3322/J XXII. GP

Eingelangt am 08.07.2005
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Anfrage

 

 

 

 

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Position der Bundesregierung  zum neuen EU-Atomforschungsprogramm

 

 

Die EU-Kommission hat vor kurzem den Entwurf für das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm (Laufzeit: 2007 bis 2013) vorgelegt. Teil des Programms ist – wie auch in den vergangenen Jahren –die Atomforschung, die dem Euratom-Vertrag unterliegt und im Gegensatz zum allgemeinen Forschungsprogramm nur für fünf Jahre beschlossen wird (2007-2011). Darin sollen die Mittel für Kernfusion und Kernspaltung gegenüber dem 6. Euratom-Rahmenprogramm  (2002 – 2006) mehr als verdoppelt werden. In den kommenden fünf Jahren sollen insgesamt 3,1 Milliarden Euro aus EU Geldern in die Atomforschung investiert werden. Im 6. Rahmenprogramm (2002-2006) waren es 1,35 Mrd. Euro. Hauptziele des Atomforschungsprogramms sind die Entwicklung kommerzieller Kernfusionsreaktoren und im Bereich Kernspaltung die Entwicklung neuer Reaktorsysteme sowie Forschungen für die Lagerung bzw. Wiederaufbereitung von radioaktivem Müll.

 

Die Verhandlungen über einen Ratsbeschluss über das 7. Rahmenprogramm sollen unter österreichischer EU-Präsidentschaft abgeschlossen werden. Der Beschluss muss einstimmig erfolgen.

 

Der Kommissionsvorschlag widerspricht den österreichischen Anti-Atom-Beschlüssen des Nationalrates und dem aktuellen Regierungsprogramm, die eine Umorientierung des EU-Atomforschungsprogramms in Richtung Atomausstieg vorsehen. Die Entwicklung neuer kommerzieller Reaktoren in den Bereichen Kernfusion und Kernspaltung sind das erklärte Ziel des Forschungsprogramms. Weiters sollen neue Wiederaufbereitungs-Technologien für Atommüll beforscht werden. Der Kommissionsvorschlag zielt damit auf ein Festhalten bzw. einen Ausbau der Atomenergie in Europa ab.

 

