3474/J XXII. GP
Eingelangt am 28.09.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
betreffend Belastungen durch Mobilfunk und Konsequenzen aus der Reflex-Studie
Verschiedenste Studien und Erhebungen von Ärzten verweisen auf gesundheitliche Belastungen durch Mobilfunk und Schnurlos-Telefone. Exemplarisch sei auf die folgenden verwiesen:
Prof. Dr. Karl Hecht, Pathologisches Institut der Berliner Charité und Mitarbeiter 1997
Insgesamt wurden 1500 Originalarbeiten zur Auswirkung von elektromagnetischen Feldern auf den Menschen gesichtet, 878 davon verwendet. Die Arbeiten waren vor allem betriebsärztliche Untersuchungen, auch über sehr lange Zeiten (bis zu 20 Jahre). Die Belastungen bestanden in elektromagnetischen Feldern, wie sie in der Industrie vorkommen, auch Hochfrequenz, der Strahlung von Radarstationen und von Hochspannungsleitungen.
Die Hauptrolle bei der gesundheitlichen Wirkung spielte die Einwirkungsdauer in Jahren, wenn die Bestrahlung täglich mehrere Stunden erfolgte. Wesentliche Symptome waren
· Neurasthenie
· Arterielle Hypotonie, Bradykardie und Tachykardie
· EEG-Veränderungen
· Überfunktion der Schilddrüse
· Potenzstörungen
· Schlafstörungen
· Verdauungsstörungen
wobei als subjektive Beschwerden häufig Erschöpfung, Mattigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Schweißausbrüche, spontane Erregbarkeit und Herzschmerzen genannt wurden.
Die Symptome begannen meistens mit dem 3. Einwirkungsjahr, nach 10 bis 15 Jahren waren 50% der Personen erkrankt.
Auch Tierexperimente (vor allem an Ratten und Kaninchen) zur Wirkung der Hochfrequenzstrahlung wurden in der ehemaligen Sowjetunion durchgeführt. Die Ergebnisse von Untersuchungen an Mensch und Tier zeigen sehr ähnliche Ergebnisse.
TNO-Studie
Effects
of Global Communication system radio-frequency fields on Well Being and
Cognitive Functions of human subjects with and without subjective complaints
September
2003
Diese Doppelblind-Studie wurde in den Niederlanden von dem halbstaatlichen Unternehmen TNO durchgeführt. Zwei Gruppen von Versuchspersonen wurden untersucht, die erste Leute, die sich selbst als „elektrosensibel“ bezeichneten, die zweite Gruppe „Unempfindliche“. Beide wurden GSM- und UMTS-Strahlung ausgesetzt und zwar mit maximalen Feldstärken von 1 V/m, das entspricht 2,5 mW/m2, also dem Zweieinhalbfachen des alten Salzburger Vorsorgewerts, Leistungsdichten, wie sie in der Umgebung von Mobilfunkmasten heutzutage normalerweise auftreten.
Die Wirkungen waren bei beiden Gruppen identisch und bestanden in beeinträchtigtem Wohlbefinden, Kopfschmerzen, Übelkeit, Herz-Rhythmus-Problemen und Tinnitus. Bei UMTS war das Ergebnis mit 95% statistisch hochsignifikant, auch bei GSM gab es Wirkungen, allerdings mit geringerer Signifikanz. Bei klassischen medizinischen Studien über die Wirksamkeit von Medikamenten wird als Wirksamkeitsschwelle 70% gefordert, UMTS ist also hochwirksam.
Reflex-Studie (2000 – 2003)
Reflex ist die Abkürzung von Risk Evaluation
of Potential Environmental Hazards From Low Energy Electromagnetic
Field Exposure (Risikoabschätzung von möglichen Umweltgefahren durch
Exposition gegenüber niedrig-energetischen elektromagnetischen Feldern).
Es handelt sich um ein von der EU gefördertes
Forschungsvorhaben, an dem 12 Forschergruppen aus 7 europäischen Ländern
beteiligt sind.
Geplant und organisiert wurde die Studie von der
Stiftung VERUM in München, deren wissenschaftlicher Direktor, Prof. Dr. Franz
Adlkofer, auch schon im Jahr 2003 wesentliche Ergebnisse der Studie in
Vorträgen veröffentlichte. Der Abschlußbericht wurde lange von einer der
beteiligten Organisationen, dem STUK, Nuclear Radiation and Safety Authority,
Helsinki, verzögert, ist aber doch Ende 2004 veröffentlicht worden.
