3590/J XXII. GP

Eingelangt am 04.11.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend „Schleichwerbung im Fernsehen – Ist dies die Zukunft?“

 

Die EU-Kommission beabsichtigt nach Medienberichten weiterhin die so genannte „Schleichwerbung“ im Fernsehen künftig unter bestimmten Bedingungen erlauben. In einem EU-Dokument (RL Fernsehen ohne Grenzen) machte EU-Kommissarin Viviane Reding keinen Hehl mehr aus Ihrer Absicht, die bisherigen Werbebeschränkungen der EU-Fernsehrichtlinie aufzuweichen. Schleichwerbung soll unter der Bezeichnung „Product-Placement“ in Zukunft möglich sein. Als Argument dafür wurde von der EU-Kommission u.a. die Erschließung neuen Finanzierungsquellen für die Sender, die liberalen Regeln in den USA und die allgemeine Entwicklung des Werbemarktes angeführt.

 

Das bisherige absolute Verbot von Product Placement und Schleichwerbung soll nach Vorstellungen der EU-Kommission durch eine simple Kennzeichnungspflicht ersetzt und damit das Trennungsgebot aufgegeben werden.

 

Also: Während der Schleichwerbungskandal und der Skandal um Schmiergeldzahlungen (d. s. Korruptionsvorwürfe) im ARD (bzw. MRD) und bei Sat1 die deutsche Medienpolitik noch immer in Atem hält, wird in Brüssel offen über eine Legalisierung der Schleichwerbung nachgedacht. Verschiedene Europäische Verbraucherorganisationen und NGO’s sind bereits gegen die Zulassung von Schleichwerbung aufgetreten, da damit u. a. redaktionelle Inhalte käuflich werden können. Vor einer Legalisierung von „Product Placement“ (das ist gezielte Platzierung von Markenprodukten) im Fernsehen hat insbesondere auch der Europäische Verbraucherverband „BEUC“ gewarnt.

In der Affäre um Schleichwerbung bei der ARD hat die Antikorruptions-Organisation „Transparency International“ eine strikte Trennung von Werbung und Programm bei den Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten gefordert. Die ARD dürfe nicht wie im Fall der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) bei der Berichterstattung auch als Medienpartner auftreten, sagte Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Transparency International.

 

Die ARD hat in der Zwischenzeit auf die Vorwürfe von Schleichwerbung versucht wie folgt zu reagieren:

„Die ARD will künftig auf Produktionskostenzuschüsse Dritter generell verzichten. Das beschlossen die Intendanten der neun Sender in Stuttgart. Damit soll die journalistische Unabhängigkeit gesichert werden……………

Um der Schleichwerbung in ihren Programmen vorzubeugen, werden die ARD-Anstalten außerdem die Herstellungsverträge mit privaten TV-Auftragsproduzenten erheblich verschärfen. Vorgesehen sind empfindliche Schadenersatzansprüche sowie Vertragsstrafen für den Fall, dass ein Produzent sich entgegen vertraglicher Zusicherung doch für die "Platzierung von Inhalten oder Themen" bezahlen lassen sollte………………...“.

 

„Zum Auftakt der europäischen Rundfunkkonferenz in Liverpool hat der deutsche Privatrundfunk eine weitgehende Aufhebung von Werbegrenzen gefordert. Zuschauer könnten selbst entscheiden, wie viel Werbung in den Programmen gezeigt werden sollte, Reißt es in einer Erklärung des Verbands Privater“ (zit. Welt vom 23.09.05)

 

Sat1 gab in der Zwischenzeit bereits zu, gesetzlich verbotene Schleichwerbung ausgestrahlt zu haben. Finanz-Unternehmen wie AWD oder WWK zahlten beispielsweise in den vergangenen Jahren hohe Honorare, um ihre Themen und Experten unterzubringen. So zum Beispiel 20.000 Euro für einen Beitrag mit Experten-Auftritt.

 

Was aber die Zuseher in diesen Fall und bei vielen anderen Berichten nicht erfuhren: AWD hat dafür viel Geld bezahlt, damit die eigenen Berater in Sat 1 auftreten konnten und der Name des Finanzvertriebs genannt wurde. Laut internen Listen der Agentur, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, überwies AWD von Mitte 2000 bis Ende 2002 insgesamt rund 1,1 Millionen Euro für 52 Beiträge und Interviews. Das Geld ging an das Produktunternehmen Connect in der Schweiz, die Hälfte wurde nach Presseberichten an Sat1 weitergeleitet.

