2998/J XXII. GP
Eingelangt am 11.05.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Äußere Angelegenheiten
betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung"
EU-Gesundheitskommissar
Markos Kyprianou hat den Kampf gegen die Fettleibigkeit zu
einer Priorität seiner Amtszeit erklärt. Daher wurde auf seine Anregung eine
europäische
Plattform für gesunde Ernährung u.a. mit
der Lebensmittelindustrie, Einzelhandel,
Gastronomie und Werbebranche
gegründet. Damit soll aus seiner Sicht erreicht werden, dass
diese Branchen freiwillig Verpflichtungen
im Kampf gegen die Fettleibigkeit und den
Bewegungsmangel übernehmen.
In zahlreichen Vorgesprächen wurde diese Gründung auf europäischer Ebene
vorbereitet.
Im Zuge der Vorarbeiten wurde sinnvollerweise angeregt,
den Aspekt der körperlichen
Bewegung in diese
europäische Strategie einzubeziehen. Dieser Ansatz fand bei den
Beteiligten große Zustimmung.
Der
Titel der Initiative lautet nun „Diet, Physical Activity and Health - a
European
Platform for Action" (Ernährung, Körperliche Bewegung und Gesundheit -
eine
Europäische Aktionsplattform) oder
Europäische Aktionsplattform für Ernährung und
Körperliche Bewegung.
Zu
Mitgliedern dieser Plattform gehören u.a. die Europäische "Kommission
selbst, die
Confederation of the Food and Drink
Industries of the EU (CIAA - Europäischer Verband der
Lebensmittelindustrie), EuroCommerce
(Europäische Handelsvereinigung), der Europäische
Verbraucherverband BEUC, der Europäische Verband moderner Restaurants,
die World
Federation of Advertisers (WFA -
Weltverband der werbetreibenden Wirtschaft), das
European Heart Network (EHN - Europäisches Netzwerk für Kardiologie) und die
International Obesity Task Force (IOTF - Internationale
Adipositasgesellschaft).
Die Mitgliedschaft soll aber weiteren Institutionen wie der European
Public Health Alliance
(EPHA), Landwirtschaftsverbänden, Familien-
und Jugendverbänden usw. offen stehen.
Die zunehmende Verbreitung von
Fettleibigkeit, insbesondere bei jungen Menschen, hat diese
Sport- und Gesundheitsexperten zusammengeführt. Fettleibigkeit ist ein
Risikofaktor für viele
schwere Erkrankungen, wie Herzkrankheiten,
Bluthochdruck, Schlaganfall,
Atemwegserkrankungen,
Arthritis und bestimmte Krebsarten. Auch für die steigende Zahl der
an Typ-2-Diabetes
Erkrankten wird die Fettleibigkeitsepidemie in Europa verantwortlich
gemacht. Falsche Ernährung und Bewegungsmangel gehören zu den führenden
Ursachen
vermeidbarer Todesfälle in Europa, wobei die
Fettleibigkeit schätzungsweise 2 - 8 % der
Kosten im Gesundheitswesen
verursacht!
Diese
Europäische Aktionsplattform bringt die wichtigsten Vertreter u.a. der
Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels,
der Gastronomie, der Werbebranche, der
Verbraucherverbände und der nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen auf EU-
Ebene zusammen.
Die
EU-Kommission strebt dabei an, dass die einzelnen Teilnehmer an dieser
Plattform für
ihre Mitglieder bestimmte Maßnahmen und Anstrengungen zusichern, mit denen
falsche
Ernährung, Fettleibigkeit, Übergewicht,
Bewegungsmangel etc. bekämpft werden sollen.
Das Spektrum möglicher Maßnahmen
könnte vom Marketing für Lebensmittel über die Größe
angebotener Portionen bis zur Verbraucheraufklärung und -unterrichtung
reichen. Daneben
sind auch gesetzliche Maßnahmen geplant.
Die
in den USA und Europa in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegene Zahl an
Übergewichtigen lässt Gesundheitsexperten und Mediziner mittlerweile von einer
„Pandemie" sprechen. Laut WHO sind die
Hälfte der Erwachsenen und rund 20% der
europäischen Kinder übergewichtig.