Das wesentliche Ergebnis der Studie, was den Bereich
Mobilfunk betrifft, ist die eindeutig gentoxische Wirkung von
Mikrowellen-Strahlung der Frequenz 1800 MHz, sowohl von kontinuierlicher als
auch von gepulster Strahlung, auf Zellkulturen menschlicher Zellen.
Es handelte sich um HL-60-Zellen, eine Vorstufe bei
der Blutbildung, um Granulosa-Zellen (Zellen, die die weibliche Eizelle
umhüllen) und Fibroblasten, die Bindegewebe, Knochen und Sehnen bilden. Die
SAR-Werte der Strahlung lagen zwischen 0,3 und 2 W/kg, also Werten, wie sie
beim Telefonieren mit dem Mobiltelefon auftreten. Die gentoxischen Effekte sind
Bildung von Micronuclei, also zusätzlichen kleinen Zellkernen, DNS-Strangbrüche
und Chromosomenaberrationen. Bemerkenswert ist auch, dass Micronuclei-Bildung
und DNS-Strangbrüche bei einer bestimmten Energie ( 1,3 W/kg) ihr Maximum
hatten und bei höherer Energie wieder abnahmen.
Die Untersuchungen wurden doppelblind ausgeführt, das
bedeutete in diesem Fall, dass der Untersucher einer Zellkultur nicht wusste,
ob diese bestrahlt worden war oder nicht.
Hirnschäden bei Ratten
Salford, L.G. et al., Universität Lund, 2003
Ratten wurden mit Mikrowellen-Strahlung von GSM-Handies bestrahlt, mit
unterschiedlichen Intensitäten (Ganzkörper-SAR 0,2, 0,02 und 0,002 W/kg). Die
Bestrahlung dauerte nur 2 Stunden, 50 Tage später wurden die Ratten getötet und
ihre Gehirne untersucht. Schon bei der Dosis von 0,002 W/kg traten deutliche
Schäden auf, und zwar Albumin-Ansammlungen, die durch Öffnung der
Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn eingedrungen waren und beschädigte Neuronen.
Bayrische Rinderstudie
Diese Studie wurde wegen der Beobachtungen auf einem Bauernhof bei Schnaitsee im Jahr 1998 vom Bayrischen Umweltministerium in Auftrag gegeben. Dort waren in einer Milchviehherde, die in der Nähe mehrerer Sendeanlagen für Fernsehen und Mobilfunk steht, eine Zunahme von Schadensfällen, ein deutlicher Rückgang der Milchleistung und bislang nicht beschriebene Verhaltensstörungen zu verzeichnen. Die Verhaltensstörungen verschwanden, wenn ein Rind in einen etwa 20 km entfernten anderen Stall gebracht wurde.
Die Studie wurde bei 38 Bauernhöfen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen bei
der Gruppe der exponierten Kühe folgende Auffälligkeiten gegenüber den nicht-exponierten
Tieren:
·
Vermindertes
Wiederkauen, auffällige Verhaltensweisen (dem Weben ähnliche Bewegungen, Kopf
zur Seite wenden u.a.)
·
Herabgesetzte
Teilungsfähigkeit der Blutlymphozyten
·
8-fach
höheres Risiko von Missbildungen bei Kälbern
·
Deutlich
über dem Normalwert liegende Zahl von Aborten
·
Auffällige
Krankheiten (z.B. starben 8 Kühe an septischen Erkrankungen)
Diese Ergebnisse
wurden trotz einiger Erschwernisse erzielt:
1.
Die
Mobilfunkbetreiber beteiligten sich an den Kosten der Studie und durften daher
ein Drittel der untersuchten Bauernhöfe auswählen, ein weiteres Drittel wurde
vom Umweltministerium ausgewählt, also zwei Drittel von Befürwortern des
Mobilfunks.
2.
Bei den
ausgewählten Betrieben befanden sich auch andere Hochfrequenzanlagen in der
Nähe, die Rückschlüsse auf den Mobilfunk deutlich erschwerten.
Während der
Untersuchungsphase nahmen die Mobilfunkbetreiber Änderungen an ihren Anlagen
vor.
Epidemiologische Beobachtungen „Fall
Müllendorf“
Die Gemeinde Müllendorf hat etwa 1200 Einwohner, die fast alle Patienten des örtlichen Gemeindearztes sind.