 

AWD war aber nicht das einzige Unternehmen, das seine Anliegen bei Sat 1 unterbrachte. Viele Firmen und Konzerne aus anderen Wirtschaftszweigen schlichen sich ebenfalls nur zu gerne ins Programm ein. Zwei Branchen sind indes besonders anfällig für diese Form von PR: Die Pharma- und eben die Finanzindustrie. Auch ein anderer großer Kunde aus der Geldbranche kam bei Sat 1 ins Programm, die WWK-Gruppe. Die wollte vor allem ihre Lebensversicherungen verkaufen. Die WWK zahlte für bis zu vier Beiträge pro Quartal,
20 000 Euro pro Stück, bis ins Jahr 2005 hinein.

 

Daher ist der Vorschlag der Europäischen Kommission absolut abzulehnen, das bisherige Verbot bezahlter Produktplatzierung mit werbendem Charakter im Fernsehen aufzuheben. Damit würde einer der Grundpfeiler des Medienrechts zerstört, nämlich die klare Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung: Gegen Bezahlung könnten dann Unternehmen und Lobbyverbände Einfluss auf die redaktionellen Inhalte bzw. kritischen Journalismus nehmen.

 

Im Kampf gegen Schleichwerbung im Fernsehen sieht der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) Politiker und Journalisten gefordert. Die Politiker müssten darauf achten, dass die in den Rundfunkstaats vertragen festgeschriebenen Maßstäbe nicht verschoben würden, sagte Beck, der auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist, am Montagabend in Ludwigshafen. Er habe auch im Gespräch mit der zuständigen EU-Kommissarin Viviane Reding über die von ihr favorisierte Lockerung der Vorschriften deutlich gemacht, dass "wir aus deutscher Sicht nicht bereit sind, diese Grundsätze über Bord gehen zu lassen“. (epd/dpa)

 

In Großbritannien wird zurzeit auch die BBC von Vorwürfen wegen Schleichwerbung erschüttert. Reporter der „Sunday Times“, die sich als interessierte Geschäftsleute ausgaben, fanden heraus, dass Firmen bis zu 40.000 Pfund pro Jahr gezahlt haben, um ihre Produkte in BBC-Sendungen günstig zu platzieren.

 

Die vorliegenden Vorschläge der EU-Kommission würden dann auch für öffentlich rechtliche Fernsehanstalten gelten. Daran übten unter anderem europäische Verbraucherorganisationen scharfe Kritik (z.B. vzbv, BEUC), wie auch Journalistenverbände und Zeitschriftenverleger.

Was bei der geplanten Neuregelung der EU-Fernsehrichtlinie unter den Begriffen Liberalisierung und Deregulierung angeboten werde, bedeute in der Konsequenz eine Aufhebung der sauberen Trennung von Werbung und Programminhalten, kritisierte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen in Berlin.

 

Der Europäische Verlegerverband (ENPA) hat diese Ablehnung Ihnen am 4.11.2005 auch mitgeteilt.

 

Mit einer teilweisen Lockerung des bisherigen generellen Verbots der Schleichwerbung (Product Placement) wird – auch aus Sicht der Fragesteller – ein Dammbruch in Hinblick auf die Presse- und Informationsfreiheit befürchtet:

Die Fernsehzuschauer müssen sich auch künftig darauf verlassen können, dass über Dinge berichtet wird, die gesellschaftlich oder politisch relevant sind, und nicht weil dafür bezahlt wurde.

 

Die Probleme gehen gesellschaftspolitisch noch viel weiter. Die Financiers von Schleichwerbung – die oft auch traditionelle Werbekunden sind – werden versuchen noch mehr Einfluss auf die TV-Redaktionen und JournalistInnen zu bekommen und durch wirtschaftlichen Druck kritische Berichterstattung über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen zu verhindern. Dies untergräbt einerseits die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit und andererseits die Vertrauenswürdigkeit der Medien sowie das Vertrauen der MedienkonsumentInnen.

