3291/J XXII. GP
Eingelangt am 08.07.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Erika Scharer
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Nachhilfe: Schwarzmarktfaktor oder Reguläre private Dienstleistung?
In
einer österreichischen 3. Klasse AHS-Unterstufe wurde im Unterrichtsgegenstand
Geographie über „Dienstleistungen"
gesprochen. Erklärt wurde, dass „Dienstleistungen"
Tätigkeiten seien, die aus persönlichen Diensten bestehen. Als Beispiele
wurden unter
anderem LehrerIn, Arzt/Ärztin, PolizistIn, StraßenkehrerIn, etc. angeführt.
Weiters wurde eine Unterteilung angeführt, die
„Dienstleistungen" in „öffentliche DL" und
„private
DL" gliedert.
Beispiele für „öffentliche DL" sind dem Unterricht
in der 3. AHS zufolge: MaklerIn,
LehrerIn,
Arzt/Ärztin, StraßenkehrerIn, LKW-FahrerIn, PolizistIn, VerkäuferIn,
Feuerwehrmann,
PilotIn, ApothekerIn. Als ArbeitgeberIn wird hier der Staat, werden
Bundesländer und Gemeinden angeführt, die auch die Gehälter bezahlen.
Beispiele für „private DL" sind den Unterlagen der
3. AHS zufolge: Putzfrau, Nachhilfe,
Babysitter.
Als ArbeitgeberIn bzw. UnternehmerIn sind hier Privatpersonen, die „die
Gehaltszahlungen
seiner Angestellten" übernehmen, angeführt.
Putzfrau,
Nachhilfe und Babysitter sind nach wie vor größtenteils unversteuerte
Einkommensbereiche. Ähnlich wie Teilbereiche des Tourismussektors und der
Baubranche
handelt es sich somit um einen
Schwarzmarktessektor im Bildungsbereich. Daraus ergibt sich
die Frage, ob die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur darüber
in Kenntnis
ist, dass an österreichischen Schulen Jugendlichen der Schwarzmarkt
„Nachhilfe" als
regulärer, privater Dienstleistungsbereich gelehrt wird.
In diesem Zusammenhang stellen unterzeichnete
Abgeordnete an die Bundesministerin für
Bildung,
Wissenschaft und Kultur folgende
Anfrage:
1. Sind Ihrer Ansicht nach unversteuerte Einnahmen aus
Nachhilfeleistungen a) eine
akzeptierte Tatsache und b) ein realer Faktor am Schwarzmarkt?
a. Wenn ja, warum wird dies geduldet?
b. Wenn nein, warum nicht?
2. Wie
sehen Sie die Tatsache, dass in anderen Branchen wie der Bau- oder
Tourismusbranche dem Schwarzmarkt aufgrund entgehender Staatsgelder wegen
entgehender Steuerleistungen in Millionenhöhe (Euro) versucht wird, Wege gegen
den
Schwarzmarkt zu finden und dementgegen NachhilfelehrerInnen immer mehr
beansprucht
werden und meist zu ihrem Einkommen als
aktive Lehrerinnen noch unversteuert
hunderte Euro im Monat „schwarz" dazuverdienen?
3.
Wie stehen Sie dazu, dass es in der Nachmittagsbetreuung
von Tagesheimschulen keine
Verpflichtung
für die LehrerInnen gibt, den SchülerInnen bei den Hausaufgaben zu
helfen, den Lernstoff
zu vertiefen oder auf Richtigkeit zu kontrollieren, damit etwaige
Fehler gleich geklärt werden können?
4.
Wie sehen Sie die Tatsache, dass die Nachmittagsbetreuung
einer reinen „Aufsicht"
entspricht und keine
Vertiefung und Wiederholung des am Vormittag gelernten Lehrstoff
bedeutet und somit die SchülerInnen um beispielsweise 17.00 Uhr nach Hause
fahren und
sich nach dem Abendessen anstatt eines
Familienabends den Büchern und Inhalten der
Schule widmen müssen?
5.
Welchen Zeitrahmen soll Ihrer Ansicht nach ein Kind oder
ein Jugendlicher/eine
Jugendliche über die
Schulzeit und die Nachmittagsbetreuungszeit (betragen bis zu neun
betreuten Stunden) hinaus für Schulisches
aufwenden müssen?
6.
Wo bleibt der Bildungsauftrag einer Lehrperson, wenn
diese in der
Nachmittagsbetreuung
tätig eine Position als vorhandener Ansprechpartner nicht aber als
aktiv Lehrender inne hat und SchülerInnen
ihre Hausübungen falsch oder lückenhaft
machen können, da Verbesserungen bzw. Korrekturen zur Schließung von Lernlücken
ausbleiben?
