3139/J XXII. GP

Eingelangt am 09.06.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag.a Gisela Wurm und GenossInnen
an den Bundeskanzler

betreffend Berufsgesetz für diplomierte SozialarbeiterInnen oder die (n)ever ending
story?

In einer kürzlich vom BMWA und BMSSG beantworteten Anfrage mit demselben Titel
vertraten beide Ministerien die Ansicht, dass bereits ausreichend Regelungen
hinsichtlich eines Berufsgesetzes für SozialarbeiterInnen, vor allem mit der derzeit im
Parlament zur Behandlung vorliegenden 15a-B-VG Vereinbarung über
Sozialbetreuungsberufe (779 d.B.), vorgesehen seien.

Auffallend bei dieser Thematik ist, mit welch unnachvollziehbaren Beharrlichkeit die
Berufsgruppe der Diplomierten SozialarbeiterInnen unter jene der
Sozialbetreuerlnnen subsummiert wurde und wird. Die wirklich betonenswerten
Unterschiede der Berufsgruppen Dipl. SozialbetreuerInnen und Dipl.
SozialarbeiterInnen liegen in erster Linie in der Ausbildung:

Dipl. SozialbetreuerInnen absolvieren eine 2-jährige Ausbildung ohne Matura

und werden hauptsächlich in den Bereichen der Altenbetreuungsarbeit, der
Familienhelferlnnenarbeit und der Behindertenarbeit eingesetzt. Im Gegensatz zu
den SozialbetreuerInnen, die in der Regel in gut vorstrukturierten Feldern, bspw. in
Alten- und Behindertenheimen, tätig sind, orientieren sich die Berufsfelder der
professionellen Sozialarbeit an sich laufend ändernden gesellschaftlichen
Problemlagen, die sich am einzelnen Individuum manifestieren und u. a.
grundlegende existenzsichernde Maßnahmen notwendig machen. Dazu sind ein
strukturiertes Vorgehen (im Rahmen von professioneller Methodenvielfalt und
adäquaten Auswahl), umfassende Kenntnisse der Sozialstrukturen und der
Netzwerkarbeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Kenntnisse von
gesetzlichen Grundlagen notwendig.

Aus diesen Gründen absolvieren Dipl. SozialarbeiterInnen nach der Matura (!)
eine 6-semestrige Akademieausbildung, die mittlerweile an den
Fachhochschulen etabliert ist.
Fachhochschulstudiengänge "Soziale Arbeit" gibt es
derzeit in allen österr. Bundesländern.

Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen (ÖBDS) setzt sich seit
vielen Jahren für ein einheitliches Berufsgesetz für SozialarbeiterInnen ein. Denn ein
einheitliches Berufsgesetz sichert die notwendige Qualität, die sich im Spannungsfeld
von Professionsethik und ökonomischer Effizienz bewegt. Mit dem Übergang der
Ausbildung von den Akademien für Sozialarbeit, hin zur Fachhochschulausbildung
wurde ein wichtiger bildungspolitischer Schritt in diese Richtung vollzogen.

 

Diplomierte Sozialarbeiter und SozialarbeiterInnen stellen mittlerweile die einzige
Berufsgruppe mit tertiärer Ausbildung dar, die nicht durch ein Berufsgesetz
geregelt wird.
Der damit nicht gegebene Berufs- und Titelschutz verschafft dieser
Gruppe inzwischen den Status einer besonderen Spezies, da alle verwandten Berufe
wie der der PsychotherapeutInnen und PsychologInnen seit 5 Jahren über ein
Berufsgesetz verfügen. Selbst Lebens- und SozialberaterInnen sind über die
gewerberechtlichen Regelungen ihrer Tätigkeiten weitestgehend abgesichert. Auch
für den Krankenpflegebereich und somit den Psychiatriebereich wurde jüngst ein
Berufsgesetz beschlossen.

Aufgrund der mittlerweile zahlreichen privatwirtschaftlich organisierten Kurse,
Seminare, Workshops (wie Lebens- und Sozialberater, Coaching, Mediation usw.)
drängen vermehrt Personen ohne umfassende Grundausbildung in den Bereich der
Sozialen Arbeit.

Professionelle Soziale Arbeit setzt voraus, dass die Ausbildung wissenschaftlich
reflektiertes Fachwissen umfasst und durch Forschungsprozesse ständig auf dem
neuesten Stand gehalten wird. Die österreichische Bevölkerung hat ein Recht darauf,
auf best ausgebildete und kompetente Professionalistlnnen in der Sozialen Arbeit
vertrauen zu können.

Es darf mit Recht behauptet werden, dass Personen ohne fachliche
Grundausbildung nicht befähigt sind, einen effektiven Beitrag in der professionellen
Sozialen Arbeit zu leisten.

