3225/J XXII. GP
Eingelangt am 06.07.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
Der Abgeordneten Bettina Stadlbauer
und GenossInnen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend dem „revidierten EU- Angebot für die GATS- Verhandlungen"
Die Europäische Kommission hat Anfang Juni im Namen der
Europäischen Union und somit
den 25 EU- Mitgliedsstaaten ein revidiertes Angebot für die
Verhandlungen des General
Agreement on Trade in Services (GATS) an die Welthandelsorganisation (WTO)
übermittelt.
Offensichtlich ist
die WTO und die Europäische Union sehr bemüht, die stockenden GATS-
Verhandlungen wieder in Gang zu bringen um
bis zur nächsten Ministerkonferenz der WTO,
vom 13.-18. Dezember in Hong Kong,
einen Verhandlungsfortschritt zu erzielen.
Unabhängig
von den GATS- Verhandlungen beginnen andere, alte Abkommen der
Welthandelsorganisation ihre Wirkung zu entfalten. Vor 10 Jahren wurde in der
WTO das
Multifaserabkommen abgeschlossen. Mit 1.
Jänner 2005 wird die Liberalisierung spürbar. Der
Chef der Linz Textil Dionys Lehner, begründet die Streichung von 120
Arbeitsplätzen mit
dem Multifaserabkommen der WTO. Seine Folgenabschätzung lautet: „Ein Drittel
der
insgesamt 2,6 bis 2,7 Millionen Arbeitsplätze in den EU-25 wird wegfallen. Es
ist wie ein
Tsunami. Aber China spielt ganz klar nach den Regeln der WTO."
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den
Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit nachstehende
Anfrage:
1.
Gibt
es aktuelle Studien, die eine Bewertung des seit 1995 gültigen GATS-
Abkommen für Österreich ermöglichen? Wenn
ja, von wem und in welchem Auftrag
wurden diese erstellt?
2.
Gibt
es Studien, die eine Folgenabschätzung der aktuellen GATS-
Liberalisierungsangebote für Österreich
ermöglichen? Wenn ja, von wem und in
welchem Auftrag wurden diese erstellt?
3.
Sind Postdienstleistungen, öffentlicher Verkehr und/oder
Abwasserentsorgung
öffentliche Dienstleistungen oder nicht?
4.
Gibt es im EU-Angebot für die GATS- Verhandlungen
Liberalisierungsangebote für
Postdienstleistungen,
öffentlicher Verkehr und/oder Abwasserentsorgung?
5.
Gibt es im EU-Angebot für die GATS- Verhandlungen
Liberalisierungsangebote für
öffentliche
Dienstleistungen? Wenn ja, in welchen Bereichen?
6.
Ist es richtig, dass die Europäische Union immer noch
von 72 WTO-Mitgliedsstaaten
die Liberalisierung
der Wasserversorgung fordert?
7.
Können
sie am Beispiel Österreich erklären, welche Folgen eine Unterscheidung in
Wasserversorgung für die Industrie und in
eine öffentliche Wasserversorgung in den
GATS Verträgen hätte?
8.
Wie
werden Sie, bzw. EU-Kommissar Peter Mandelson, den 72 Staaten, von denen
die EU eine Liberalisierung der
Wasserversorgung fordert (Schweiz, Kanada, Indien,
Bolivien...), erklären, dass diese Staaten
ihre Wasserversorgung liberalisieren soll,
aber Österreich keine
Liberalisierungsschritte in der Wasserversorgung machen will?
9.
In Bolivien wurde im April 2000 die Regierung im
sogenannten „Krieg ums Wasser"
mit
Massendemonstrationen und Generalstreik zur Änderung der Wassergesetze
gezwungen. Die privatisierte Wasserversorgung wurde wieder verstaatlicht. Was
halten sie von der
Liberalisierungsforderung bei der Wasserversorgung an Bolivien?
10.
Wird
sich die EU in den GATS- Verhandlungen für eine Änderung von § 1 Absatz 3
des bestehenden Abkommens einsetzen, in der öffentliche Dienstleistungen, die
im
Rahmen staatlicher Zuständigkeit erbracht
werden, nur dann vom GATS- Abkommen
ausgenommen werden, wenn diese „weder zu kommerziellen Zwecken noch im
Wettbewerb mit einem oder mehrer Dienstleistungserbringern erbracht
werden",
sodass öffentliche Dienstleistungen
eindeutig vom GATS- Abkommen ausgenommen
werden?
11.
