3176/J XXII. GP

Eingelangt am 20.06.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend „Pathologisches Glückspiel - Spielsucht; Abhängigkeitserkrankungen"

Es gibt in unserer Gesellschaft immer mehr Möglichkeiten in Abhängigkeiten zu geraten.

Nach einem Bericht der österreichischen Ärztezeitung (25.02.2004) wird das Spektrum der
Abhängigkeitskrankungen immer größer: Neben einem breiteren polytoxikomanen Gebrauch
illegaler Substanzen nehmen nicht substanzgebundene Abhängigkeiten wie Internet-, Ess-,
Sex- sowie Kauf- und Spielsucht zu.

Ein besonderes und zunehmendes Problem in allen Generationen stellt aus
Expertensicht die so genannte „Spielsucht" dar:

Vier bis zu sechs Prozent aller Österreicher sind bereits von der Spielsucht betroffen.
Schätzungen zufolge gibt es allein in Wien bis zu 14.000 pathologische Spieler. 90 Prozent
aller Spielsüchtigen sind Männer, der Anteil der Frauen hat jedoch in den vergangenen
Jahren stetig zugenommen. „Bei der Wahl der Glücksspiele sind geschlechtsspezifische
Unterschiede zu beobachten: Männer bevorzugen Spiele wie Black Jack, die eine Illusion von
strategischer Beeinflussbarkeit vermitteln, Frauen ziehen hingegen Spielautomaten vor, mit
denen sie eine regelrechte Beziehung aufbauen ", zeigt Mader den Unterschied auf. Auch viele
Jugendliche sind betroffen: Bei 45 Prozent der Abhängigen liegt das Einstiegsalter unter 18
Jahren.

Im Verlauf der Spiel-Sucht verschulden sich die Betroffenen oft in einem hohen, Existenz
gefährdenden Ausmaß. Ein Großteil der Patienten, die eine Suchtberatungsstelle aufsuchen,
ist mit durchschnittlich 50.000 € verschuldet. In manchen Fällen kommt es zu kriminellen
Delikten wie Einbruch oder Raub, um die Spielsucht befriedigen zu können. Auch Depression
und soziale Isolierung können Folgen sein, sie gehen einher mit einem erhöhten Suizid-
Risiko. "
(Österreichische Ärztezeitung 23.Februar 2004).

 


Besonders bedenklich stimmt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche in die Spielsucht
abgleiten. In Salzburg ist nach Presseberichten bereits jeder dritte krankhafte Spieler jünger
als 18 Jahre.

Nicht alle Bundesländer haben das kleine Glückspiel legalisiert. Aber dort wo es legalisiert

wurde (z.B. Kärnten), stieg das Suchtpotential dramatisch.

Davon profitierten aber nur wenige:

Nämlich die Betreiber sowie Länder und Gemeinden, die Millionen an der Sucht der Spieler

verdienten. Die Spieler bleiben allerdings auf der Strecke, Spielsucht ist für viele und deren

Familienangehörige existenzbedrohend!

Nach Presseberichten boomt das „illegale Glückspiel" vor allem in einigen Bundesländern.
Allein in Oberösterreich sollen 2.000 Automaten illegal aufgestellt sein und in ganz
Österreich sollen es ca. 5.000 illegale Glückspielautomaten sein, behauptet Novomatic.
Auch in Salzburg hat sich eine illegale Spielszene mit verbotenen Glückspielautomaten
etabliert (z.B. illegale Poker- bzw. Glückspielautomaten). Sogenannte
Geschicklichkeitsautomaten können jederzeit zu Geldspielautomaten manipuliert werden.
Spielautomaten (z.B. Einarmige Banditen) bieten jetzt innerhalb kürzester Zeit (2-3
Sekunden) ein neues Spiel an.

