3162/J XXII. GP
Eingelangt am 09.06.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dr. Jarolim und
GenossInnen
an die
Bundesministerin für Inneres
betreffend Rehabilitierung von Opfern des
menschenrechtswidrigen § 209
StGB
Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Österreich wegen
der jahrelangen strafrechtlichen Verfolgung homo- und bisexueller Männer auf
Grund des § 209 StGB
wiederholt verurteilt, und zwar in folgenden Fällen:
•
L.&V. vs. Austria, 09.01.2003, Appl. 39392/98, 39829/98
•
S.L. vs. Austria, 09.01.2003, Appl.
45330/99
•
Wolfgang Wilfling & Michael Woditschka vs. Austria, 21.10.2004,
Appl.
69756/01,6306/02
•
F.L. vs. Austria, 03.02.2005, Appl.
18297/03
•
Thomas Wolfmeyer vs. Austria, 26.05.2005, Appl. 5263/03
•
H.G.& G.B. vs. Austria, 02.06.2005, Appl. 11084/02, 15306/02
Besonders kritisiert
hat der Gerichtshof die Verweigerung der Aufhebung des §
209
auch noch nach dem Oktober 1995, obwohl damals, durch die
Expertenanhörung
im Jahre 1995, bereits bekannt war, dass es keinen Grund für
das schwule
Sondermindestalter gibt (L. & V.: par. 51; S.L.: par. 43).
§ 209 StGB ist mit Ablauf des 13.08.2002
außer Kraft getreten (BGBl I 134/2002,
Art. I Z. 19b, Art. IX iVm Art. 49
Abs. 1 B-VG).
Das anti-homosexuelle
Strafgesetz § 209 StGB wurde jedoch nicht ersatzlos
gestrichen, sondern, wieder entgegen den Warnungen der Experten, durch eine
neue Strafbestimmung, § 207b StGB, ersetzt, die mittlerweile - wie befürchtet -
mit
unverhältnismäßiger Intensität gegen homosexuelle Männer angewendet wird
und sich als Gefahr für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Jugendlichen
erwiesen
hat.
Personen, die auf Grund des § 209
verurteilt und, zum Teil in Anstalten für geistig
abnorme Rechtsbrecher, inhaftiert wurden,
sind nicht rehabilitiert worden. Ihre
Verurteilungen sind nach wie vor
aufrecht, oft noch im österreichweiten
Strafregister vorgemerkt und die Polizeiakten immer noch vorhanden.
Amnesty International
forderte in seinem Jahresbericht 2005 neuerlich die
Rehabilitierung aller
§ 209-Opfer.
Ihr Vorgänger, Dr. Ernst Strasser, hat
zwar zum einen per Erlaß die Löschung
sämtlicher Vormerkungen nach § 209 im österreichweiten Polizeicomputer EKIS
angeordnet
(Erlaß der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom
10.04.2003,
8181/421-II/BK/1/03) und zum anderen mit Verordnung sämtliche erkennungsdienstlichen
Daten (Fingerabdrücke, Fotos, Gendaten etc.) der § 209-
Opfer vernichten lassen (VO vom 12.08.2003, BGBl II361/2003).
Nach wie vor vorhanden bei den
jeweiligen Polizeibehörden sind aber die Kopien
der
Erhebungsakten, deren Originale mit den Strafanzeigen jeweils zu Gericht
gingen.
Bislang nicht bekannt ist, wie viele
Strafregistereintragungen und Erhebungsakten
auf Grund der anti-homosexuellen §§ 209,
210, 220, 221 StGB (und ihrer
Vorgänger §§ 129 I, 500 a, 517, 518 StG) sowie des Totalverbotstatbestandes §
129 I b) StG noch existieren.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1.
Wieviele
Verurteilungen nach § 209 StGB (als alleiniges oder führendes
Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind
noch im Strafregister
eingetragen?
2.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 209 StGB (als alleiniges oder
führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
3.
Wieviele Verurteilungen nach § 129 I StG (als alleiniges oder führendes
Delikt
im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
4.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 129 I StG (als alleiniges oder
führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
5.
Wieviele
Verurteilungen nach § 129 I b) StG (als alleiniges oder führendes
Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
6.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 129 I b) StG (als alleiniges
oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
7.
Wieviele Verurteilungen nach § 210 StGB (als alleiniges
oder führendes
Delikt
im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
8.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 210 StGB (als alleiniges oder
führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
9.
Wieviele Verurteilungen nach § 500 a StG (als alleiniges
oder führendes
Delikt
im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
10.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 500 a StG (als alleiniges oder
führendes Delikt im Sinne der
Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
11.
Wieviele
Verurteilungen nach § 220 StGB (als alleiniges oder führendes
Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind
noch im Strafregister
eingetragen?
12.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 220 StGB (als alleiniges oder
führendes Delikt
im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden
(aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
13.
Wieviele Verurteilungen nach § 517 StG (als alleiniges
oder führendes
Delikt im Sinne der
Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
14.
Wieviele
Kopien der Erhebungsakten nach § 517 StG (als alleiniges oder
führendes
Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden
(aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
15.
Wieviele Verurteilungen nach § 221 StGB (als alleiniges
oder führendes
Delikt im Sinne der
Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
16.
Wieviele Kopien der Erhebungsakten nach § 221 StGB (als
alleiniges oder
führendes Delikt im Sinne der
Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden
(aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
17.
Wieviele Verurteilungen nach § 518 StG (als alleiniges
oder führendes
Delikt im Sinne der
Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister
eingetragen?
18.
Wieviele Kopien der Erhebungsakten nach § 518 StGB (als
alleiniges oder
führendes Delikt im
Sinne der Kriminalstatistik) gibt es bei den
Sicherheitsbehörden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Sicherheitsbehörden)?
19.
Welchem
Zweck dient die weitere Aufbewahrung der Kopien der
Erhebungsakten nach §§ 209, 210,220, 221 StGB, §§ 129 I, 129 I b), 500
a, 517, 518 StG (als jeweils alleiniges oder führendes Delikt im Sinne
der
Kriminalstatistik), zumal sich die Originale dieser
Akten ohnehin mit den
Strafanzeigen im
jeweiligen Gerichtsakt befinden?
20.
Wer
hat Zugang zu den Kopien der Erhebungsakten nach §§ 209,210, 220,
221 StGB, §§ 129 I, 129 I b), 500 a, 517, 518
StG (als jeweils alleiniges
oder führendes Delikt
im Sinne der Kriminalstatistik) und zu welchem
Zweck?
21.
Werden
Sie Initiativen zur zeitnahen Vernichtung der Kopien der
Erhebungsakten nach §§ 209, 210, 220,221 StGB, §§ 129 I,129 I b), 500
a, 517, 518 StG (als jeweils alleiniges oder führendes Delikt im Sinne
der
Kriminalstatistik) setzen?
Wenn nein: a) warum nicht?
b) wann werden die Akten vernichtet?
Wenn ja: a) welche
konkreten Massnahmen werden Sie wann setzen?
b) wann werden die
Akten vernichtet?