3302/J XXII. GP

Eingelangt am 08.07.2005
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Anfrage

 

 

 

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

 

betreffend Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverbrennung in Österreich

 

 

 

 

Der Kohleeinsatz hat in Österreich in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen. Zwischen 1999 und 2002 stieg der Kohleeinsatz um 1,3 Mio. Tonnen SKE (32 Prozent) von 4,04 Mio. Tonnen SKE auf zuletzt 5,35 Mio. Tonnen SKE. Ursache für diesen deutlichen Verbrauchsanstieg ist in erster Linie ein preisbedingter „Fuel Switch“ von Öl und Gas zu Kohle in den Wärmekraftwerken der Elektrizitätswirtschaft, der annähernd zu einer Verdopplung des Steinkohleverbrauchs im Zeitraum 1997 bis 2002 von rund 1 Mio. Tonnen auf 2 Mio. Tonnen SKE geführt hat.

 

In der Industrie hat vor allem der Prozesseinsatz von Kohle zugenommen. Dies führte zu einem Anstieg des Kohleeinsatzes zwischen 1999 und 2002 von etwa 0,5 Mio. Tonnen SKE. Im Bereich der Haushalte sank hingegen der Kohleinsatz um rund 0,15 Mio. Tonnen SKE.

 

Der gesteigerte Kohleeinsatz hat auch zu einem deutlichen Anstieg der CO2-Emissionen geführt. Zwischen 1998 und 2003 stiegen beispielsweise die CO2-Emissionen der E-Wirtschaft aus der Kohleverbrennung von 3,51 Mio. Tonnen auf 8,2 Mio. Tonnen. Insgesamt trägt Kohle mit jährlichen CO2-Emissionen von 13 bis 16 Mio. Tonnen zu etwa 20 Prozent zu den österreichischen CO2-Emissionen bei.

 

Gemäß E-Control Betriebsstatistiken 2002 und 2003 wurden im Jahr 2002 7.712 GWh Strom aus Kohleprodukten erzeugt, im Jahr 2003 waren es 9.437 GWh (www.e-control.at).

 

Hochgerechnet mit dem von der E-Control für das Jahr 2003 angegebenen Emissionsfaktor für Stromerzeugung aus Kohle und Kohlederivaten (882 kg CO2 / MWh) ergeben sich CO2 Emissionsmengen für die Kohleverstromung von 6,8 Millionen Tonnen für das Jahr 2002 sowie 8,2 Millionen Tonnen für das Jahr 2003 (vgl. auch Tabelle).

 

 

Tabelle: Kohleentwicklung im Stromsektor in Österreich

 

Kohleentwicklung im Stromsektor in Österreich

1990

1998

1999

2000

2001

2002

2003

CO2 durch Kohle gesamt aus Kraftwerken (Mio. Tonnen)

6,25

3,51

3,87

4,98

5,85

6,8

8,2

CO2 gesamt aus Kraftwerken (Mio. Tonnen)

13,34

13,02

13,09

12,42

13,42

13,35

16,03

Kohleanteil in Prozent

46,8

27,0

29,6

40,1

43,6

50,9

51,2

Einsparung bei Umstellung von Kohle auf Brennstoff Erdgas (Mio. Tonnen CO2)

3,9

2,2

2,4

3,1

3,7

4,3

5,2

Quellen: E-Control, Umweltbundesamt, WWF

 

 

Diesen negativen Trend bestätigt auch das aktuelle Konsultationsdokument des BMLFUW zur Klimastrategie: „Durch die Summe der Maßnahmen der Klimastrategie 2002 wurden im Jahr 2003 gegenüber 2000 zwischen 0,57 und 0,65 Mio. t CO2 eingespart. Diese Reduktion wird überlagert durch die steigenden Emissionen dieses Sektors (2003: + 30,6 % gegenüber 2000), welche v. a. auf das starke Stromverbrauchswachstum und den vermehrten Einsatz von Kohle zurückzuführen sind.“

 

Die Renaissance der Kohle in der Elektrizitätswirtschaft muss durch entsprechende Lenkungsmaßnahmen begegnet werden. Der Handels mit Emissionszertifikaten wird in der E-Wirtschaft nur dann schrittweise zu einem „Fuel Switch“ zugunsten CO2-ärmerer Energieträger führen, wenn es durch eine entsprechend knappe Zuteilung von Emissionszertifikaten zu einem entsprechenden betriebswirtschaftlichen Anreiz kommt.