Der vorliegende Kommissionsvorschlag zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer Radikalreform bzw. Auflösung des Euratom-Vertrages.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Welche Position vertreten Sie im Hinblick auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom)?
  2. Vertreten Sie die Auffassung, dass Österreich im Rat dem vorliegenden Vorschlag der EU-Kommission zustimmen sollte oder diesen in der vorliegenden Form ablehnen sollte? Bitte um Angabe einer Begründung Ihrer Auffassung.
  3. Sind Sie der Auffassung, dass Österreich bei den entsprechenden Verhandlungen auf Ratsebene für eine Abänderung des Vorschlags der EU-Kommission eintreten soll? Falls nein, warum nicht? Falls ja, welche Abänderungen sind Ihrer Auffassung nach notwendig?
  4. Welche nationalen Beschlüsse, Programme oder Positionen von Bundesregierung, Parlament oder anderen öffentlichen Institutionen zur Materie EU-Atomforschung sind Ihnen bekannt? Bitte listen Sie diese im Detail auf.
  5. Sind Sie der Meinung, dass der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission über das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) mit diesen Beschlüssen und Positionen Österreichs im Einklang oder im Widerspruch steht? Bitte um ausführliche Begründung.
  6. Wie hoch sind Ihrer Information nach die geschätzten weltweiten Gesamtkosten für Bau und Betrieb des Experimentalreaktors ITER in den nächsten 25 Jahren? Wie hoch ist dabei der geschätzte Anteil der EU? Wie hoch ist der herausgerechnete Anteil Österreichs für  Bau und Betrieb des Experimentalreaktors ITER in den nächsten 25 Jahren?
  7. Wie viele Arbeitsplätze werden Ihren Informationen zu folge durch Bau und Betrieb des Experimentalreaktors ITER in Österreich geschaffen werden?
  8. Wie hoch ist der österreichische Finanzierungs-Anteil am 6. Euratom-Forschungsrahmenprogramm? Bitte um Angabe in Euro und Erläuterung.
  9. Wie hoch wäre der österreichische Finanzierungs-Anteil am 7. Euratom-Forschungsrahmenprogramm, sollte der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission beschlossen werden?
  10. Finanzmittel in welcher Höhe wurden Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute weltweit in diesen Bereich investiert?
  11. Finanzmittel in welcher Höhe wurden Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute seitens der EU in diesen Bereich investiert?
  12. Finanzmittel in welcher Höhe wurden Ihrer Information nach seit Beginn der Fusionsforschung in den Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute von Österreich in diesen Bereich  investiert?
  13. Finanzmittel in welcher Höhe wurden Ihrer Information nach im Zeitraum 1995 bis 2005 in den von Österreich in den Bereich Fusionsforschung investiert?
  14. Welche und wie viele Österreichischen Firmen und Forschungsinstitute waren bzw. sind Ihrer Information nach an der Fusionsforschung beteiligt? Wie viel Geld aus Euratom Mitteln ist Ihrer Information nach zu diesen Firmen zurückgeflossen? Wie hoch war Ihrer Information nach die österreichische Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln?
  15. Wann bzw. ca. ab welchem Jahr rechnen Sie mit einer kommerziellen Anwendung der Kernfusion, also ab wann sollen Kernfusionsreaktoren Strom für die Energieversorgung liefern können? Und welchen Anteil der Stromversorgung sollen bis wann durch die Kernfusion gedeckt werden. Bitte um Angabe der Schätzungen weltweit, für die EU und für Österreich. Bitte belegen Sie Ihre Angaben auch mit wissenschaftlichen Quellen.
  16. Welche Finanzmittel werden Ihrer Schätzung nach noch investiert werden müssen, bis die Technologie Kernfusion Marktreife erlangt und einen Beitrag zur Energieversorgung leisten wird können? Bitte um Angabe der Schätzungen in Euro weltweit, für die EU und für Österreich.
  17. Die österreichische Vertreterin hat im EU-Rat den Verhandlungen über den Bau des Fusionsforschungsreaktors ITER in Caderache (F) und der dafür vorgesehenen Verwendung von geschätzten 1,8 Mrd. Euro (ca. 27 Mrd. Schilling) aus dem EU-Budget bereits im November 2004 zugestimmt. Sind Sie der Meinung, dass Österreich dem Bau des Fusions-Experimentierreaktors ITER zustimmen soll?
  18. Nun ist die EU-Kommission bereits einen Schritt weitergegangen und schlägt für das kommende 7. Euratom-Rahmenprogramm vor, den nächsten Reaktor – einen Prototypen namens DEMO, der Expertenmeinungen nach ähnliche Kosten verschlingen wird, zu bauen. Sind Sie der Auffassung, dass Österreich einem entsprechenden Bau- und Betriebsbeschluss für DEMO im EU Rat zustimmen soll?