 

Ähnliche Probleme gibt es auch bei Online-Medien. Werbung in Online-Medien muss klar erkennbar und vom redaktionellen Inhalt eindeutig getrennt sein. Eine irreführende Vermischung mit redaktionellen Beiträgen ist wettbewerbswidrig. Das hat beispielsweise das Landgericht Berlin auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen BILD, T-Online.de, die Internet-Ausgabe der Bild-Zeitung entschieden. „Das Urteil ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Schleichwerbung im Internet“, sagte Patrick von Braunmühl, Fachbereichsleiter beim vzbv. „Ob im Fernsehen oder im Internet: Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen Werbung nicht als Journalismus verkauft wird.“

 

In Österreich müsste nach der Rechtslage die Medienbehörde KommAustria, die einwandfreie Trennung von Werbung und Programm bei allen Sendungen von ORF und privaten Anstalten sicherstellen.

 

ÖVP-Klubobmann Molterer hat vor einigen Wochen eine Lockerung bei den ORF-Werbebestimmungen im Sportbereich angekündigt (z.B. Unterbrecherwerbung), ein Initiativantrag wurde von Abgeordneten der Regierungsparteien am 19.Oktober 2005 eingebracht (723/A). Nach Presseberichten liegt nun der RTR eine Studie über die Folgen der Werbebeschränkungen (Bredow-Institut).

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

 

Anfrage:

 

1.      Sind Sie auch der Auffassung, dass eine Aufhebung des geltenden Schleichwerbeverbots in Europa das Ende der redaktionellen Freiheit von Drehbuchautoren und Journalisten bedeuten kann?
Wenn nein, warum nicht?

 

2.      Ist mit einer Aufhebung nicht zu befürchten, dass Sendungen – insbesondere auch Nachrichtensendungen – immer stärker nach den Vorgaben der Werbeindustrie gestaltet werden?
Wenn nein, warum nicht?

 

3.      Halten Sie es für zulässig, dass mit dieser Kommissionsinitiative das Schleichwerbeverbot auch für öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten aufgehoben werden soll?

 

4.      Werden Sie bzw. Österreich den Plänen der EU-Kommission zur Abschaffung bzw. Beschneidung dieser wichtigen Regeln für die Fernsehwerbung eine klare Absage erteilen?
Wenn nein, warum nicht?

5.      Wie lautet zu dieser vorliegenden EU-Initiative derzeit die österreichische Position? Welche Position werden sie in der europäischen Diskussion und im europäischen Entscheidungsprozess vertreten?

6.      Werden Sie dafür eintreten, dass Schleichwerbung im Fernsehen beziehungsweise Produkt-Platzierung mit werbendem Charakter verboten bleibt? Sind sie dafür, dass dies auf alle Medien (z.B. Internet) ausgedehnt wird?
Wenn nein, warum nicht?

 

7.      Werden sie auf europäischer Ebene dafür eintreten, dass Werbung und redaktionelle Inhalte unabhängig vom Medium klar voneinander getrennt sind? Werden Sie in diesem Sinn dafür eintreten, dass die Trennung durch optische oder akustische Mittel während der gesamten Dauer der Werbepräsentation kenntlich gemacht werden muss (Trennungsgebot)?

 

8.      Werden Sie die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kenntlichmachungen von Produktplatzierung mit werbendem Charakter in Fernsehprogrammen ablehnen, da die vorgeschlagene Regelung in keiner Weise als Ersatz für das Trennungsgebot gelten kann?

 

9.      Sehen sie für eine Veränderung oder Streichung der bestehenden Beschränkungen zur Werbezeit und Werbelänge im Fernsehen überhaupt eine Notwendigkeit?

 

10.  Werden sie dafür eintreten, dass die derzeitigen Regelungen grundsätzlich beibehalten werden sollen?
Wenn nein, warum nicht?

 

11.  Wie viele Verletzungen von Werbebestimmungen nach dem ORF-Gesetz bzw. PrTV-G wurden durch die KommAustria als Regulierungsbehörde 2003, 2004 und 2005 (Stichtag 31.10.2005) festgestellt (Aufschlüsselung auf Jahre und Fernsehanstalten)?

 

12.  Welche Verstöße und Fälle betraf diese und wie wurden diese erledigt?

 

13.  Was sind die Ergebnisse der Studie über die Folgen der Werbebeschränkungen?

 

14.  Unterstützen Sie den vorliegenden Initiativantrag von Abgeordneten der Regierungsparteien mit dem das ORF-Gesetz geändert werden soll?