7.
Wie stehen Sie dazu, dass Nachhilfestunden - sog. private
Dienstleistungen -zu z.B. 25,--
Euro pro Stunde angeboten werden, einE Schülerin mind. zwei Mal die Woche
1,5
Stunden benötigt um eine negative Note ausbessern zu können und dies im Monat
bei
3 Stunden pro Woche 300,-- Euro ergibt?
8.
Ist
Ihnen bewusst, dass mit einer Schulform, die „Private Dienstleistungen"
forciert, die
Kaufkraft der Eltern sinkt, da sie für Nachhilfe oftmals mehr zahlen als andere
Eltern für
beispielsweise eine Privatschule?
9.
Sehen Sie die Tendenzen am Bildungssektor als
„schleichende Privatisierung der
Schulbildung",
wenn immer mehr Eltern 150,-- bis 300,-- Euro pro Monat aufwenden
müssen um dem Kind die notwendige
Unterstützung zukaufen zu können?
a. Wenn nein, wie würden Sie die Tendenzen bezeichnen?
b. Wenn
ja, welche Vorschläge gibt es Ihrerseits diesen Tendenzen
entgegenzuwirken?
10. Ist Ihnen bekannt, dass im Zuge Ihrer veranlassten
Stundenkürzung Informationsabende
an den Schulen abgehalten wurden, bei denen die Eltern ausdrücklich
aufgefordert worden
sind, mit den Kindern zu Hause mehr zu
lernen, da nun in der Schule die Zeit zu kurz
wäre?
a. Wenn nicht, warum sind Sie nicht in Kenntnis der Abläufe in den Schulen?
b. Wenn
ja, wie sehen Ihre Vorschläge gegen eine weitere „schleichende
Privatisierung der Schulbildung" aus?
11.
Welche
Eurosummen wurden Ihres Wissens nach 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004,
sowie 2005 für Nachhilfestunden ausgegeben?
12.
Ist
es Ihrer Ansicht nach akzeptabel, dass aktive Lehrpersonen zum regulären Gehalt
zusätzliches, unversteuertes Einkommen
dazuverdienen?
13.
Wie
viele ArbeitnehmerInnen gibt es Ihres Wissens nach in Österreich mit einem
Stundenlohn von 20,-- Euro/netto und mehr
und in welchen Berufen sind diese Personen
Ihres Wissens nach tätig?
14.
Wie
sehen Sie die Tatsache, dass LehrerInnen im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen
von jeglicher tatsächlicher Kontrolle durch eine externe, neutral bewertende
Stelle
ausgenommen sind und während des
Schuljahres in Ihrem Handeln im Unterricht frei und
unbewertet(unbeurteilt) walten können?
15.
Wie sehen Sie die Situation im derzeitigen Schulsystem
Österreichs, dass theoretisch das
Mitspracherecht der
Eltern im Dreiecksverhältnis Lehrerln-Schülerln-Eltern vorhanden
ist, in der Praxis die Mitsprache der
Eltern sehr oft als Störfaktor gesehen wird, vor allem,
wenn es um Kritik an der Schule und Vorgangsweisen in der Schule geht?
16.
Ist Ihnen bekannt, dass auf Hompages Nachhhilfe in den
Fächern Werken und
Handarbeiten für
VolksschülerInnen angeboten werden?
a. Wenn ja, wie stehen Sie dazu?
b. Wenn nein, warum nicht?
17.
Ist Ihrer Ansicht nach der Bildungsauftrag der
Lehrpersonen an österreichischen Schulen
erfüllt, wenn junge Schulkinder, welche aufgrund ihrer Geschicklichkeit, welche
in erster
Linie in der Begabung eines Menschen liegt, gezwungen sind, einen Teil ihrer
freien Zeit
mit Nachhilfe in
Werken und Handarbeiten zu verbringen?
18.
Wie
sehen Sie die Tatsache des Schulsystems in Österreich, dass SchülerInnen in der
Unterstufe/Hauptschulen aufgrund eines
einzigen „Nicht Genügends" in einem Nebenfach
Gefahr laufen, ein ganzes Schuljahr wiederholen zu müssen?
19.
Ist für Sie der unversteuerte Einkommenssektor
„Nachhilfe" akzeptierte Notwendigkeit
oder handelt es sich
dabei Ihrerseits um einen Schwarzmarktsektor, dem aktiv
entgegenzutreten ist?
20.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Bildungsauftrag der
Schulen zu stärken und den
Schwarzmarktsektor
„Nachhilfe" einzudämmen?