Im Jahr 2000 wurden 3 Mobilfunkmasten aufgestellt, Entfernung zum Ortszentrum ca. 1 km, die nächsten Häuser stehen etwa 200 m entfernt
Seit 2002 häufen sich bei ihm die Beschwerden:
· Schlafstörungen
· Ruhelosigkeit
· Erschöpfungszustände
· Wortfindungsschwäche
· Blutdruckprobleme, auch bei vielen jungen Leuten
· Hörsturz
Die Statistik für Tinnitus, Schlafstörungen und Krebs:
Tinnitus:
1994 bis 2001 etwa 5-10 Fälle pro Jahr
2002 35 Fälle
2003 56 Fälle
Schlafstörungen:
2001 16 Fälle
2002 47 Fälle
2003 80 Fälle
Karzinome:
1994 bis 2003 etwa 3 bis 5 pro Jahr
2004 12 Neuerkrankungen
Dabei besteht kein Zusammenhang von Erkrankungen mit der Nähe zum Sender.
Warnung der Wiener Ärztekammer und
des Obersten Sanitätsrates
Seit Jahren empfiehlt der Oberste Sanitätsrat eine Minimierung der Belastung und eine Optimierung der Sendestationen.
"In Ergänzung zur Resolution vom 18.11.2000 wird der Pkt. 5 folgendermaßen geändert: Aus all diesen Gründen sind zwar die gegenwärtigen EU-Grenzwerte zu akzeptieren, es ist aber anzustreben, dass der Richtwert mindestens um den Faktor 100 unter dem Grenzwert angelegt wird und unter diesem Gesichtspunkt die Anlagen zu prüfen sind. Darüber hinaus sollen gesetzliche Maßnahmen gesetzt werden, dass a) es bei verschienen Systemen durch die Kumulierung der Felder (Leistungsdichten) nicht zu einem Überschreiten kommt und b) die Betreiber durch gesetzliche Bestimmungen auch unterhalb der Grenzwerte noch zu einer Minimierung der Belastung durch elektromagnetische Felder angehalten werden."
Die Wiener Ärztekammer warnt vor den Auswirkungen des Mobilfunks vor allem wegen der Ergebnisse der Reflex-Studie und stellte fest, dass angesichts dieser Ergebnisse im Mobilfunkbereich kein Medikament die Zulassung erhielte.
Fehlende Konsequenzen
Abgesehen davon, dass der Schutz der Gesundheit ein verfassungsmäßiges Recht darstellt und das oberste Prinzip in der Gesundheitspolitik sein soll, erwachsen dem ohnehin in einer permanenten Kostenspirale stehenden Gesundheitswesen durch zahlreiche mobilfunkbedingte Erkrankungen erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen. Deshalb ist es völlig unverständlich, dass Ihr Ressort diesem Problem keinerlei Aufmerksamkeit widmet und in vergangenen Gesprächen auf die Kompetenzlage (Telekommunikation im Verkehrsressort, Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung im Umweltressort) verwies. Und dies vor dem Hintergrund, dass Sie stets Gesundheitsvorsorge als zentrales Handlungsfeld ansehen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Aus welchen
Gründen kümmerten Sie sich bisher nicht um die gesundheitlichen Belastungen aus
dem Mobilfunkbereich?
2. Aus welchen
Gründen gaben Sie keine epidemiologischen Studien in Auftrag?
3. Aus welchen
Gründen berücksichtigten Sie nicht die Warnungen der EU
Options Brief und
Zusammenfassung
PE Nr. 297.574 März 2001
DIE PHYSIOLOGISCHEN UND UMWELTRELEVANTEN
AUSWIRKUNGEN NICHT IONISIERENDER
ELEKTROMAGNETISCHER STRAHLUNG ?
4. Welche
Konsequenzen ziehen Sie aus den Warnungen der Wiener Ärtzekammer?
5. Welche
Konsequenzen ziehen Sie aus der Stellungnahme des Obersten Sanitätsrates?
6. Welche
Schritte werden Sie im Hinblick auf
epidemiologische Studien setzen?
7. In
welcher Form werden Sie die Bevölkerung auf die Risken des Mobilfunks
hinweisen?
8. Welche
aufklärenden Maßnahmen werden Sie im Bereich der Jugendlichen und Schulen
setzen?