3537/J XXII. GP

Eingelangt am 19.10.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

 

betreffend Anerkennung homo- und bisexueller Opfer des Nationalsozialismus im Opferfürsorgesetz und im ASVG

 

 

1. Opferfürsorgesetz

 

§ 1 Abs. 2 erster Satz des Opferfürsorgesetzes (idF. des Anerkennungsgesetzes 2005 BGBl I 86/2005) bestimmt:

„Als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen anzusehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen, als Opfer der NS-Militärjustiz, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität oder im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung, der sexuellen Orientierung, des Vorwurfes der so genannten Asozialität oder medizinischer Versuche durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs- (im besonderen einer Staatspolizei-) Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaß zu Schaden gekommen sind.“

 

Der Schadengrund „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ ist dabei von den nachfolgenden Gründen „auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung“ und „der sexuellen Orientierung“ klar durch ein Komma getrennt. Im Einklang mit der deutschen Grammatik ergibt dies eindeutig, dass „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ einerseits und „auf Grund der sexuellen Orientierung“ andererseits zwei getrennte Verfolgungsgründe sind, die jeweils unabhängig voneinander und selbständig die Verfolgungseigenschaft begründen.

 

Der Initiativantrag zum Anerkennungsgesetz 2005 (614/A XXII. GP) hatte hingegen den Schadengrund „sexuelle Orientierung“ nur als die Opfereigenschaft begründend angesehen, wenn der Schaden „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ zugefügt worden war (Art. II Z. 1 des Antrags).

 

Der Justizausschuss des Nationalrates hat nach der Wortfolge „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ jedoch ein Komma eingefügt und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Schadenzufügungen auf Grund sexueller Orientierung nicht nur dann die Opfereigenschaft begründen sollen, wenn sie „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ erfolgten (1024 d. B. XXII. GP). Diese Fassung hat der Gesetzgeber auch beschlossen (Art. II Z. 1 BGBl I 86/2005).

 

2. ASVG

 

Abschnitt IV des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) (§§ 500-506) sieht einen sozialversicherungsrechtlichen Ausgleich für Opfer der austrofaschistischen und der nationalsozialistischen Herrschaft vor.

 

Diese Wiedergutmachung ist aber auf Personen beschränkt, die aus politischen Gründen oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung verfolgt oder sonst benachteiligt wurden.
 

Frauen und Männer, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben, haben auch nach dem Anerkennungsgesetz 2005 keinen Anspruch auf Ausgleich dieser Nachteile.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Werden Sie § 1 Abs. 2 erster Satz des Opferfürsorgesetzes (idF des Anerkennungsgesetzes 2005 BGBl I 86/2005) so vollziehen, dass  „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ einerseits und „auf Grund der sexuellen Orientierung“ andererseits zwei getrennte Verfolgungsgründe sind, die jeweils unabhängig voneinander und selbständig die Verfolgungseigenschaft begründen?

 

2.      Wenn Sie die Frage 1. mit Nein beantworten: Wie begründen Sie Abweichung von der Grammatik der deutschen Sprache, die gem. Art. 8 B-VG Staatssprache der Republik Österreich ist, somit die Abweichung vom Willen des Gesetzgebers?

 

3.      Wenn Sie die Frage 1. mit Nein beantworten: Wann konkret erachten Sie Schadenzufügungen (durch Maßnahmen eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen), die in der Zeit von 06.03.1933 bis 09.05.1945 auf Grund der sexuellen Orientierung erfolgten als „im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ und wann nicht?

 

 

 

4.      Wenn Sie die Frage 1. mit Nein beantworten: Erachten Sie die von Ihnen angenommene Rechtslage als befriedigend?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, welche Initiativen werden Sie konkret zur Änderung des Gesetzeslage setzen?

 

5.      Wie beurteilen Sie den nach wie vor andauernden Ausschluss der homo- und bisexuellen Opfer des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus von den Ausgleichsbestimmungen des ASVG (Abschnitt IV, §§ 500-506)?

 

6.      Empfinden Sie diesen Ausschluss sachgerecht, insbesondere auch im Hinblick auf die nunmehrige Aufnahme der homo- und bisexuellen Opfer in das Opferfürsorgesetz, auf das sich etwa § 506 ASVG ausdrücklich bezieht?

 

7.      Werden Sie Initiativen zur Aufnahme der homo- und bisexuellen Opfer des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus in die Ausgleichsbestimmungen des ASVG (Abschnitt IV, §§ 500-506) setzen?

 

a)     Wenn nein, warum nicht?

b)     Wenn ja, wann werden Sie konkret welche Schritte setzen?