3539/J XXII. GP
Eingelangt am 19.10.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend „Schulsponsoring in Österreich"
Seit dem 1.Februar 1997 ist das grundsätzliche
Werbeverbot an österreichischen Schulen im
Schulunterrichtsgesetz aufgehoben. Schulen können somit mit Unternehmen
Werbeverträge
abschließen, damit
Geld einnehmen und damit nach Ansicht des Bundesministeriums ihren
schulischen Gestaltungsspielraum erweitern. In § 46 Abs. 3
Schulunterrichtsgesetz wird
lediglich verwiesen, dass nur geworben werden darf, wenn die Erfüllung der
Aufgaben der
österreichischen Schule hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Genaue
Richtlinien für das
Schulsponsoring beinhalten diese Bestimmungen nicht, es gibt angeblich auch
keine
diesbezüglichen Erlässe des Bildungsministeriums.
Der
österreichischen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer selbst fehlt nach eigenen
Worten derzeit jeder Überblick über Art und
Umfang von Sponsoring und Werbung an
Österreichs Schulen. Sie begründete dies mit der Schulautonomie (AB
2931/XXII.GP).
Begünstigt
wurde in den letzten Jahren „Schulsponsoring" durch die Sparpakete und den
weiteren schleichenden und finanziellen Rückzug der öffentlichen Hand aus dem
Bildungsbereich. Private Sponsoren d.h.
Unternehmen sollten die finanziellen Einsparungen
des Staates durch sog. „Bildungssponsoring" zumindest ausgleichen. So
findet dann auch in
Österreichs Schulen bzw. Kindergärten Sponsoring und Werbung, mitunter
sogar mit
besonderer ministerialer Unterstützung statt.
Eltern
beobachten aber nun mit Sorge, dass dabei zunehmend kommerzielle Werbung für
Produkte und Dienstleistungen an Schulen
Einzug hält. Die Schulverantwortlichen wiederum
sehen das „Schulsponsoring" als eine Einnahmequelle im Rahmen der
Schulautonomie (§ 46
Abs 3 SchG).
In
Deutschland gehen zur Zeit bereits die Verbraucherzentralen (vzbv) konkret
gegen
Produktwerbung an Schulen mit Wettbewerbsklagen
vor und fordern ein Werbeverbot an
Schulen. Es geht um den Schutz der Kinder und
Jugendlichen vor unlauterer Werbung und
Irreführung.
In einer Zeit mit knappen öffentlichen Mittel drängen
sich aus unterschiedlichsten Gründen
immer mehr
Unternehmen in die Schulen bzw. in die Klassenzimmer und sind für die
Schulerhalter und Schulleiter willkommene Geldgeber. Neben Imageverbesserungen
(z.B.
Firmennamen) verfolgen nicht wenige ein
ausschließlich kommerzielles Interesse und sehen
in den SchülerInnen potentielle KonsumentInnen (Heute Schüler - Morgen
Kunde!).
Kundenbindungsprogramme erfordern eine frühe aber auch emotionale Hinführung zu
Produkten und Produktnamen.
Nach
der „KidsVerbraucherAnalyse 2005" des Egmont Ehapa Verlages steht in
Deutschland
den 6 - 13Jährigen, das sind 5,9 Mio.
Kinder eine jährliche „Finanzpower" und Kaufkraft von
5,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Dazu kommt noch das
Markenbewusstsein. Diese
Unternehmen wollen die Kinder an sich binden, da gerade Kinder ein großes
Markenbewusstsein haben. Es gibt in
Deutschland daher bereits professionelle Agenturen, die
sich um das Schulmarketing kümmern.
Etwa
2,5 Millionen Kinder werden in Deutschlands Kindergärten betreut, dazu gibt es
rund
12,4 Millionen SchülerInnen. Bedenklich ist, dass auch immer mehr in
Kindergärten
geworben wird. Ihre Kaufkraft wird von
Experten auf insgesamt mehr als 20 Milliarden
Euro geschätzt, für Österreich sind derzeit leider keine Vergleichszahlen
bekannt.
Der
mit Sponsoring und Werbung verbundene (indirekte) Einfluss der Wirtschaft auf
LehrerInnen und SchülerInnen aber auch auf
Schulinhalte darf jetzt bereits nicht unterschätzt
werden, Schulen geraten in Abhängigkeiten. Zu befürchten ist damit
langfristig auch eine
direkte Einflussnahme in Schulinhalte.
Darüber hinaus ist die Chancengleichheit nicht mehr
gegeben. Dies gilt natürlich auch für Österreich: AHS werden gegenüber
HS und VS
eindeutig bevorzugt. Auch zwischen den AHS gibt es die Unterschiede, es gibt
reiche und
arme Allgemein bildende Höhere Schulen.
