3130/J XXII. GP

Eingelangt am 09.06.2005
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Grünewald, Sburny, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Forschungsbudget und Verteilung der Mittel aus der "Forschungsmilliarde"

 

 

Auf dem Reformdialog zum Tag der Arbeit wurde von der Bundesregierung eine Forschungsmilliarde in Form einer „Forschungsanleihe“ angekündigt, die es ermöglichen soll, „bis 2010 eine Forschungsquote von drei Prozent zu erreichen“, so Kanzler Schüssel in einer Aussendung am 1. Mai. Minister Gorbach konkretisiert das in einer Aussendung: „Das Lissabon-Ziel von 2,5 Prozent im Jahr 2006 und 3 Prozent im Jahr 2010 liegt nun nicht nur in Reichweite, sondern sehr nahe.“

 

Grundsätzlich sind Investitionen in die Forschung zu begrüßen, denn es ist erwiesen, dass F&E auf verschiedene Weise wachstumswirksam sind.[1] So spricht etwa auch die EU-Kommission in ihren Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008) davon, dass „Wissensakkumulation durch Investitionen in F&E, Innovation und Bildung [...] ein Motor des langfristigen Wachstums [ist]. Ein Kernstück der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung sind dementsprechend Maßnahmen, die darauf abzielen, die Wissensinvestitionen anzuheben und die Innovationskapazität der EU-Wirtschaft zu stärken. [Diese Investitionen] tragen zur Schaffung neuer Märkte und Produktionsprozesse bei, ermöglichen die schrittweise Verbesserung bestehender Produkte und Produktionsprozesse und verbessern das Vermögen eines Landes, neue Technologien zu assimilieren.“

 

Das Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 2003 sieht vor, dass die F&E-Ausgaben des Bundes 2,5 Prozent am BIP im Jahr 2006 und 3 Prozent am BIP im Jahr 2010 betragen sollen. Die nun offenbar notwendige Forschungsanleihe ist der Beweis dafür, dass die bisher eingesetzten forschungsrelevanten Ausgaben des Bundes nicht ausreichen, um dieses Ziel mit den Mitteln des ordentlichen Budgets zu erreichen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn bei den erst kürzlich abgeschlossenen Budgetverhandlungen haben die Grünen sowie zahlreiche ExpertInnen von Wifo und IHS darauf hingewiesen, dass dieses Ziel mit den eingesetzten Mitteln nicht erreichbar ist. Gleichzeitig ist es ein Anliegen der Grünen, dass der forschungspolitische Fokus auch auf der qualitativen Umsetzung der F&E-Ausgaben liegen muss.

 

Die forschungsrelevanten Ausgaben des Bundes betragen laut Beilagen zum Bundesfinanzgesetz (S.104) 2006 1,56 Mrd. Euro. Im Vergleich zu 2005 ist das eine minimale Erhöhung von rund 20 Mio. Euro. Laut Berechnungen des Rats für Forschung und Technologienentwicklung fehlen mind. 100 Mio. Euro jährlich, um das nationale Ziel einer Forschungsquote von 2,5 Prozent am BIP im Jahr 2006 und das EU-Ziel von 3 Prozent am BIP bis 2010 zu erreichen. Aktuellen Informationen aus dem Rat zufolge, sind die bereits veranschlagten 600 Mio. Euro des aktuellen Offensivprogramms in der Forschungsmilliarde inkludiert. Unklar ist außerdem, wie die Emission und die Rückzahlung der Anleihe finanziert wird und ob diese nicht wieder auf Kosten der Forschung geht.

 

De facto ist das Gesamtbudget für Forschung und Entwicklung des Bundes seit Jahren gedeckelt. Daher ist die optische Erhöhung des F&E-Koeffizienten von 2001 auf 2005 zu relativieren, weil in dieser Zeit aufgrund konjunktureller und hausgemachter Wirtschaftsflaute das Wirtschaftswachstum in Österreich viel bescheidener war als in früheren Jahren. Logischerweise steigt daher der F&E-Koeffizient relativ zum BIP umso stärker, je langsamer das BIP wächst.

 

Der Forschungs- und Technologiebericht 2004 weist darauf hin, dass das nominelle BIP im Durchschnitt mit 3,9 Prozent bis zum Jahr 2008 wächst. „Auf dieser Basis müssten die jährlichen Wachstumsraten der F&E-Ausgaben bei durchschnittlich 8,8 Prozent liegen, um im Jahre 2010 eine F&E-Quote von 3 Prozent zu erreichen.“ Da sich das Forschungsbudget zu ca. 60 Prozent aus Aufwendungen der Wirtschaft und zu 40 Prozent aus Aufwendungen der öffentlichen Hand zusammensetzt, müssten die öffentlichen Ausgaben moderat gesagt jährlich um gute 3 Prozent steigen. Als wesentliches Element wird hier die nachhaltige Steigerung der Ausgaben definiert, denn einmalige zusätzliche Zahlungen (wie etwa aus den Offensivprogrammen) bewirken keinen kontinuierlichen Anstieg des Forschungsbudgets.

