Eingelangt am 08.07.2005
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Anfrage
der Abgeordneten
Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Position
der Bundesregierung zum neuen
EU-Atomforschungsprogramm
Die EU-Kommission hat vor kurzem
den Entwurf für das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm (Laufzeit: 2007 bis 2013)
vorgelegt. Teil des Programms ist – wie auch in den vergangenen Jahren –die
Atomforschung, die dem Euratom-Vertrag unterliegt und im Gegensatz zum
allgemeinen Forschungsprogramm nur für fünf Jahre beschlossen wird (2007-2011).
Darin sollen die Mittel für Kernfusion und Kernspaltung gegenüber dem 6.
Euratom-Rahmenprogramm (2002 –
2006) mehr als verdoppelt werden. In den kommenden fünf Jahren sollen insgesamt
3,1 Milliarden Euro aus EU Geldern in die Atomforschung investiert werden. Im
6. Rahmenprogramm (2002-2006) waren es 1,35 Mrd. Euro. Hauptziele des
Atomforschungsprogramms sind die Entwicklung kommerzieller Kernfusionsreaktoren
und im Bereich Kernspaltung die Entwicklung neuer Reaktorsysteme sowie
Forschungen für die Lagerung bzw. Wiederaufbereitung von radioaktivem Müll.
Die
Verhandlungen über einen Ratsbeschluss über das 7. Rahmenprogramm sollen unter
österreichischer EU-Präsidentschaft abgeschlossen werden. Der Beschluss muss
einstimmig erfolgen.
Der
Kommissionsvorschlag widerspricht den österreichischen Anti-Atom-Beschlüssen
des Nationalrates und dem aktuellen Regierungsprogramm, die eine Umorientierung
des EU-Atomforschungsprogramms in Richtung Atomausstieg vorsehen. Die
Entwicklung neuer kommerzieller Reaktoren in den Bereichen Kernfusion und
Kernspaltung sind das erklärte Ziel des Forschungsprogramms. Weiters sollen
neue Wiederaufbereitungs-Technologien für Atommüll beforscht werden. Der
Kommissionsvorschlag zielt damit auf ein Festhalten bzw. einen Ausbau der
Atomenergie in Europa ab.
Der vorliegende
Kommissionsvorschlag zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer Radikalreform
bzw. Auflösung des Euratom-Vertrages.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Welche Position vertreten Sie im
Hinblick auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das 7.
Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom)?
- Vertreten Sie die Auffassung, dass
Österreich im Rat dem vorliegenden Vorschlag der EU-Kommission zustimmen
sollte oder diesen in der vorliegenden Form ablehnen sollte? Bitte um
Angabe einer Begründung Ihrer Auffassung.
- Sind Sie der Auffassung, dass
Österreich bei den entsprechenden Verhandlungen auf Ratsebene für eine
Abänderung des Vorschlags der EU-Kommission eintreten soll? Falls nein,
warum nicht? Falls ja, welche Abänderungen sind Ihrer Auffassung nach
notwendig?
- Welche nationalen Beschlüsse, Programme
oder Positionen von Bundesregierung, Parlament oder anderen öffentlichen
Institutionen zur Materie EU-Atomforschung sind Ihnen bekannt? Bitte
listen Sie diese im Detail auf.
- Sind Sie der Meinung, dass der
vorliegende Vorschlag der EU-Kommission über das 7. Rahmenprogramm der
Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) mit diesen Beschlüssen und
Positionen Österreichs im Einklang oder im Widerspruch steht? Bitte um
ausführliche Begründung.
- Wie hoch sind Ihrer Information nach
die geschätzten weltweiten Gesamtkosten für Bau und Betrieb des
Experimentalreaktors ITER in den nächsten 25 Jahren? Wie hoch ist dabei
der geschätzte Anteil der EU? Wie hoch ist der herausgerechnete Anteil
Österreichs für Bau und
Betrieb des Experimentalreaktors ITER in den nächsten 25 Jahren?
