3470/J XXII. GP

Eingelangt am 28.09.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Mag. Gisela Wurm, Gerhard Reheis und

Genossen

an den Bundeskanzler betreffend

„Ihr Eklat bei der Präsentation des Brennerbasistunnels anlässlich der
Regierungsklausur in Innsbruck"

Während einer Präsentation des Brennerbasistunnel-Projekts (BBT) durch den
Planungschef Dipl. Ing. Hans Lindenberger in Anwesenheit von Mitgliedern der
Bundes- und der Tiroler Landesregierung kam es zu einem Eklat: Laut „Tiroler
Tageszeitung vom 14. und 15. September (beide Artikel in der Anlage) zeigten Sie
lautstark Ihren Unmut („Weg von der Lyrik!") über die Präsentation und bekundeten
Ihre Unzufriedenheit mit dem vorgestellten Zeitplan für den Baubeginn des
Probestollens. Sie forderten den Spatenstich für den Probestollen für „Mitte 2006"
statt des geplanten Termins im Oktober 2006, weil ein späterer Baubeginn die
Finanzverhandlungen mit der Europäischen Union gefährde und sich Österreich
wieder hinten anstellen" müsse. Dem wurde allerdings schon am nächsten Tag durch
EU-Verkehrskommissar Barrot deutlich widersprochen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

Anfrage

1.             Stimmt die Vermutung des Redakteurs, dass Sie an diesem Abend „genervt"
waren?

2.             War die öffentliche Beleidigung des Dipl.Ing. Lindenberger Ergebnis einer
plötzlichen Laune oder war das politisches Kalkül?

3.             Wie stellen Sie sich eine Verfahrensbeschleunigung beim Beginn des BBT-
Probestollens ganz konkret vor?

4.      Was veranlasste Sie zur Aussage, dass die zugesagten EU-Finanzmittel
eventuell nicht mehr fließen würden? Besitzen Sie in diesem Zusammenhang
Informationen, die der Öffentlichkeit bzw. dem Parlament bislang vorenthalten
wurden?

 

5.             Steht Ihre Forderung nach einer Vorverlegung des BBT-Probestollens im
Zusammenhang mit dem Wunsch, sich vor der Nationalratswahl im Herbst
2006 die Umsetzung eines prestigeträchtigen Großprojekts auf die eigenen
Fahnen heften zu können?


 

Anlage 1 (Quelle: TT 14. 09. 2005):

Brennerbasistunnel: Schüssel maßregelt Lindenberger

Politik brutal: Bei der Präsentation des Projekts Brennerbasistunnel maßregelte

Kanzler Schüssel den Planungschef Hans Lindenberger.

Artikeltext: Der Tag war anstrengend und der Bundeskanzler genervt. Und so kam es
Dienstagabend im Restaurant auf der Bergiselschanze oberhalb von Innsbruck zum Eklat.
Wolfgang Schüssel zeigte unverhohlen seinen Unmut über die Präsentation des Projekts
Brennerbasistunnel (BBT).

Zielscheibe war der Planungschef des BBT, Hans Lindenberger. Wie Schüssel ihm in die
Parade fuhr, war selbst geeichten Beobachtern des mitunter harten Polit-Geschäftes gänzlich
neu.

"Weg von der Lyrik", beschied der Kanzler dem Referenten Lindenberger, weil dieser, nach
dem Geschmack des hohen Gastes, zu sehr um das Kernthema herumredete. "Ich will nichts
über Handys und Haushaltsgeräte erfahren, sondern über das Projekt", schmetterte Schüssel
dem BBT-Mann entgegen. Man müsse ihn von den Vorzügen der Bahn nicht mehr
überzeugen.

Lindenberger rang um Fassung. Er gelobte, einige Seiten seiner Power-Point-Präsentation
"überspringen" zu wollen. Mit knapper Not schaffte er es, den Vortrag zu beschließen,
nervlich am Ende.

"Das war nur ein kurzes Drüberwischen, ein kurzes Zeigen", fasste Lindenberger das
Vorangegangene irgendwie trefflich zusammen. Das klang entschuldigend: "Mehr Zeit hat
mir Schüssel nicht gegeben", hätte Lindenberger wohl am liebsten gesagt.