Die WHO sieht im Übergewicht das am schnellsten wachsende
Gesundheitsrisiko und
befürchtet,
dass bis 2040 bereits die Hälfte der Erwachsenen in den entwickelten
Ländern adipös sein könnte.
Im Rahmen des gerade vergangenen Europäischen Jahres der
„Erziehung durch Sport" vergab
die
EU-Kommission vier Aufträge für Untersuchungen zu diesem Themenkreis.
Eine Studie dieser
Reihe nimmt die Lebensweise Jugendlicher und deren Hang zum
Bewegungsmangel unter die Lupe, der zu
vermehrtem Auftreten von Fettleibigkeit führt.
Europas Kinder werden immer dicker, in manchen EU-Staaten nimmt dies
bereits Formen
einer Epidemie an, so lautet die zentrale Aussage der Untersuchung, die
angesichts des
präsentierten Zahlenmaterials durchaus nachvollziehbar
ist:
„
So stieg der Anteil übergewichtiger Kinder im letzten Jahrzehnt in den „
alten "
Mitgliedstaaten um 8-10 %, während sich die körperliche
Leistungsfähigkeit in den
vergangenen 25 Jahren um 10-15 % verringerte. Die Ursachen dieser Entwicklung
sind in
zunehmenden Medienkonsum, ungesunder Ernährung (kein Obst und kein
Gemüse) sowie in
der Vernachlässigung des Schulsports zu suchen. Vor allem unter den Nachkommen
ärmerer
Familien sind
Fettleibigkeit und damit einhergehende Krankheiten wie Diabetes, die
normalerweise erst im Alter auftreten,
anzutreffen. Um diese wachsenden
Gesundheitsprobleme in den Griff zu bekommen, sollten alle beteiligten Akteure
an einem
Strang ziehen, denn richtige
Ernährung fängt zwar zu Hause an, aber auch Schulen, Vereine
und Jugendklubs sollten ihren Beitrag leiste."
In Österreich haben in der Vergangenheit u.a.
Ernährungswissenschafter,
Interessensvertretungen wie die Arbeiterkammern sowie NGO's immer wieder auf
diese
Probleme hingewiesen und konkrete Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen
eingefordert.
So glauben viele
KonsumentInnen zu wissen was gesund ist. Nur, gerade AK Tests haben
gezeigt, dass „gesunde“ Durstlöscher bis zu 29 Stück Würfelzucker pro Liter
enthalten der
viele Fertiggerichte Kalorienbomben sind
oder Kinderprodukte trotz Slogans wie „mit Milch
und Honig“ oder „das Vitaminplus“ meist zu süß und zu fett sind. Dies
sind die wirklichen
Dickmacher -je mehr zuckerhaltige Limonaden
Kinder und Jugendliche trinken, umso dicker
werden sie. Tatsächlich ausgewogen
essen ist nicht so leicht und wird einem auch nicht leicht
gemacht. Angebot, Werbung und Trend
verhindern oft eine gesunde Wahl.
Zuletzt hat die Bundesarbeitskammer darauf hingewiesen, dass Fehlernährung in der Arbeit
ein Teil der betrieblichen Realität ist (Wirtschaft & Umwelt 1/2005).
Und gerade die Ernährungssituation am Arbeitsplatz zählt heute zu den wichtigen
Herausforderungen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung. Unter dem
Motto
„upgrading
nutritional quality" unternehmen daher bereits mehr und mehr Produzenten
Anstrengungen, ihre Standardprodukte auf
der Rezepturebene hinsichtlich ihres
Engeriegehalts zu optimieren. „Anti-Fat-Food" ist ein Trend, der an die
Welle von „Light-
Produkten" aus den 70er-Jahren anschließt, nun aber weiter greift. Es geht
um energiearme
Lebensmittel, um den Trend zur Dick- und Fettleibigkeit zu stoppen.
Absolut alarmierend ist in Österreich die diesbezügliche Entwicklung bei der Jugend:
Der
körperliche Zustand von Kindern und Jugendlichen durch falsche Ernährung und
Bewegungsdefizite ist generell besorgniserregend. Bereits jeder 8. Lehrling
leidet unter
Rückenschmerzen, jeder 10. fühlt sich
dadurch in seiner Bewegung eingeschränkt. Schon 16-
Jährige haben nachweisliche Schäden an der Wirbelsäule. Große Probleme gibt's
auch bei der
Koordination: Für viele ist es schwierig auf einem Bein zu balancieren.