Für Österreich liegen keine Informationen vor, ob sich
diese Sponsormöglichkeiten in
den letzten
Jahren bewährt haben und damit die finanzielle Autonomie von Schulen
erhöht wurde. Höhe der Einnahmen und Verwendung derselben sind ebenfalls
unbekannt. Nicht bekannt ist auch die
Anzahl an Sponsorvereinbarungen, der Inhalt
dieser, sowie welche Schulen überhaupt derartige
Sponsorverträge abgeschlossen haben
und welche
nicht. Auch nicht welchen Branchen sich im Schulsponsoring engagiert
haben.
Mögliche
Ausschließungskriterien für ein Schulsponsoring ergeben sich allgemein aus dem
im § 2 SchUG formulierten Aufgaben der
österreichischen Schule. Somit ist darauf zu achten,
dass eine die Persönlichkeitsentwicklung der SchülerInnen und Schüler
beeinträchtigende
Beeinflussung z.B. durch nicht altersadäquate Werbung ausgeschlossen wird. Die
vom
BMBWK herausgegebenen und allen österreichischen Schulen zur Verfügung gestellten
"Informationsblätter zum
Schulrecht" führen beispielsweise im Teil 4 „Schulautonomie" dazu
aus, dass Werbung z.B. für solche Produkte die eine Sucht oder suchtähnliches
Verhalten zur
Folge haben könnten (Tabakwaren, Alkohol, nicht altersgemäße Computerspiele)
als
persönlichkeitsbeeinträchtigend anzusehen ist.
In der aktuelle Studie des Bundesverbandes der
Verbraucherzentralen (vzbv) „Werbung und
Sponsoring an
deutschen Schulen" heißt es, Unternehmen und Agenturen, die
Produktwerbung in der Schule betreiben
wollen, hätten „kein originäres Interesse an Schule
und ihrer Entwicklung", sondern sähen in den Schülern nur künftige Käufer
ihrer Produkte.
Als Ergebnis wurde daher von den Verfassern festgehalten, dass
Werbung an
Deutschlands Schulen mit dem Bildungsauftrag nicht vereinbar ist! Bildung und
Erziehung sind öffentliche Aufgaben, sie müssen durch den Gesetzgeber so
finanziert
werden, dass die schulische Bildungsautonomie nicht gefährdet wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die
Bundesministerin für Bildung,
Wissenschaft und
Kultur nachstehende
Anfrage:
1. Seit 1997 ist Schulsponsoring möglich. Welche
Haltung nehmen Sie heute dazu ein? Hat
sich das Schulsponsoring aus Ihrer Sicht in Österreich bewährt?
Wenn ja, welche konkrete Belege haben Sie dafür?
2. Gibt es von Seiten Ihres Ministeriums nun
Richtlinien oder Erlässe über die Kriterien zur
Durchführung von Schulsponsoring in Österreich?
2.1. Wenn ja, wie sehen diese im Detail aus?
2.2. Wenn nein,
weshalb nicht und sehen Sie auch für die Zukunft keinen Bedarf einer
Regelung von Seiten
Ihres Ministeriums?
3. Gibt es von Ihrem Ministerium in irgendeiner
Weise eine Kontrolle über den Umfang von
Schulsponsoring und Art des Schulsponsoring (z.B. Produktwerbung)?
3.1.Wenn ja, wie sieht diese aus und wie lauten die
Ergebnisse dieser Kontrollen aus?
3.2.Wenn nein, weshalb nicht und sehen Sie auch für die Zukunft keinen Bedarf
einer
Kontrolle von Seiten
Ihres Ministeriums?
4.
Wer
überprüft die Zulässigkeit von Verträgen die Schulen (bzw. Schulleiter oder
Schulgemeinschaft) mit Sponsoren
abschließen bzw. abgeschlossen haben? Wer hat dafür
die rechtliche Verantwortung?
5.
Wer überprüft die zweckkonforme Ausgabe von
Sponsorgeldern durch die einzelnen
Schulen? Zu welchem
Zwecke dürfen diese von Schulen verwendet werden?
Wer kann diesbezügliche Entscheidungen treffen?
6.
Welche Ausschließungskriterien für Schulsponsoren sind
Ihrer Meinung nach notwendig
und einzuhalten?
Welche sind geregelt? Welche sind aus Sicht des Bundesministeriums
erst zu regeln?
7.
Sind auch die Rechte von Schulsponsoren beim
Schulsponsoring geregelt? Wenn nein,
warum nicht?
8.
Welche Regelungen (Richtlinien) für Schulsponsoring
bestehen im Detail in den
einzelnen
Bundesländern (Aufschlüsselung nach einzelnen Bundesländern)?
8.1.
Sind Sie mit allen Regelungen in den einzelnen
Bundesländern zufrieden? Wenn nein,
mit welchen nicht?
8.2.
Halten Sie unterschiedliche Regelungen in den einzelnen
Bundesländern in dieser
Frage für sinnvoll?