Fehlende gesetzliche Regelungen und mangelhafte behördliche Kontrollen erleichterten in der
Vergangenheit diese Entwicklung. Betroffen sind davon nicht nur die Spieler selbst, sondern
insbesondere auch deren Familienangehörige. Es kommt dabei zu einem sozialen Sturzflug.

Die größte gesellschaftliche und sozialpolitische Herausforderung stellen zur Zeit Glückspiele
und Wetten im Internet dar. Damit werden staatliche Konzessionen umgangen und Menschen
können spielen, auch wenn Wetten oder Glückspiele in ihren Ländern verboten sind. Jährlich
werden in Europa Schätzungen zufolge dafür 16,6 Mrd. Euro eingesetzt. Für die kommenden
zwei Jahre wird mit Wachstumsraten um die zehn Prozent gerechnet.

In Österreich wird die Zahl der Pathologischen Spieler auf ca. 50.000 spielsüchtigen Personen
geschätzt. In der Steiermark gibt es beispielsweise 5.000 krankhafte Spieler, weitere 30.000
Menschen sind gefährdet. In Salzburg sind 1.000 bis 1.500 Menschen akut vom
pathologischen Glückspiel betroffen. Die Dunkelziffern sind bei diesen Gruppen enorm hoch.


Im deutschen Jahrbuch Sucht 2005 wird von einer Zahl zwischen 80.000 und 150.000
Menschen in Deutschland berichtet, die aufgrund ihrer Glücksspielsucht
behandlungsbedürftig sind. In der Schweiz sind - so schätzen Fachleute 100.000 Menschen
spielsüchtig.

Für England wird eine Zahl von 350.000 spielsüchtigen Personen angegeben.
Aber nicht aus diesem Grund beabsichtigte London eine Neuregelung des Glückspielwesens.
Man wollte eine absolute Liberalisierung. Dadurch wollte man zusätzliche Steuereinnahmen
und wirtschaftliche Anreize in benachteiligten Regionen sichern. Gleichzeitig sollte auch mehr
Kontrolle über das Internet-Geschäft und die Spielsucht eingeführt werden.

„Die Abwanderung der hierzulande beliebten Wetten und Glücksspiele auf das wenig
kontrollierte Internet entzieht dem Fiskus Einnahmen, nachdem die Besteuerung persönlicher
Spielgewinne schon 2001 aufgehoben worden war. Dies hatte im Übrigen zur Folge, dass der
Umsatz der Glücksspiel-Industrie seither von 8 auf 40 Milliarden Pfund zugenommen hat.
Internet-Kasinos durften bisher aber nicht von Grossbritannien aus betrieben werden, so dass
dieses Geschäft ins Ausland abwanderte. Das soll jetzt, aber immer unter Kontrolle, geändert
werden...........

...In der britischen Presse wird nun befürchtet, dass die Zahl abhängiger Spieler ansteigen
wird. Derzeit geht man davon aus, dass es rund 350 000 Problemspieler gibt. Um dem
vorzubeugen, ist allerdings im Gesetzesentwurf vorgesehen, dass die neue „Spielpolizei", die
Gambling Commission, alle drei Jahre eine Analyse zu Problemspielern vorlegt und bei
Bedarf
interventiert. " (NZZ 21.10.2004)

Von dieser geplanten Liberalisierung und Ausweitung des Glücksspieles wurde durch
die Labour-Regierung nach heftiger öffentlicher Kritik Abstand genommen.

Ähnliche Bestrebungen gibt es aber noch immer in anderen Ländern.

Die Vereinigung zur Rehabilitation von Spielsüchtigen in Saragossa (AZAJER) hat bereits
1999 auf die Zunahme der Zahl von Jugendlichen im ländlichen Raum hingewiesen, die
Probleme mit ihrer Abhängigkeit von Glücksspielen haben. AZAJER zufolge werden im
ländlichen Raum Glückspiele nicht negativ gewertet, und die Spielsucht wird auch nicht als


eine „Krankheit" angesehen, die behandlungsbedürftig ist.