  19. Sind Sie der Auffassung, dass Österreich dem ca. 800 Mio.€ (ca. 11 Mrd.Schilling) teuren Materialtestreaktor IFMIF aus dem EU Forschungsbudget zustimmen soll?
  20. Welche Mengen an radioaktiven Abfällen werden im Betrieb von ITER Ihrer Information gemäß anfallen? Um welche Klasse/Kategorie  von radioaktiven Abfällen handelt es sich dabei?
  21. Welche Gefahren sehen Sie bei der Stromerzeugung in großen, zentralen Kernfusionsreaktoren für die Versorgungssicherheit? Welche Gefahren sehen Sie für die Terrorsicherheit?
  22. Sind Sie der Meinung, dass eine dezentrale, kleinräumige Struktur der Energieversorgung auf Basis heimischer Energiequellen gegenüber der Kernfusion aus Gründen der Versorgungssicherheit der Vorzug zu geben ist? Falls nein, warum nicht?
  23. Welche Finanzmittel sind Ihrer Information zu folge im Vorschlag der EU-Kommission für das 7. Forschungsrahmenprogramm für den Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorgesehen? Bitte um detaillierte Auflistung der vorgesehenen Mittel.
  24. Welche Finanzmittel waren Ihrer Information zu folge im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm für den Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorgesehen? Bitte um detaillierte Auflistung der vorgesehenen Mittel.
  25. Wie viel Geld soll die österreichische Vertreterin im Rat in den EU-Verhandlungen über das 7. Rahmenprogramm für Forschung zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz einfordern, und unterhalb welcher Summe soll Österreich dem 7. Forschungrahmensprogramm im Rat nicht mehr zustimmen?
  26. Wie viele österreichische Firmen waren Ihrer Information zu folge an der EU Energieforschung im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz im 6. Rahmenprogramm beteiligt, und wie viel Geld aus EU Mitteln ist Ihrer Information zu folge zu diesen Firmen zurückgeflossen? Wie hoch war Ihrer Information zu folge die österreichische Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln?
  27. Soll Österreich dem EU Forschungsrahmenprogramm im Bereich Euratom zustimmen auch wenn mit EU Mitteln neue Reaktoren errichtet, oder Konzepte dafür entwickelt werden? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Falls nein warum nicht?
  28. Soll Österreich dem Euratom Rahmenprogramm zustimmen, wenn mit diesen Mitteln die Lebensdauerverlängerung von Kernkraftwerken erforscht und somit quersubventioniert wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
  29. Soll Österreich dem Euratom Rahmenprogramm zustimmen, wenn mit diesen Mitteln die Bewertung des Potentials zukünftiger Reaktorsysteme erforscht und somit quersubventioniert wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
  30. Soll Österreich für Erzeuger erneuerbarer Energieformen ebensolche Subventionen bestehender Technologien fordern, indem deren Entwicklungskosten durch EU Forschungsprogramme abgedeckt werden? Ist dies Ihrer Meinung nach Aufgabe der EU Forschung?
  31. Wollen Sie, dass Strahlenschutz unter dem Gesichtspunkt eine wissenschaftliche Basis für ein robustes vergleichbares sozial akzeptierbares Schutzsystem, welches jedoch die „Vorzüge und weitverbreiteten Nutzungsarten von radioaktiver Strahlung – die Energieproduktion eingeschlossen – nicht unnötig limitiert“ beforscht wird? Soll Österreich dem Euratom-Rahmenprogramm zustimmen, wenn dies dort derart vorgeschlagen wird? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
  32. Soll Österreich dem Bau eines Materialtestreaktors im Bereich Kernspaltung aus Forschungsmitteln der EU zustimmen? Wenn ja unter welchen Bedingungen? Falls nein warum nicht?
  33. Soll Österreich Aktivitäten der Gemeinsamen Forschungsstelle die Beiträge zur so genannten Generation IV Initiative, eine Initiative mit dem erklärten Ziel neue Reaktoren zu entwickeln und zu bauen, leisten, zustimmen? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
  34. Soll Österreich Aktivitäten der Gemeinsamen Forschungsstelle die Trennungs- und Transmutationstechnologien fördern zustimmen? Wenn ja, warum, falls nein warum nicht?
  35. Sind Sie der Meinung, dass Kernfusion eine Zukunftsoption für die Energieversorgung Europas darstellt? Falls ja, warum, falls nein, warum nicht?
  36. Welche andere Zukunftsoptionen für die Energieversorgung Europas sehen Sie in den kommenden 50 Jahren und welchen diesbezüglichen Forschungsbedarf orten Sie?