- Wie viele Arbeitsplätze werden Ihren
Informationen zu folge durch Bau und Betrieb des Experimentalreaktors ITER
in Österreich geschaffen werden?
- Wie hoch ist der österreichische
Finanzierungs-Anteil am 6. Euratom-Forschungsrahmenprogramm? Bitte um
Angabe in Euro und Erläuterung.
- Wie hoch wäre der österreichische
Finanzierungs-Anteil am 7. Euratom-Forschungsrahmenprogramm, sollte der
vorliegende Vorschlag der EU-Kommission beschlossen werden?
- Finanzmittel in welcher Höhe wurden
Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Sechziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute weltweit in diesen
Bereich investiert?
- Finanzmittel in welcher Höhe wurden
Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Fünfziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute seitens der EU in
diesen Bereich investiert?
- Finanzmittel in welcher Höhe wurden
Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Fünfziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute von Österreich in
diesen Bereich investiert?
- Finanzmittel in welcher Höhe wurden
Ihrer Information nach im Zeitraum 1995 bis 2005 in den von Österreich in
den Bereich Fusionsforschung investiert?
- Welche und wie viele Österreichischen
Firmen und Forschungsinstitute waren bzw. sind Ihrer Information nach an
der Fusionsforschung beteiligt? Wie viel Geld aus Euratom Mitteln ist
Ihrer Information nach zu diesen Firmen zurückgeflossen? Wie hoch war
Ihrer Information nach die österreichische Kofinanzierung aus öffentlichen
Mitteln?
- Wann bzw. ca. ab welchem Jahr rechnen
Sie mit einer kommerziellen Anwendung der Kernfusion, also ab wann sollen
Kernfusionsreaktoren Strom für die Energieversorgung liefern können? Und
welchen Anteil der Stromversorgung sollen bis wann durch die Kernfusion
gedeckt werden. Bitte um Angabe der Schätzungen weltweit, für die EU und
für Österreich. Bitte belegen Sie Ihre Angaben auch mit wissenschaftlichen
Quellen.
- Welche Finanzmittel werden Ihrer
Schätzung nach noch investiert werden müssen, bis die Technologie
Kernfusion Marktreife erlangt und einen Beitrag zur Energieversorgung
leisten wird können? Bitte um Angabe der Schätzungen in Euro weltweit, für
die EU und für Österreich.
- Die österreichische Vertreterin hat im
EU-Rat den Verhandlungen über den Bau des Fusionsforschungsreaktors
ITER in Caderache (F) und der dafür vorgesehenen Verwendung von
geschätzten 1,8 Mrd. Euro
(ca. 27 Mrd. Schilling) aus dem EU-Budget bereits
im November 2004 zugestimmt. Sind Sie der Meinung, dass Österreich dem Bau
des Fusions-Experimentierreaktors ITER zustimmen soll?
- Nun ist die EU-Kommission bereits einen
Schritt weitergegangen und schlägt für das kommende 7.
Euratom-Rahmenprogramm vor, den nächsten Reaktor – einen Prototypen namens
DEMO, der Expertenmeinungen nach ähnliche Kosten verschlingen wird, zu
bauen. Sind Sie der Auffassung, dass Österreich einem entsprechenden Bau-
und Betriebsbeschluss für DEMO im EU Rat zustimmen soll?
- Sind Sie der Auffassung, dass
Österreich dem ca. 800 Mio.€ (ca. 11 Mrd.Schilling) teuren
Materialtestreaktor IFMIF aus dem EU Forschungsbudget zustimmen soll?
- Welche Mengen an radioaktiven Abfällen
werden im Betrieb von ITER Ihrer Information gemäß anfallen? Um welche
Klasse/Kategorie von
radioaktiven Abfällen handelt es sich dabei?
- Welche Gefahren sehen Sie bei der
Stromerzeugung in großen, zentralen Kernfusionsreaktoren für die
Versorgungssicherheit? Welche Gefahren sehen Sie für die Terrorsicherheit?