Der Glückspiel- und Wettbereich ist in den EU-Mitgliedsstaaten bzw. weltweit
unterschiedlichst geregelt. Neben absolut liberalen Regelungen gibt es im öffentlichen
Interesse befristete staatliche Konzessionsregelungen (So genanntes Glücksspielmonopol)
oder absolut restriktive Regelungen mit zahlreichen Verboten. Glückspiele und Wettangebote
im Internet sind in einigen Ländern überhaupt verboten. Effektive Kontrollen gibt es meist
nur bei den Ländern mit staatlichen Glücksspielmonopolen.

Bei grenzüberschreitenden Glückspielen und Wetten ergeben sich naturgemäß die größten
Kontrolldefizite (z.B. Internet). Ausländische Websites bergen die Gefahr, dass Spiele und
Gewinnauszahlungen manipuliert werden, zudem gibt es keine soziale und staatliche
Kontrolle.

Durch die Liberalisierung und neue Techniken im Wett- und Glückspielbereich sowie
zusätzliche Angebote (z.B. über das Internet) ist nun der Spielerschutz europaweit in
den Hintergrund getreten. Bei weiteren Liberalisierungen werden sich die
gesellschaftlichen und sozialen Probleme enorm verschärfen. Je mehr gespielt wird,
desto größer ist das Risiko für pathologisches Spielverhalten. Daran werden auch die so
genannten Sozialkonzepte in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht viel ändern.

Gerade mit der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie - in der von der Kommission
vorgelegten Fassung - werden diese Probleme aufgrund der Niederlassungsfreiheit und des
Herkunftslandprinzips europaweit weiter zunehmen. Damit wird aber auch in Österreich de
facto das Glückspielmonopol zu Fall gebracht. Fiskal- und ordnungspolitische Zielsetzungen
im Glücksspielbereich gehören dann der Vergangenheit an.

Unterschiedlichst sind in Europa auch die Spielerschutzbestimmungen, sowie die Kontrollen
und Regelungen für Pathologische Spieler geregelt. Eine diesbezügliche Regelung existiert
beispielweise in der Schweiz.

„Jedes der 19 Schweizer Kasinos ist gesetzlich verpflichtet, ein fachlich fundiertes Sozialkon-
zept vorzuweisen. Es legt darin etwa Maßnahmen der Prävention und Früherkennung sowie
der proaktiven Einwirkung auf gefährdete Spieler fest. Zum Konzept gehört auch die
Schulung der Kasinoangestellten. Neben der Verhängung von Spielsperren können die


Spielbanken seit dem 1. Oktober 2004 auch die Anzahl der monatlichen Besuche vertraglich
regeln. Neu
für die Kasinos sind einheitliche Branchenstandards (wie Checklisten mit
Beobachtungskriterien). Das Sozialkonzept unterliegt der Kontrolle durch die Eidgenössische
Spielbankenkommission (ESBK)."

In Östereich regelt u.a. § 25 Glückspielgesetz den Spielerschutz. Danach haben die Casinos
Austria (Konzessionsinhaber) bei auffälligen Spielern deren Bonität zu überprüfen.
Unter Bezugnahme auf diese Bestimmung haben ehemalige Spieler die Casinos Austria auf
Schadenersatz geklagt und bereits Teilerfolge erzielt.

Mit dem österreichischen Glückspielgesetz verfolgte der Gesetzgeber ordnungspolitische
und fiskale Zielsetzungen um die Abwanderung des Glückspiels in die Illegalität zu
vermindern. Damit soll auch ein adäquater Spielerschutz gewährleistet werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit und
Frauen nachstehende

Anfrage:

1.    Liegen Ihnen konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen in Österreich „spielsüchtig
oder wettsüchtig" sind (Aufschlüsselung männlich / weiblich)?

Wenn nein, wie hoch werden diese geschätzt?