 

Der Emissionshandel kann diesen Trend aber nach momentaner Ausgestaltung nicht aufhalten. Er dämpft die E-Wirtschaft bis 2005-2007 um lediglich 1 Mio. Tonnen. Das wären rund 12% der gegenwärtigen ca. 8 Mio. Tonnen. Angesichts der momentanen Deckungslücke von 14 Mio. t CO2 ist das zuwenig. Ziel sollte der komplette Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Österreich bis 2010 sein.

 

Von der ab 1.1.2004 in Österreich geltenden Kohlebesteuerung kann aufgrund der weitreichenden Ausnahmen für die größten Kohleverbraucher kein nennenswerter Lenkungseffekt erwartet werden.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Können Sie die vom WWF Österreich auf Basis des National Inventories 2003 des Umweltbundesamts sowie auf Basis der Betriebsstatistiken 2002 und 2003 der E-Control errechneten Zahlen, die oben dargestellt sind, bestätigen? Falls ja, wie bewerten Sie diese Entwicklung und welche Schlüsse bzw. notwendigen Gegenmaßnahmen Maßnahmen ergeben sich aus dieser bedenklichen Entwicklung aus Ihrer Sicht für die heimische Energie- und Klimaschutzpolitik?

 

2.      Wie viel CO2 wurde in Österreich  durch Kohleeinsatz in Kraftwerken zur Stromerzeugung insgesamt in den Jahren 1990 bis 2003 emittiert? Bitte um detaillierte Auflistung nach einzelnen Jahren in Mio. Tonnen CO2.

 

3.      Können Sie bestätigen, dass im Jahr 2002 mehr als 6,5 Mio. Tonnen CO2 durch die Verbrennung von Kohle in den Kraftwerken der E-Wirtschaft emittiert worden sind? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

4.      Können Sie bestätigen, dass im Jahr 2003 mehr als 8 Mio. Tonnen CO2 durch die Verbrennung von Kohle in den Kraftwerken der E-Wirtschaft entstanden sind? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

5.      Können Sie bestätigen, dass die Stromproduktion aus Kohle im Jahr 2003 einen Anteil von mehr als 10% an den österreichischen CO2-Gesamtemissionen in der Höhe von rund 76 Mt. hatte? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

 

6.      Können Sie bestätigen, dass sich die CO2 Emissionen aus der Kohleverbrennung in Kraftwerken in Österreich gegenüber dem Jahr 1998 mehr als verdoppelt haben? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

7.      Können Sie bestätigen, dass die Gesamtmenge der CO2 Emmissionen der kalorischen Stromproduktion aus Kohle in Österreich mit mehr als 8 Mio. Tonnen im Jahr 2003 ihren Höchststand seit 1990 erreicht hat? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

8.      Können Sie bestätigen, dass der Kohleanteil an den CO2 Emissionen der kalorischen Stromproduktion in Österreich mit mehr als 50% im Jahr 2003 seinen Höchststand seit 1990 erreicht hat? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

9.      Können Sie bestätigen, dass die Tatsache der steigenden CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung im Energiebericht 2003 mit keinem Wort erwähnt wurde? Können Sie diese Tatsache erklären?

 

10.    Welche von offiziellen Stellen in Österreich herausgegebenen Berichte, Studien etc., die sich auf das Thema der steigenden CO2 Emissionen aus der Verstromung von Kohle in Österreich beziehen, bzw. diese belegen, sind Ihnen bekannt? Bitte um Auflistung aller  Berichte, Studien etc. und jeweils um Angabe der entsprechenden Zitate im Wortlaut.