In den nächsten 10 Jahren ist damit zu rechnen, dass rund 50.000 neue
Arbeitsplätze im Bereich der Sozialarbeit entstehen (Prognose des BMWA, Standard
vom 22.10.2003).

Im Jahr 1997 wurde vom Österreichischen Berufsverband Diplomierter
SozialarbeiterInnen (ÖBDS) der Beschluss gefasst, den Berufsgesetzentwurf als
bundeseinheitliche Regelung anzustreben.

Eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung eines einheitlichen Berufsgesetzes
für SozialarbeiterInnen ist die Etablierung des Grundsatzkompetenztatbestandes
„Sozialarbeit" in der Verfassung. Dazu wäre eine Änderung des Art. 10 Abs. 1Z6B-
VG notwendig. In den Art. 10 musste eingefügt werden: Angelegenheiten der
SozialarbeiterInnen, so weit es sich nicht um Fürsorgemaßnahmen handelt, die
von Gemeinden im Rahmen ihres örtlichen Wirkungsbereiches besorgt werden
können.

Ein diesbezügliches Antragsschreiben des ÖBDS im Oktober 2001 an das
Bundeskanzleramt blieb bedauerlicherweise unbeantwortet. Im Februar 2002 erging
ein weiteres Schreiben des ÖBDS an das Bundeskanzleramt mit Unterstützung von
LH Dr. Pühringer. Die Antwort aus dem Bundeskanzleramt erfolgte im April 2002,
führte allerdings zu keiner wirklichen Klärung der Sachlage.

Bisher unterstützen folgende Landeshauptleute die Anliegen des ÖBDS: LH
Pühringer, LH Klasnic, LH Pröll, sowie der frühere LH Schausberger. ÖGB
Vorsitzender Fritz Verzetnitsch sandte am 13.1.2004 ein Unterstützungsschreiben an
Bundeskanzler Schüssel.

 

Gemäß geltender Gesetzeslage fällt die Regelung des Berufsstandes der
diplomierten SozialarbeiterInnen in die Angelegenheit der Länder. Derzeit gibt es
intensive Bestrebungen, die notwendigen Beschlüsse der neun Landtage auf
Verzicht ihrer derzeitigen Kompetenzen herbeizuführen und sich für die Schaffung
eines Bundesgesetzes einzusetzen. Der burgenländische Landtag hat in der
Landtags-Sitzung am 19. Mai 2005 einen einstimmigen Beschluss hinsichtlich der
Schaffung eines Berufsgesetzes für Dipl. SozialarbeiterInnen gefasst.

Die Empfehlung Rec (2001)1 des Ministerratsausschusses des Europarates an die
Mitgliedsstaaten bezüglich Sozialarbeiter brachte in Punkt 2.a das Bereitstellen
solider, rechtlicher Grundlagen für SozialarbeiterInnen klar zum Ausdruck.

Zudem sieht der Vorschlag des Österreich-Konvents für eine neue Verfassung unter
Artikel 91(1) vor, dass „ausschließlich Bundessache die Gesetzgebung in folgenden
Angelegenheiten ist (17): gesetzliche berufliche Vertretungen, ausgenommen solche
auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet."

Um die Sicherung des Berufsschutzes für SozialarbeiterInnen in der Zukunft zu
gewährleisten und die notwendige Qualitätssicherung zu garantieren, bedarf es der
Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsgesetzes für SozialarbeiterInnen. Dazu
ist die Schaffung einer Bundeskompetenz Voraussetzung, die wiederum eine
entsprechenden Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes notwendig macht, die
vom Bundeskanzleramt zu initiieren wäre. Erst danach könnte die konkrete materielle
Ressorzuständigkeit bestimmt werden.

Aus diesem Grunde richten die unterfertigenden Abgeordneten an den
Bundeskanzler nachstehende

Anfrage

1.    In einem Gespräch des ÖBDS mit dem Büro des Bundeskanzlers (Hr.  Dr.
Pinggera) Anfang Februar 2005 wurde die Notwendigkeit eines Berufsgesetzes für
SozialarbeiterInnen außer Diskussion gestellt. Vertritt das BKA gegenwärtig dieselbe
Ansicht?

2.         Gab und gibt es von Seiten Ihres Ressorts konkrete Unterstützung zur Schaffung
eines Berufsgesetzes für diplomierte SozialarbeiterInnen und wie gestaltet sich
diese?

3.         Im selben Gespräch wurde von Seiten des BKA der Handlungsbedarf hinsichtlich
einer Zuweisung der Thematik an ein  Bundesministerium festgestellt.  Erfolgten
seitdem konkrete Gespräche mit den potenziell zuständigen Bundesministerien?
Wenn ja, mit welchen und wie lauten die Ergebnisse? Wenn nein, weshalb noch
nicht?

4.         Wird von Seiten des Bundeskanzleramtes die Vorlage einer Regierungsvorlage
hinsichtlich der Änderung des Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG angedacht und wenn ja, wann
wird diese vorliegen?