- Sind Sie der Meinung, dass eine
dezentrale, kleinräumige Struktur der Energieversorgung auf Basis
heimischer Energiequellen gegenüber der Kernfusion aus Gründen der
Versorgungssicherheit der Vorzug zu geben ist? Falls nein, warum nicht?
- Welche Finanzmittel sind Ihrer
Information zu folge im Vorschlag der EU-Kommission für das 7.
Forschungsrahmenprogramm für den Bereich Erneuerbare Energien und
Energieeffizienz vorgesehen? Bitte um detaillierte Auflistung der
vorgesehenen Mittel.
- Welche Finanzmittel waren Ihrer
Information zu folge im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm für den Bereich
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorgesehen? Bitte um
detaillierte Auflistung der vorgesehenen Mittel.
- Wie viel Geld soll die österreichische
Vertreterin im Rat in den EU-Verhandlungen über das 7. Rahmenprogramm für
Forschung zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz einfordern, und
unterhalb welcher Summe soll Österreich dem 7. Forschungrahmensprogramm im
Rat nicht mehr zustimmen?
- Wie viele österreichische Firmen waren
Ihrer Information zu folge an der EU Energieforschung im Bereich
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz im 6. Rahmenprogramm beteiligt,
und wie viel Geld aus EU Mitteln ist Ihrer Information zu folge zu diesen
Firmen zurückgeflossen? Wie hoch war Ihrer Information zu folge die österreichische
Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln?
- Soll Österreich dem EU
Forschungsrahmenprogramm im Bereich Euratom zustimmen auch wenn mit EU
Mitteln neue Reaktoren errichtet, oder Konzepte dafür entwickelt werden?
Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Falls nein warum nicht?
- Soll Österreich dem Euratom
Rahmenprogramm zustimmen, wenn mit diesen Mitteln die
Lebensdauerverlängerung von Kernkraftwerken erforscht und somit
quersubventioniert wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
- Soll Österreich dem Euratom
Rahmenprogramm zustimmen, wenn mit diesen Mitteln die Bewertung des
Potentials zukünftiger Reaktorsysteme erforscht und somit
quersubventioniert wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
- Soll Österreich für Erzeuger
erneuerbarer Energieformen ebensolche Subventionen bestehender
Technologien fordern, indem deren Entwicklungskosten durch EU
Forschungsprogramme abgedeckt werden? Ist dies Ihrer Meinung nach Aufgabe
der EU Forschung?
- Wollen Sie, dass Strahlenschutz unter
dem Gesichtspunkt eine wissenschaftliche Basis für ein robustes
vergleichbares sozial akzeptierbares Schutzsystem, welches jedoch die
„Vorzüge und weitverbreiteten Nutzungsarten von radioaktiver Strahlung –
die Energieproduktion eingeschlossen – nicht unnötig limitiert“ beforscht
wird? Soll Österreich dem Euratom-Rahmenprogramm zustimmen, wenn dies dort
derart vorgeschlagen wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
- Soll Österreich dem Bau eines
Materialtestreaktors im Bereich Kernspaltung aus Forschungsmitteln der EU
zustimmen? Wenn ja unter welchen Bedingungen? Falls nein warum nicht?
- Soll Österreich Aktivitäten der
Gemeinsamen Forschungsstelle die Beiträge zur so genannten Generation IV
Initiative, eine Initiative mit dem erklärten Ziel neue Reaktoren zu
entwickeln und zu bauen, leisten, zustimmen? Wenn ja, warum, falls nein
warum nicht?
- Soll Österreich Aktivitäten der
Gemeinsamen Forschungsstelle die Trennungs- und Transmutationstechnologien
fördern zustimmen? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
- Sind Sie der Meinung, dass Kernfusion
eine Zukunftsoption für die Energieversorgung Europas darstellt? Falls ja,
warum, falls nein, warum nicht?
- Welche andere Zukunftsoptionen für die
Energieversorgung Europas sehen Sie in den kommenden 50 Jahren und welchen
diesbezüglichen Forschungsbedarf orten Sie?