 

11.    Wohin wird der in österreichischen Kraftwerken durch Kohleverbrennung erzeugte Strom verkauft?

 

12.    Wie viele und welche Kohlekraftwerke werden derzeit in Österreich betrieben? Bitte um detaillierte Auflistung und Angabe der Leistung, des jährlichen Kohleeinsatzes, der CO2-Emissionen in den Jahren 1990 bis 2003, der erzeugten Strommenge in den Jahren 1990 bis 2003, der Laufzeiten dieser Kraftwerke sowie Ihnen bekannten bzw.  vorliegenden Ausbau- und Schließungsplänen für diese Kraftwerke.

 

13.    Sind Ihnen Planungsvorhaben hinsichtlich der Errichtung bzw. Schaffung neuer Kapazitäten zur Kohleverstromung in Österreich bekannt? Falls ja bitte um detaillierte Angabe.

 

14.    Welche langfristigen Lieferverträge für Kohleimporte nach Österreich sind Ihnen bekannt?  Falls ja bitte um detaillierte Angabe.

 

15.    Können Sie die Aussage bestätigen, dass die im Jahr 2003 aus Kohle und Kohlederivaten erzeugte Strommenge (9437 GWh) bei einer alternativen Erzeugung in Gaskraftwerken zu mehr als 5 Mio. Tonnen weniger CO2 Emissionen geführt hätte (Emissionsfaktor für Gaskraftwerke gemäß E-Control Betriebsstatistik 2003 war 328 kg CO2 pro MWh)? Falls nein, bitte um Angabe jenes Wertes, der Ihrer Information nach korrekt ist und bitte um Angabe der Berechnungsmethode und zugrundeliegender Daten-Quellen.

 

16.    Stimmen Sie der Aussage zu, dass die steigenden Emissionen aus der Kohleverstromung den österreichischen Klimaschutzzielen fundamental im Weg steht? Falls nein, warum nicht?

 

17.    Stimmen Sie zu, dass der Ausstieg aus der Kohleverstromung für die Erreichung des Kyoto-Ziels notwendig ist? Falls nein, warum nicht?

 

18.    Stimmen Sie zu, dass es Ziel der österreichischen Politik und insbesondere Ihres Ressorts sein sollte, den Ausstieg aus der Kohleverstromung als mit Abstand klimaschädlichste Variante der Stromproduktion voranzutreiben? Falls nein, warum nicht?

 

19.    Welche Zielvorstellungen verfolgen Sie hinsichtlich der absoluten CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung in Österreich für die Jahre 2010 und 2020?

 

20.    Stimmen Sie zu, dass es aus den dargelegten Gründen sinnvoll und notwendig ist, aus der Kohleverstromung in Österreich bis 2010 auszusteigen? Falls nein, warum nicht bzw. bis wann soll Österreich Ihrer Auffassung nach aus der Kohleverstromung aussteigen? Falls ja, durch welche konkreten Maßnahmen und wie soll bzw. kann der Ausstieg aus der Kohleverstromung erreicht werden?

 

21.    Welche klima- und energiepolitischen Maßnahmen beeinflussen derzeit den Energieträgermix in den kalorischen Kraftwerken Österreichs? Bitte um detaillierte Angabe.

 

22.    Welche klima- und energiepolitischen Maßnahmen sind in der Klimastrategie 2002 in Sachen Kohle verankert? Bitte um detaillierte Angabe.

 

23.    Welche zusätzlichen Einnahmen wurden Ihrer Information nach seit Einführung der Kohleabgabe per 1.1.2004 lukriert?

 

24.    Sind Sie der Auffassung, dass die seit 1.1.2004 in Österreich geltenden Kohlebesteuerung trotz der Ausnahmen für die größten Kohleverbraucher einen nennenswerten Lenkungseffekt gebracht hat? Falls ja, bitte um detaillierte Begründung und Belege durch entsprechendes datenmaterial. Falls nein, welche Konsequenzen schlagen Sie daher vor?

 

25.    Sind Sie der Auffassung, dass Österreich das von Ihnen verhandelte Kyoto-Klimaschutz-Ziel von Minus 13% CO2 gegenüber 1990 in der Kyotoperiode 2008 bis 2012 noch erreichen kann? Falls ja, welche (zusätzlichen) Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um dieses Ziel zu erreichen? Bitte um detaillierte Angabe nach Sektoren E-Wirtschaft, Industrie, Haushalte, Verkehr.