Doch der Kanzler war noch nicht befriedet. Er stieß nach. Heftig. Wieder knöpfte er sich
Lindenberger vor. "Wann beginnen Sie mit dem Probestollen?", wollte Schüssel wissen.
Lindenbergers Antwort, "Oktober 2006", brachte Schüssel erneut in Rage: "Das ist ja absurd,
dass das so lange dauert."

Der Spatenstich für den Probestollen des BBT müsse spätestens "Mitte 2006" beginnen,
schrieb Schüssel den versammelten Verkehrsexperten ins Stammbuch. Das Geld sei von
Brüssel jetzt beschlossen.

Ein späterer Baubeginn könnte bedeuten, dass der Tunnel in die Finanzverhandlungen der
EU für die Periode 2007 bis 2013 hineingerate. Und da müsse sich Österreich "wieder hinten
anstellen".

An dieser Stelle brachte Schüssel Landeshauptmann Herwig van Staa ins Spiel. Der Tiroler
hatte der BBT-Präsentation, bzw. dem, was davon übrig blieb, wortlos an der Seite Schüssels
gelauscht.

"Kann vielleicht der Herr Landeshauptmann die Verfahren für den Basistunnel
beschleunigen?", nahm Schüssel van Staa ins Gebet. "Ich werde mich darum bemühen, alle
Verfahren zu beschleunigen", gab der Angesprochene wie aus der Pistole geschossen zurück.
Was hätte van Staa auch anderes sagen sollen? Wo der Bundeskanzler doch so in Fahrt war.


 

Anlage 2 (Quelle: TT 15 09 2005):

BBT-Tunnel: Schüssel-Kritik sorgt für Aufregung

Kanzler Schüssel hat Tirol längst wieder verlassen. Seine Aussagen gegenüber

Bahnplaner Hans Lindenberger sind aber noch nicht ganz verdaut

Artikeltext: Tirol scheint derzeit ein Nährboden für starke Sprüche zu sein. Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel hatte den Anfang gemacht. Bei der Präsentation des Projekts
Brennerbasistunnel (BBT) in Innsbruck hatte der Kanzler am Dienstag den Planungschef
Hans Lindenberger angeherrscht.

"Weg von der Lyrik" war es Schüssel entfahren, weil Lindenberger bei seinem Referat zu weit
ausgeholt hatte. Der BBT-Chef geriet darob aus dem Konzept, die BBT-Präsentation zum
Eklat.

Tags darauf meldete sich SP-Klubchef Ernst Pechlaner zu Wort - mit einer Ansage pro
Lindenberger. "Die Tiroler sind keine Schulbuben", ließ Pechlaner dem Kanzler ausrichten.

Lindenberger leiste hervorragende Arbeit, das sei allseits bekannt. Sein Applaus für den
Bahnplaner habe nichts damit zu tun, dass dieser Mitglied der SPÖ sei, versicherte
Pechlaner.

Dass Schüssel Lindenberger mehr Tempo bei der Umsetzung des BBT verordnete, kann
Pechlaner nicht nachvollziehen. Das Land habe noch vor dem Bund seinen Beitrag zum
Probestollen beschlossen.

54 Millionen Euro schießt Tirol zum 430 Mio. teuren Probestollen bei. Auch der Bund berappt
54 Mio. Euro, der Rest kommt von Italien und der EU-Kommission. Verkehrskommissar
Barrot ist nach jüngsten Meldungen gewillt, für den Probetunnel 40 bis 50 Prozent der
Kosten zu übernehmen.

Barrot widersprach auch Schüssel. Letzterer hatte von Lindenberger verlangt, dass der
Baubeginn des Probetunnels schon Mitte statt Ende 2006 erfolgen müsse, sonst geräten die
EU-Gelder in Gefahr. Barrot dazu: "Das ist mir neu, davon habe ich noch nie gehört."

Im Lager der Tiroler VP hütet man sich indessen, den Auftritt des Kanzlers bei der
verunglückten BBT-Präsentation zu kommentieren.

Klubchef Klaus Madritsch betont, dass er "nicht dabei gewesen" sei. Überdies sei er
überzeugt, dass Schüssel hinter dem BBT stehe. LH und ÖVP-Chef Herwig van Staa lässt
mitteilen, dass der Tunnel für den Kanzler "ein nationales Anliegen" sei.