Wenn ja, was spricht dafür? Wenn nein, was werden Sie
unternehmen dies zu ändern?
9. Gab
es in Ihrem Ministerium seit dem Schuljahr 2000/2001 von Direktoren, Lehrern,
Schülern oder Eltern konkrete Beschwerden
oder Klagen über Schwierigkeiten, welche
mit Sponsoren oder im Rahmen einer Sponsortätigkeit
aufgetreten sind (Aufschlüsselung
auf Schuljahre,
Schularten, Bundesländer und Art der Beschwerden)?
10.
Sind Ihrem Ministerium seit dem Schuljahr 2000/2001
Beschwerden oder Klagen über
Schwierigkeiten
welche mit Sponsoren aufgetreten sind, welche an das jeweilige
Landesschulratsamt eines Bundeslandes herangetragen wurden, bekannt geworden
(ersuche um Auflistung nach Schuljahre, Schularten, Bundesländer und Art der
Beschwerden)?
11.
Sind
Ihnen bzw. Ihrem Ministerium seit dem Schuljahr 2000/2001 Fälle bekannt
geworden, bei denen die zuständigen
Schulaufsichtsbehörden bei Schulsponsoring
einschreiten musste? Wenn ja, was war der Grund des Einschreitens
(ersuche um
Auflistung nach Schuljahre, Schularten,
Bundesländer und Art der Beschwerden)?
12.
Wie oft musste das Bildungsministerium gegen
Schulsponsoring seit dem Schuljahr
2000/2001 einschreiten? Wenn ja, was war der Grund des Einschreitens (ersuche
um
Auflistung nach
Schuljahre, Schularten, Bundesländer und Art der Beschwerden)?
13.
Gibt es eine Studie über die Entwicklung des
Schulsponsorings, Sponsoren (Branchen),
Umfang und Art des
Sponsorings, Probleme und Verbesserungen etc.?
13.1
Wenn
ja, wie lautet diese und wann wurde diese veröffentlicht?
13.2
Wenn
nein, werden Sie eine solche in Auftrag geben?
13.3
Wenn
ja, wann? Wenn nein, weshalb nicht?
14.
Wie
viele Schulsponsoringverträge wurden in den Schuljahren von 2000/2001 bis
2004/2005 abgeschlossen (Aufschlüsselung
auf die einzelnen Schuljahre, Schularten und
Bundesländer)?
15.
Welche konkrete Leistungen wurden in den Schuljahren
2000/2001, 2001/2002,
2002/2003, 2003/2004
und 2004/2005 durch die einzelnen Sponsoren erbracht
(Aufschlüsselung auf Schuljahre)?
16.
Welche
Unternehmen bzw. welche Branchen (z.B. Nahrungsmittel) sind in den
Schuljahren 2000/2001 bis 2004/2005 als
Schulsponsoren aufgetreten (Aufschlüsselung
auf Schuljahre)?
17.
Gibt es auch in Österreich - so wie in Deutschland
beispielsweise die „blue spread media
group" -
Schulmarketing, Agenturen, die für Unternehmen tätig sind?
18. Wie hoch
schätzen Sie für Österreich die Kaufkraft der 6- bis 18-Jährigen SchülerInnen?
19.
Sind Sie auch der Auffassung, dass kommerzielle
Produktwerbung an Schulen mit dem
Bildungsauftrag nicht
vereinbar ist? Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, werden Sie für ein Verbot für kommerzielle
Produktwerbung an Schulen
eintreten? Wenn nein,
warum nicht?
20. Sind
Sie auch der Auffassung, dass für den Umgang mit Sponsoring und Werbung
einheitliche Standards für aller Schulen
und Kindergärten entwickelt werden müssen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wer sollte diese Standards erstellen und die
Einhaltung dieser überwachen?
Werden Sie für eine Kontrolle seitens des Bundesministeriums eintreten? Wenn
nein,
warum nicht?
21. Werden Sie für einen Ausbau der Konsumenten- bzw.
Gesundheitserziehung an
österreichischen Schulen eintreten? Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant (z.B. Erstellung von Unterrichtsmaterialen)?
22. Planen Sie Unterrichtsprojekte wie z.B. „Jugend,
Werbung und Konsum", in deren
Rahmen Unterrichtsmaterialien zum Themenbereich Werbung, etc. erstellt und den
Schulen zur Verfügung gestellt werden? Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie sieht Ihr Plan im Konkreten aus und wann
ist mit der Umsetzung desselben
zu rechnen?
23. Werden Sie für verbindliche Qualitätsstandards
für die Verpflegung in Schulen und
Kindergärten eintreten? Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, gibt es diesbezüglich ein konkretes Konzept und
wie sieht dieses aus? Von wem
wurde dieses Konzept
unter Bezug welcher Kriterien erstellt?
24. Werden Sie für
eine Novellierung von § 46 Schulunterrichtsgesetz eintreten?
Wenn nein, warum
nicht?