3424/J XXII. GP

Eingelangt am 20.09.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Rechtstellung der Zweit- und Drittfrauen von Fremden in Österreich"

Andere Länder, andere Kultur und Sitten: So können daher nach dem Recht einiger Staaten
dieser Welt auch polygame Ehen rechtswirksam begründet werden. Damit ergeben sich für
andere Staaten mit gesetzlich „vorgeschriebener Einehe" - so auch für die Mitgliedsstaaten
der EU - eine Reihe von Rechtsfragen, wenn sich männliche Drittstaatsangehörige nicht nur
mit ihren Hauptfrauen (Erstfrau) sondern auch mit ihren Zweit- und Drittfrauen samt Kindern
in einem EU-Mitgliedsstaat legal aufhalten bzw. sich dort niedergelassen haben. Dazu
kommen auch noch Asylwerber mit ihren Familien.

In Frankreich wurde beispielsweise die „Vielweiberei" zwar 1993 gesetzlich verboten, aber
Lockerungen nahmen dem Gesetz nach und nach die Spitze. Nach Schätzungen des Pariser
Innenministeriums leben zur Zeit 20.000 polygame Familien in Frankreich. Aber die wahre
Zahl der zumeist aus Senegal oder Mali stammenden Familien, in denen ein Mann zwei oder
mehrere Ehefrauen und eine stattliche Kinderzahl um sich schart, soll allein im Pariser Raum
bei 30.000 liegen. Zweit- und Drittfrau sind oft im Zuge der „Familienzusammenführung" aus
Afrika nachgekommen. Da dies offiziell nicht mehr möglich ist, sind die zusätzlichen Frauen
meist illegal im Land. Laut Pariser Nationalversammlung kostet die Polygamie den
französischen Fiskus jährlich 300 Mio. €. Ähnlich die Situation in einigen anderen EU-
Ländern.

Es stellte sich daher in einigen EU-Staaten beispielsweise bereits die Frage, wie die
Mitversicherung von Zweit- und Drittfrauen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu
behandeln ist bzw. ob überhaupt eine vorliegt?

In Deutschland warf diese Mitversicherung nach Presseberichten bis Anfang 2005 keine
Probleme auf. Wurden die versicherungsrechtlichen Bestimmungen erfüllt (v.a.
Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, keine eigene freiwillige Versicherung bzw.
keine Befreiung von der Versicherungspflicht und keine eigene Erwerbstätigkeit), so waren


sämtliche Gattinnen mitversichert. Diese Rechtsmeinung wurde nun geändert. Zweit- und
Drittfrauen sind demnach seit dem 1. April 2005 nicht mehr mitversichert.

Die sozialversicherungsrechtlichen Problemstellungen für Österreich wurden in der
Parlamentarischen Anfrage 2880/J XXII.GP an die BM für Gesundheit und Frauen dargestellt
und die Fragen von dieser auf Basis der österreichischen Rechtslage beantwortet. Wenn gleich
in Österreich noch keine derartigen Fälle aufgetreten sind, gibt es dazu scheinbar
unterschiedliche Rechtsauffassungen.

Darüberhinaus ergeben sich für die Fragesteller noch eine Reihe von offenen Rechtsfragen -
insbesondere solche die das Familienrecht, Erbrecht etc. betreffen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1.  Welche Haltung nehmen Sie zu den im Einleitungstext aufgeworfenen Problemen zu
polygamen Ehen (Vielehen) aus rechtspolitischer Sicht ein?

2.              Sind Ihnen ähnliche Problemstellungen in Angelegenheiten des Familienrechts in
Österreich bereits bekannt geworden? Wenn ja, welche Problemstellungen? Wie viele
waren es?

3.              Vertreten Sie auch die Rechtsauffassung, dass Personen, die eine nach dem Recht
eines Drittstaates und dessen Recht unterliegende Ehe geschlossen haben, nur dann in
die Sozialversicherung (z.B. Krankenversicherung) einbezogen werden können, wenn
diese Ehe einer österreichischen Ehe (das ist die „Einehe") entspricht? Wenn nein,
warum nicht?

4.      Werden polygame Ehen (2. oder 3.Ehen), die nach dem Recht eines Drittstaates in
diesem und nach dem dortigen Recht rechtsgültig abgeschlossen und anerkannt
werden, auch in Österreich anerkannt?

 


5.   Wenn ja, welche Auswirkungen hat diese Anerkennung auf den rechtlichen Status von
Zweit- und Drittfrauen sowie deren Kinder in Österreich?

6.           Können polygame Ehen in Österreich geschieden werden? Wenn nein, warum nicht?

7.              Müssen polygame Ehen - als Voraussetzung für die Niederlassung in Österreich -
geschieden werden?

8.   Wie sieht dazu die familienrechtliche Situation in Österreich aus? Sind nach
österreichischem Recht die Zweit- und Drittfrau der Erstfrau familien- und
erbrechtlich gleichgestellt?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie wird dies begründet?

9.   Sind nach österreichischem Recht die Kinder von Zweit- und Drittfrauen den Kindern
der Erstfrau in Österreich rechtlich gleichgestellt? Gelten diese als eheliche oder
nichteheliche Kinder?

10. Wenn nein, worin bestehen für Kinder von Zweit- und Drittfrauen die Unterschiede?
Wenn ja, wie wird dies begründet?

11. In welchen EU-Mitgliedsstaaten sind die Zweit- und Drittfrauen sowie deren Kinder
der Erstfrau und deren Kindern rechtlich gleichgestellt? In welchen nicht?

12. Ist es nach europäischen oder österreichischen Recht zulässig, dass im Rahmen der
Familienzusammenführung rechtmäßig aufhältige Personen aus Drittstaaten (Fremde)
Zweit- und/oder Drittfrauen und deren Kinder nachholen?

13. Wenn ja, können dann die Zweit- und Drittfrauen im Rahmen der
Familienzusammenführung gemäß der EU-VO auch ihre Verwandten nachholen?

 

14. Sehen Sie hinsichtlich des Aufenthaltes (Niederlassung), der Rechtstellung sowie der Integration von Zweit- und Drittfrauen und deren Kindern einen diesbezüglichen Regelungsbedarf auf EU-Ebene?