 

Da die ordentlichen Budgets nur jährlich veranschlagt werden und Zusatzfinanzierungen (Offensivprogramme, Nationalstiftung) erst nach mehrmaligem öffentlichem Hilfeschrei der Förderorganisationen kurzfristig die Budgetnot lindern, ist die Situation für die Forschung in Österreich nach wie vor nicht zufriedenstellend. Bestes Beispiel dafür ist der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der aufgrund niedrigster Regelbudgets immer wieder bis zum Jahresende darum kämpfen muss, zusätzliche Mittel aus Forschungsmilliarden oder Offensivprogrammen zu erhalten, um zumindest 50 Prozent der vorliegenden Projekte finanzieren zu können.

 

Fazit: Das Forschungsbudget stagniert seit Jahren und das wichtigste Anliegen der Betroffenen in der Forschungslandschaft, nämlich stabile Regelbudgets mit mittelfristiger Planungssicherheit, ist durch die Ankündigung einer Forschungsmilliarde nach wie vor nicht umgesetzt. Wenn die Bundesregierung nun Anleihen begeben muss, um die Forschung in einem Ausmaß zu finanzieren, das eigentlich bereits im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist, dann läuft finanzierungstechnisch einiges falsch. Von budgetärer Nachhaltigkeit ist hier jedenfalls nichts in Sicht.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Welche Mittel stehen der österreichischen Forschungsszene im Verantwortungsbereich Ihres Ressorts für die Jahre 2005 und 2006 tatsächlich zur Verfügung?

 

  1. Wie und nach welchen Kriterien werden diese Mittel eingesetzt?

 

  1. Wird es statt Sondermitteln und Offensivprogrammen in absehbarer Zeit einmal stabile Regelbudgets mit mehr Nachhaltigkeit für die Forschung geben und gibt es in Ihrem Ressort diesbezüglich konkrete Pläne?

 

  1. Wie können Sie eine von allen Beteiligten seit langem geforderte mittel- bis langfristigen Planungssicherheit für die Forschungsförderung garantieren?

 

  1. Haben Sie konkrete Schritte geplant, um wenigstens dem FWF als einem der wichtigsten Förderinstrumente für die Grundlagenforschung in Österreich, in absehbarer Zeit ein mittelfristig planbares Budget zur Verfügung zu stellen?

 

  1. Wie sollen die Mittel aus der „Forschungsmilliarde“ verteilt werden, so dass die von der Bundesregierung vorgegebenen Ziele, die F&E-Ausgaben des Bundes bis 2006 auf 2,5 Prozent am BIP und bis 2010 auf 3 Prozent am BIP zu erhöhen, erreicht werden?

 

  1. Wie kommentieren Sie die Einschätzungen des Forschungs- und Technologieberichts, dass es zur Erreichung dieser Ziele eine nachhaltige Steigerung der Mittel geben muss, die nicht lediglich auf einmaligen Offensivprogrammen basieren darf?

 

  1. Welche Rolle spielt bei der Verteilung der Mittel aus der „Forschungsmilliarde“ die noch in Entstehung befindliche nationale Forschungsstrategie?

 

  1. Aus welchem Grund wurden bereits vor der Fertigstellung der nationalen Forschungsstrategie die Tranchen für 2005 und 2006 verplant?

 

  1. Weshalb wurden die Mittel für 2005 und 2006 ohne die Einbeziehung des Rates für Forschung und Technologieentwicklung bereits verteilt?

 

  1. Wozu bedarf es Ihrer Ansicht nach überhaupt einer nationalen Forschungsstrategie, wenn die Forschungsmittel von Ihrem Ressort ohnedies nach eigenem Ermessen vergeben werden?

 

  1. Wann wird die nationale Forschungsstrategie Ihrer Einschätzung nach fertiggestellt werden?

 

  1. Wie stehen Sie zu der Grünen Forderung, die nationale Forschungsstrategie in der Öffentlichkeit sowie im Parlament zu diskutieren?

 

  1. Wie soll die angekündigte Forschungsanleihe tatsächlich aussehen und welche detaillierteren Pläne zu deren Realisierung gibt es in Ihrem Ressort?

 

  1. Können Sie garantieren, dass die Rückzahlung der Anleihe nicht auf Kosten des ohnehin knappen Forschungsbudgets geht?

 

  1. Wohin flossen die bereits vergebenen Mittel aus den bisherigen Offensivprogrammen in Ihrem Ressortbereich?

 

 

 



[1] Laut IHS werden pro investierter Milliarde Euro in Infrastruktur rund 15.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Laut OECD Studie aus dem Jahr 2003 und einer Analyse des Wifo bringen 100 Mio. Euro zusätzliche Direktinvestitionen für F+E rund 5.000 zusätzliche Beschäftigte.