3627/J XXII. GP

Eingelangt am 16.11.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

Der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und GenossInnen
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend „Wege zur Chancengleicheit"

Die unterschiedlichen Konzepte zur Förderung von Chancengleichheit sind seit

vielen Jahren politischer und teils auch fachlicher Diskussionsstoff.

Mit der Frage, ob durch ein differenziertes Angebot an Schulformen oder durch eine

Gemeinschaftsschule mit starker Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten die

Effekte der sozialen, regionalen und kulturellen Herkunft besser ausgeglichen

werden und Chancengleichheit erreicht wird, hat sich auch die jüngste OECD

Veröffentlichung „Bildung auf einen Blick, OECD - Indikatoren 2005" Paris 2005,

beschäftigt. Österreich ist Mitglied der OECD und entsendet auch kompetente

Vertreter/innen in die wissenschaftlichen Steuerungs- und Begleitgruppen dieser

Studien.

Die Autoren dieser OECD Studie kommen u.a. zu folgenden Ergebnissen

(Hervorhebungen vom Anfragesteller):

S. 451:

Institutionelle Differenzierung

„Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass in Ländern, die ihre Schüler früh in

Schulen unterschiedlicher Art aufteilen, tendenziell ein realtiv starker

Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund der Schüler und ihren

Leistungen besteht."

......

„In Ländern, in denen die Schüler gemeinsame Gesamtschulen besuchen, ist der
Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und schulischen Leistungen
schwächer,
wenn auch nicht vollkommen zu vernachlässigen. Dieser schwächere
Zusammenhang deutet darauf hin, dass die Schulen doch in gewissem Maße die
sozialen Muster der nachfolgenden Generation ändern können, statt sie lediglich zu
reproduzieren."

 


S. 454:

„Anders ausgedrückt hat der sozioökonomische Hintergrund in Ländern mit einer
größeren Zahl unterschiedlicher Bildungsgänge tendenziell einen signifikant
stärkeren Einfluss auf die Schülerleistung, weshalb Chancengleichheit in der
Bildung dort schwerer zu erreichen sein könnte."

S. 455:

„Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die sozialen Disparitäten tendenziell in
solchen Bildungssystemen stärker ausgeprägt sind, in denen die Selektion in einem
früheren Alter stattfindet, wobei sich aus dem Alter der ersten Selektion 28 Prozent
der im Landesdurchschnitt beobachteten Stärke des Zusammenhangs zwischen dem
PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status und den
Schülerleistungen in Mathematik erklären."

S. 456:

„An der Gegenüberstellung dieses Index mit den PISA-Messgrößen der
Schülerleistungen zeigt sich auch, dass stärker differenzierte und selektive
Bildungssysteme tendenziell nicht nur eine wesentlich stärkere
Leistungsvarianz zwischen den Schulen, sondern auch größere
Leistungsunterschiede zwischen Schülern mit einem privilegierteren und
einem weniger privilegierten familiären Hintergrund aufweisen."

S. 457:

„Es ist auch möglich, dass Schüler, die bestimmte Leistungsstandards nicht erfüllen,
in stark differenzierten Systemen eher auf andere Schulen, Bildungsgänge oder
Bildungszweige verwiesen werden können, in denen die Anforderungen niedriger
sind, statt Anstrengungen zu unternehmen, um ihr Leistungsniveau zu heben."
„Der Grund, warum das Alter, in dem die Selektion beginnt, in einem engen
Zusammenhang mit der sozialen Selektivität steht, könnte auch darin liegen, dass
jüngere Schüler stärker von ihren Eltern und deren Ressourcen abhängig sind. In
Systemen mit einem hohen Grad an Bildungsdifferenzierung ist es für Eltern aus in
sozioökonomischer Hinsicht privilegierten Milieus leichter, die Bildungschancen ihrer
Kinder zu fördern, als in einem System, in dem die entsprechenden Entscheidungen
zu einem späteren Zeitraum getroffen werden...".

 


In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende

Anfrage:

1.             Wie beurteilen Sie diese Schlussfolgerungen, die auf detaillierten
Auswertungen der PISA Ergebnisse und anderer internationaler
Vergleichsstudien beruhen?

2.             Können die Experten/innen Ihres Ressorts errechnen, welche Platzierung
Österreich bei der letzten PISA Studie erreicht hätte, wenn wir die in mehreren
Zitaten angeführten strukturellen Nachteile einer frühen Selektion und eines
stark in äußere Formen differenzierten Schulsystems nicht hätten und falls ja,
können Sie solche Berechnungen in Auftrag geben und dem Nationalrat
vorlegen?

3.             Sie haben im Zusammenhang mit der Präsentation des Endberichtes der
Zukunftskommission angekündigt, schulorganisatorische Fragen in einem
neuen Expertengremium prüfen zu lassen.

 

a)           Bis wann ist mit der Einrichtung eines solchen „Rates" zu rechnen und

b)           werden auch Mitglieder der sehr gut arbeitenden Zukunftskommission, die
sich mit diesen Fragen ja bereits eingehend beschäftigt haben, dieser neuen
Kommission angehören?