Dazu
kommen die Ernährungssünden: Salzburgs SchülerInnen beispielsweise zwischen 10
und 18 Jahren essen doppelt soviel Fleisch, Wurstwaren, Mehlspeisen und
Süßigkeiten als
empfohlen, wie nicht zuletzt auch eine
Studie der AK Salzburg im Dezember 2004 aufzeigte.
Gerade in Familien mit niedrigem Bildungsgrad nimmt der Anteil dicker
Kinder zu.
Bewegungsarmut führt im Zusammenhang mit ungesunder
Ernährung einerseits zu teilweise
schweren körperlichen
Schäden (z.B. Haltungsschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
andererseits führt ungesunde Ernährung zu
Übergewicht bzw. Fettleibigkeit. Bei den 7- bis
14-jährigen Jugendlichen sind nach
dem europäischen Ernährungsbericht 16% der Burschen
und 14% der Mädchen in Österreich zu
dick.
In Europa steigt
die Zahl der übergewichtigen Schulkinder um 400.000 pro Jahr. Gerade auch
deswegen wurde durch
diese EU-Kommission die europäische „Aktionsplattform für
Ernährung und körperliche Bewegung“ gegründet. Dabei soll auch die
regelmäßige
körperliche Bewegung - am Arbeitsplatz
sowie im schulischen wie außerschulischen Bereich
- gefördert werden.
In
Österreich ist in den letzten Jahren genau das Gegenteil davon passiert:
Turnstunden
wurden in den Schulen reduziert und eingespart. Dies wurde in der Antwort
2519/AB XXII
GP. vom 22.03.2005
von Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer auf die Parlamentarische
Anfrage „Massive Einsparungen im
Schulsport“ (2520/J XXII GP) auch
schriftlich bestätigt.
Und genau mit diesen Kürzungen werden mittelfristig höhere Gesundheitskosten
provoziert.
Bewegung und Ernährung sind ein Zukunftsthema und müssen daher auch ein
zentrales
Thema in unserer Gesellschaft werden.
Notwendig ist dabei die komplexen Zusammenhänge zwischen
Ernährung, Bewegung und
privater
Lebensführung anzusprechen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Äußere
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1.
Sind Sie bereit, an der Gründung einer ähnlichen
gemeinsamen Aktionsplattform auch
in
Österreich - gemeinsam mit anderen Bundesministerien, Gebietskörperschaften,
Interessenvertretungen, Branchen, Unternehmen, Sportdachverbänden, NGO's etc. -
mitzuwirken und diese
zu unterstützen?
2.
Wenn
nein warum nicht?
3.
Wenn
ja, wer bzw. welche Gebietskörperschaften, Branchen, Unternehmen,
Interessenvertretungen, Sportvereine, NGO's
etc. sollen in diese Aktionsplattform
miteingebunden werden?
4.
Welche konkreten Maßnahmen (Projekte) werden Sie auf
nationaler Ebene für den
schulischen Bereich
vorschlagen?
5.
Welche finanziellen Mittel werden Sie 2005 und 2006 für
diesbezügliche nationale
Maßnahmen zur
Verfügung stellen?
6.
Worauf führen Sie konkret die Zunahme der Fett- bzw.
Dickleibigkeit von
Jugendlichen in
Österreich zurück?
7.
Welche Maßnahmen müssten deshalb aus Sicht Ihres
Ministeriums unternommen
werden?
8.
Gibt
es Richtlinien für Vergaben bzw. Ausschreibungen zur Führung von
Betriebsküchen oder Kantinen und der
Zusammenstellung der Verpflegung in ihrem
Bundesministerium (Zentralstelle) oder nachgeordneten Dienststellen?
9.
Wenn ja, wie lauten im Wortlaut diese Richtlinien oder
Vorgaben (ersuche um
Übermittlung
dieser)? Inwieweit sind darin „gesunde und vollwertige Ernährung" etc. als
Bedingung normiert?