Wie viele WTO- Mitgliedsstaaten haben derzeit
Liberalisierungsforderungen an
Österreich bzw. die
EU gestellt?
12. Von wie vielen WTO-
Mitgliedsstaaten liegen derzeit Liberalisierungsangebote vor?
13.
Waren Sie, bzw. Vertreter Österreichs (aus dem
Wirtschaftsministerium, etc.), am 24.
Juni in Genf bei
einem informellen Treffen „einflussreicher WTO-Länder" um über
die GATS- Verhandlungen, bzw. eine Änderung
des Verhandlungsmodus, zu beraten?
14. Wenn ja, was war der genaue Inhalt
dieses Treffens?
15.
Ist es richtig, dass die GATS- Verhandlungen durch eine
Änderung der
Verhandlungsmodalitäten
rascher vorangebracht werden sollen?
16.
Was halten Sie davon, die Liberalisierungsangebote durch
sogenannte „Benchmarks"
zu vergleichen?
17.
Stimmt es, dass WTO-Mitgliedsstaaten in Zukunft aufgefordert
werden sollen, zwei
von fünf
Dienstleistungsbereichen (Umweltdienstleistungen, Transport,
Telekommunikation, Finanz- und Baudienstleistungen) als Mindestangebot für die
Liberalisierung vorzuschlagen?
18.
Welche Liberalisierungsangebote macht die EU bei der
Anwesenheit natürlicher
Personen (mode 4)?
(Bitte um vollständige Aufzählung)
19.
Soll die Liberalisierung bei der Anwesenheit natürlicher
Personen eine Verlängerung
des
Aufenthaltsrechtes auf sechs Monate innerhalb eines Jahres auch für
Baudienstleistungen gelten?
20.
Gibt
es Dienstleistungsbereiche bzw. Arbeitnehmergruppen die nicht vom
Liberalisierungsangebot „sechs Monate
Aufenthaltsrecht innerhalb eines Jahres"
erfasst sind?
21.
Gilt der Liberalisierungsvorschlag der EU im Bereich von
mode 4 auch für
Personalbereitstellungsunternehmen?
22.
Wie und durch wen soll die Einhaltung der rechtlichen
Bestimmungen (Dauer des
Aufenthaltes,
Qualifikation, Mindestlohn,...) kontrolliert werden?
23.
Wie und durch wen soll die Einhaltung der rechtlichen
Bestimmungen kontrolliert
werden, wenn
innerhalb der Europäischen Union der freie Dienstleistungs- und
Arbeitskräfteaustausch umgesetzt wird?
24.
Im welchen Land werden Dienstleister, die im Rahmen des
GATS- Abkommens
grenzüberschreitend
tätig werden, steuerpflichtig?
25. Gilt bei der Steuerpflicht das
„Herkunftslandprinzip" ?
26.
Gibt
es andere berührte Rechtsbereiche (Arbeitsverfassungsrecht, Teile des
Arbeitsrechtes, Teile des Sozialrechtes,
Konsumentenschutzbestimmungen,...) in
denen das aktuelle EU- Angebot ein „Herkunftslandprinzip"
vorschlägt?
27.
Wie
kann eine eingegangene Liberalisierungsverpflichtung rückgängig gemacht
werden, sollte ein WTO- Mitgliedsstaat in
demokratischer Willensbildung zu dieser
Entscheidung kommen, ohne vor dem WTO-Schiedsgericht zu landen?
28.
Der
Vertrag von Nizza, möglicherweise die Rechtsgrundlage bei Abschluss der
GATS- Verhandlungen, sieht eine gemischte Kompetenz zwischen EU und EU-
Mitgliedsstaaten für den Abschluss von
Außenhandelsverträgen vor. Welche Inhalte
des aktuellen EU-Angebotes für die GATS- Verhandlungen erfordern nach
dem
Vertrag von Nizza eine Zustimmung Österreichs?
29.
Vorausgesetzt, der Vertrag von Nizza ist bei Abschluss
der GATS- Verhandlungen die
Rechtsgrundlage, ist
dann eine Zustimmung des österreichischen Nationalrates zu
einem Verhandlungsergebnis erforderlich?
30.
Wann ist eine Behandlung eines Verhandlungsergebnisses
im österreichischen
Nationalrat zu
erwarten und wie wird der Nationalrat in die Verhandlungen
eingebunden?
31.
Wo können interessierte BürgerInnen die vollständigen
Liberalisierungforderungen an
Österreich bzw. die
EU und das vollständige, aktuelle EU-Angebot für die GATS-
Verhandlungen nachlesen?