der
designierte Bundesrats-Präsident selbst verzichtet. "Es gibt Gott sei Dank
noch Zeit zum
Nachdenken", so Fischer. ...Zu
den Aussagen Kampls sagte Fischer wörtlich: "Ich glaube,
dass wir in Österreich weitgehend Klarheit darüber erzielt haben, dass
Widerstand gegen
das Hitler-Regime etwas ganz Wichtiges war und zu würdigen ist." Dazu
zähle auch der
militärische Widerstand, und zwar nicht nur an der Spitze, sondern auch
der einfachen
Soldaten ... " (APA-Meldung 270 vom 22. April 2005 - 12.14 Uhr)
Bedauerlichweise hat es Bundeskanzler
Dr. Wolfgang Schüssel bisher nicht geschafft, zu diesem
Fall Stellung zu nehmen, obwohl die Vollziehung der Bundesverfassung dem
Bundeskanzler als
Vorsitzendem der
Bundesregierung obliegt. Dabei fällt besonders die politische Beurteilung der
nationalen und internationalen Auswirkungen dieser Aussagen sowie eine
international hörbare
Distanzierung in den Kompetenzbereich des Bundeskanzlers. Der Bundeskanzler hat
zwar zu den
ebenfalls erschreckenden Aussagen des
Bundesrates Gudenus Stellung bezogen, jedoch zum Fall
Kampl aus Koalitionsräson geschwiegen. Auch Journalistenfragen dazu ließ
er nicht zu:
„ Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (V) will die umstrittenen Aussagen des
freiheitlichen
Bundesrates Siegfried Kampl (B) nicht kommentieren. Er äußere sich nicht im
Ausland zu
innenpolitischen Themen, sagte Schüssel während seines Besuches in Peking...
auf Anfrage
der APA. " (APA-Meldung 551 vom 20. April 2005 - 15.35 Uhr)
Seitdem hat der Bundeskanzler weiterhin
nicht zu diesem Fall Stellung genommen und auch der
Präsident des Nationalrates Dr. Andreas Khol hat sich in dieser Frage bisher
zurückgehalten und
öffentlich zwar festgestellt, dass dieses
Geschichtsbild „ mit dem österreichischen demokratischen
Grundkonsens unvereinbar " ist, gleichzeitig aber
betont: „ Ich werde mich aber nicht in die Frage
einmischen, wie hier die zweite Kammer des Hauses vorgeht. " Obwohl
Präsident Khol die „Würde
des Hauses" sonst bei allen passenden
Gelegenheiten verteidigt, schweigt er hier aus unerfindlichen
Gründen. Dabei ist er gemäß Artikel
30 Bundesverfassung - insbesondere Abs. 3 - aus rechtlicher
Sicht das oberste (Verwaltungs-)Organ im Parlament - auch gegenüber dem
Bundesrat!
Von Seiten der ÖVP
haben sich zwar einzelne Abgeordnete in knappen Worten von den
„Aussagen"
Kampls distanziert - u.a. Klubobmann Molterer und Justizsprecherin Fekter.
Klare
Rücktrittsaufforderungen kamen jedoch -
außer von NR Liechtenstein - von Seiten der ÖVP nicht.
Im Gegenteil, laut Protokoll der Bundesratssitzung vom 14. April 2005 gab es
nach der Rede von
Kampl „Beifall bei den Freiheitlichen und bei den Bundesräten der
ÖVP". Der Bundeskanzler und
der Nationalratspräsident haben es daher
unterlassen, in einer demokratiepolitisch zentralen Frage
zur richtigen Zeit klare Worte zu finden und öffentlich festzustellen, dass die
Äußerungen
demokratiepolitisch untragbar sind
und damit Siegfried Kampl als Bundesratspräsident nicht
tragbar ist. Damit haben Bundeskanzler und Nationalratspräsident -
unabhängig vom nun erfolgten
Rücktritt von BR Siegfried Kampl - nichts
getan, um diesem skandalösen Imageschaden für
Österreich im In- und Ausland rechtzeitig (!) entgegenzuwirken. Sein
Rücktritt bedeutet zwar eine
Schadensbegrenzung, ist aber keine Behebung des nachweislichen Imageschadens
für Österreich.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1.
Gemäß Bundesministeriengesetz sind Angelegenheiten der
staatlichen Verfassung eine
Kompetenz
des Bundeskanzlers. Daneben ist der Bundeskanzler einer der ranghöchsten
Politiker
der Republik und nicht nur rechtlich sondern vor allem auch politisch dafür
verantwortlich,
zu demokratiepolitisch wichtigen Fragen der Republik - die noch dazu
internationales
Interesse auf sich ziehen - Stellung zu nehmen. Warum waren Sie bisher -
sowohl
vor als auch nach seinem Rücktritt - nicht in der Lage, Stellung zu beziehen,
wenn
ein designierter Bundesratspräsident Aussagen trifft, die
mit dem demokratischen
Grundkonsens unserer Republik nicht vereinbar sind?
2.
War oder ist für Sie - unabhängig von welcher Partei -
ein Präsident der Länderkammer des
österreichischen
Parlaments tragbar, der Wehrmachts-Deserteure - die immerhin aus der
Armee
der Nazi-Diktatur geflohen sind - als „Kameradenmörder" bezeichnet?
3.
Sie selbst feiern 60 Jahre nach dem Ende des zweiten
Weltkriegs zahlreiche Jubiläen und
rufen
das „Gedankenjahr" aus. Warum messen Sie in ihren öffentlichen Aussagen
mit
zweierlei
Maß, indem sie die Aussagen von BR Gudenus zurecht verurteilen, während Sie
zu den Aussagen von
BR Kampl offensichtlich aus Koalitionsräson geschwiegen haben und
auch nach seinem Rücktritt weiterhin schweigen?
4.
Statt sich einen guten Namen für die kommende
EU-Ratspräsidentschaft zu machen ist der
nationale
und internationale Imageschaden für die Republik Österreich nun eingetreten,
auch wenn BR
Kampl mittlerweile zurückgetreten ist. Was
werden Sie und die
Bundesregierung tun, um diesem
Imageschaden und Ihren
Versäumnissen betreffend
öffentliche Stellungnahmen in den letzten Wochen entgegenzuwirken?
5. Es ist
offensichtlich, dass der nun erfolgte Rücktritt von BR Kampl ohne die breite
öffentliche Debatte
und die klaren öffentlichen Aussagen zahlreicher Spitzenpolitiker - wie
etwa durch den Bundespräsidenten - nicht möglich gewesen wäre. Werden Sie
hinkünftig
rascher und klarer auf solche Aussagen reagieren oder weiterhin
„Schweigen"?