10.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass das Angebot
in Getränkeautomaten in
Ihrem Ressort (z.B.
Zentralstelle) sowie den nachgeordneten Dienststellen auf andere -
nämlich zuckerarme - Getränke umgestellt wird?
11.
Welche
Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass Betriebsküchen im
Bundesministerium oder in nachgeordneten
Dienststellen im Sinne einer betrieblichen
Gesundheitsforderung auf „gesunde und vollwertige Ernährung"
umsteigen?
12.
Welche Richtlinien, Erlässe, Rundschreiben o.ä. Ihres
Bundesministeriums regeln die
Art und
Zusammensetzung der Verpflegung in Justizwacheanstalten? Welche
Ernährungsgrundsätze müssen durch die jeweilige Küche eingehalten werden?
13.
Werden
Sie aus den im Einleitungstext dargelegten Gründen gegenüber der
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft
und Kultur einwirken, dass die im Schuljahr
2003/2004 erfolgten Stundenkürzungen
beim Turnunterricht korrigiert werden (siehe auch
AB
2519/XXII.GP)?
14.
Wenn nein, warum nicht? Wie sollen dann die
Bewegungsdefizite bei Jugendlichen
beseitigt werden?
15.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten, dass im Zuge der
Einführung der Ganztagesschule oder des
Ausbaues der Tagesbetreuung eine tägliche
Bewegungsstunde für alle Schulkinder
eingeführt wird (weil damit auch die
Konzentrations- und Leistungsfähigkeit gesteigert wird)?
16.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten,
dass mit dem Ausbau der
Tagesbetreuung
in den Schulen ein gezieltes Bewegungs- und Sportangebot mit
qualifizierter
Betreuung erstellt wird?
17.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung Initiativen des
Gesundheitsressorts
unterstützen, damit
in Österreich die derzeit freiwilligen Nährwertangaben auf
Lebensmittel zumindest verbessert und
verständlicher gemacht werden?
18. Werden Sie
auf europäischer Ebene - wie die internationalen und nationalen
Verbraucherorganisationen - für eine gesetzlich verpflichtende
Nährwertkennzeichnung
für alle verpackten Lebensmittel eintreten? Wenn nein,
warum
nicht?
19.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung Gesetzesinitiativen, mit denen
gesundheitsbezogene (irreführende) Werbung
für „ungesunde" Produkte gesetzlich
verboten werden soll, unterstützen?
20. Wenn nein,
warum nicht?
21.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung Initiativen
unterstützen, dass
Lebensmittelhersteller
und Gastronomen (inkl. der Kantineuren) Fett, Zucker und Salz
in
ihren Produkten reduzieren?
22.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten, dass zumindest bei
Lebensmitteln des täglichen Bedarfs (z.B.
Brot und Backwaren) jeweils der Fettgehalt
aufgeführt werden muss?
23. Wenn nein, warum nicht?
24.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung gesetzliche
Maßnahmen unterstützen, dass
Werbung an Kinder -
speziell für fette, süße und salzige Produkte - reduziert bzw.
generell verboten wird?
25. Wenn nein, warum nicht?
26.
Vertreten auch Sie die Ansicht, dass nur solche
Unternehmen als Schulsponsoren aus
dem
Lebensmittel-, Getränke- und Gastronomiebereich akzeptiert
werden dürfen, deren Produkte und Angebote den Grundsätzen einer
gesunden und
vollwertigen
Ernährung entsprechen?
27. Wenn nein,
warum nicht?
28. Werden Sie Angebote von „Anti-Fat-Food"-Produkten
in Ihrem
Bundesministerium und nachgeordneten Dienststellen
unterstützen? Wenn ja, in welcher
Form? Wenn nein,
warum nicht?
29.
Inwieweit
wird bei Empfängen des Außenministeriums auf eine „gesunde und
vollwertige Ernährung" bzw. auf
„Anti-Fat-Food"-Produkte Rücksicht genommen?
30.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Speisenauswahl bei
Empfängen (Stehempfang
oder Diner) des
Außenministeriums?
31. Welche ernährungsphysiologischen
Erkenntnisse werden dabei berücksichtigt?