2.   Liegen Ihnen konkrete Zahlen vor, wie viele Jugendliche in Österreich „spielsüchtig
oder wettsüchtig" sind (Aufschlüsselung männlich / weiblich)?

Wenn nein, wie hoch werden diese geschätzt?

3.              Wie wird seitens Ihres Ressorts „Spielsucht" definiert?

4.      Wie viele spielsüchtige Menschen sind zugleich verschuldet (Aufschlüsselung
Männer/Frauen)? Wie hoch ist die durchschnittliche Verschuldung? Gibt es
diesbezügliche Studien?

5.              Welche Formen des Glückspiels (Roulette, „kleines" Automatenspiel,
Internetangebote, Sportwetten etc.) sind aus Ihrer Sicht besonders für die Wett- und


Spielsucht verantwortlich? Gibt es entsprechende Studien? Wenn ja, zu welchem
Ergebnis kommen diese?

6.            Wird diese Spielsucht in Österreich als Krankheit anerkannt und eine Behandlung
bzw. Gruppentherapie durch die Krankenkassen bezahlt?

7.            Wenn nein, warum nicht?

8.            Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

9.            Sehen Sie als Verpflichtung der Sozialversicherungsträger an, die Kosten für eine
entsprechende diese Therapie zu übernehmen? Wenn nein, warum nicht?

10.     Welche Haltung nimmt die WHO zu dieser Sucht ein? Welche Haltung nimmt dazu
die EU-Kommission ein?

11.     In welchen Krankenanstalten sind entsprechende Abteilungen oder Ambulanzen
eingerichtet (Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

12.     Wie hoch liegt der Erfolg bei einer ambulanten oder stationären Therapie?

13.     Wo gibt es stationäre Therapiestellen?

Wie viele Therapieplätze gibt es (Jeweils Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

14.     Wie viele Gruppen und/oder Selbsthilfeeinrichtungen bzw. Ambulanzen (öffentliche
Suchtberatungsstellen) zur Bekämpfung der Spielsucht gibt es in Österreich
(Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

15.     Wie viele und welche Gruppen und/oder Selbsthilfeeinrichtungen zur Bekämpfung der
Spielsucht wurden von Ihnen unterstützt (Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

16.     Wenn nein, werden Sie in Zukunft Info- und Beratungsdienste von Selbsthilfegruppen
(z.B. Anonyme Spieler Salzburg) ideell und finanziell unterstützen?

 


17.       Welche Geldmittel (Förderungen) stehen diesen Gruppen bzw.
Selbsthilfeeinrichtungen 2005 als öffentliche Förderung ihres Bundesministeriums zur
Verfügung? Welche Mittel 2006?

18.       Wer ist in Österreich für die Beratung und Betreuung dieser Sucht zuständig (z.B.
Sozialmedizinischer Dienste)?

19.       Welche Organisationseinheit ist in Ihrem Ministerium für die Bekämpfung dieser
Sucht zuständig?

20.  Welche Möglichkeiten ergeben sich zur Behandlung von Süchtigen für
niedergelassene Ärzte oder entsprechend ausgebildete Fachärzte oder
Psychotherapeuten nach dem Gesundheitsreformgesetz?

21.  Welche Maßnahmen planen Sie aus gesundheitspolitischen Gründen 2005 und 2006
zur Bekämpfung der Spielsucht? Welche präventiven Aktivitäten sind geplant?

22. Halten Sie zur Bekämpfung dieser Sucht weitere legislative Maßnahmen - eventuell
gemeinsam mit anderen Ressorts - für notwendig? Werden Sie in Anbetracht der
vorliegenden Daten legislative Maßnahmen zur Stärkung des Spielerschutzes
vorschlagen? Wenn nein, warum nicht?

23. In welcher Form werden Sie die Öffentlichkeit - insbesondere Jugendliche - auf die
Problematik dieser Suchterkrankung aufmerksam machen?