3702/J XXII. GP

Eingelangt am 07.12.2005
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Anfrage

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

betreffend Visa-Affäre Belgrad, Budapest und Kiew: massives Versagen der innerministeriellen Kontrolle

 

 

In einer Belgrader Zeitung erscheinen weiterhin Inserate, in denen gegen Bezahlung Visa für Österreich, aber auch für Frankreich und Großbritannien feilgeboten werden. Die Tageszeitung Die Presse berichtete am 5. Dezember, dass eine der Agenturen in Belgrad, die immer noch Visas u.a. für Österreich gegen Bezahlung anbietet, davon spricht, dass „alles vollkommen legal und hundertprozentig sicher“ ist. Die Tageszeitung Kurier berichtet am 6. Dezember, dass eine Mitarbeiterin einer Agentur in Belgrad am Telefon erklärt habe, ja, die Visa-Vermittlung sei legal, „wir haben jemanden in der österreichischen Botschaft“.

Die Tatsache, dass diese Inserate weiterhin erscheinen und immer noch gesagt wird „wir haben jemanden in der österreichischen Botschaft“, weist darauf hin, dass es die Praxis des illegalen Visahandels weiterhin gibt. Damit steht auch weiterhin der Vorwurf im Raum, dass es diesen illegalen Visahandel mit und mit Beteiligung von BeamtInnen des österreichischen Konsulates noch gibt. Wenn dies nicht so wäre, würden die Inserenten (=Schlepper-Mafia) wohl keine KundInnen mehr finden.

 

Mittlerweile ist auch bekannt, dass es seit 2001 immer wieder - auch während des Präsidentschaftswahlkampfes 2004 - Informationen darüber gegeben hat, sowohl gegenüber dem Außenministerium als auch in den Medien, dass es in und rund um die Botschaften in Belgrad und Budapest illegalen Visahandel gegeben hat und gibt, an dem auch Beamte des Außenministeriums beteiligt waren.

Während der Recherchen der deutschen Behörden zur Visa-Affäre in Deutschland wurden diese auch darauf aufmerksam, dass ohne entsprechende Genehmigung arbeitende Personen mit einem von einer österreichischen Botschaft ausgestellten Schengen-Visum in Deutschland aufgegriffen wurden. Diese Informationen wurden auch den österreichischen Behörden weitergeleitet, die daraufhin erstmalig begannen Ermittlungen anzustellen.


Nach Medienberichten wurden in Jahren 2002 und 2003 an der Botschaft in Budapest Tausende illegale Visa gegen Entgelt vergeben, auch an anderen Botschaften wie Belgrad und Bukarest soll dies der Fall gewesen sein.
Die mittlerweile durch zahlreiche Medienberichte sowie Aussagen der angeklagten Personen bzw. derer Anwälte sich häufenden Informationen machen - neben der strafrechtlichen, von der Justiz zu klärenden Dimension - die Frage nach der politischen Verantwortung im Außen- sowie im Innenministerium zu einem Politikum. Es ist schwer vorstellbar, dass Vorgesetzte der jetzt angeklagten Personen über Jahre nichts von den kriminellen Machenschaften gemerkt haben.


Völlig unklar ist auch, warum trotz der öffentlich gewordenen Vorwürfe kaum Maßnahmen zur Aufklärung gesetzt wurden; dass trotz der in ungewohntem Ausmaß gestiegenen Anzahl von erteilten Visas weder das BMaA noch das BMI hellhörig wurden und Ermittlungen eingeleitet haben; weiters fällt auf, dass zumindest eine Beamtin, die auf die Vorwürfe aufmerksam gemacht hat, versetzt wurde - den Vorwürfen wurde jedoch nicht weiter nachgegangen. Der Nachfolger des jetzt angeklagten pensionierten Konsularbeamten hat laut Medienberichten seinen Vorgesetzten davon informiert, dass ihm angeboten wurde, die "Visapraxis so weiterzuführen wie bisher".
Alle diese Informationen weisen darauf hin, dass es im Außen- bzw. im Innenministerium zwar immer wieder den Versuch einzelner gab, auf die Vorwürfe hinzuweisen, dass jedoch nichts oder zumindest zu wenig unternommen wurde, diese Vorwürfe zu klären und den illegalen Visahandel zu stoppen.

 

Nun hat das Nachrichtenmagazin NEWS am 1. Dezember von einer „Visa-Bombe“ aus Kiew: Die Ermittler hegen „derzeit den Verdacht, wonach in der österreichischen Botschaft in Kiew rund 28.000 Touristenvisa gegen Entgelt verkauft worden sein sollen. Zwanzig Reisebüros sollen dort fast ein jahr lang wöchentlich jeweils exackt fünfzig Visa an ausreisewillige Ukrainer verscherbelt und dabei auch Mitarbeiter der Botschaft kräftig geschmiert haben,“ schreibt NEWS in seiner Ausgabe 48/05 vom 1. Dezember 2005.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

Fragenkomplex Informationsverlauf im Außenministerium:

1) In Ihrer schriftlichen Beantwortung nach dem außenpolitischen Ausschuß am 20.10. haben Sie erklärt, dass Sie am 27. September 2005 erstmals darüber informiert wurden, dass „ein ehemaliger und ein aktiver Mitarbeiter des BmaA wegen Verdachtsmomenten in Zusammenhang mit Visaverfahren verhaftet wurden. Von wem erhielten Sie diese Information? Hat jemand in Ihrem Haus schon früher – wenn ja, wer und wann – von den Vorwürfen gegenüber früheren oder weiterhin aktiven BeamtInnen Ihres Hauses erfahren?

2) Zu welchem Zeitpunkt hat die frühere Ressortleiterin Benita Ferrero-Waldner von den Vorwürfen erfahren?

3) Warum hat Ihre Vorgängerin, die damalige Außenministerin Benita Ferrero-Waldner bei ihrem Besuch an der Botschaft in Belgrad – zu jenem Zeitpunkt war sie vom damaligen LT-Abg. Edelmayer schon von den Vorwürfen informiert worden – nicht das Gespräch mit den KonsulatsbeamtInnen gesucht und  – als deren oberste Vorgesetzte – klar gestellt, dass sie alles daran setzen werde, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen? Und dass Korruption in ihrem Haus und von der österreichischen Bundesregierung keinesfalls geduldet werde?

4) Waren dem Außenministerium – und wenn dann wem – schon zu Amtszeiten des heutigen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel Informationen über „Ungereimtheiten“ und möglichen illegalen Visa-Handel an einzelnen österreichischen Konsulaten bekannt? Wenn ja, dann welche (bitte im Detail nach Botschaften aufgeschlüsselt)?

 

Fragenkomplex innerministerielle Kontrolle:

6) Warum wurden nach den ersten Vorwürfen die internen Kontrollmechanismen nicht verstärkt und verbessert?

7) In Ihrer schriftlichen Beantwortung der Frage aus dem Ausschuss, wie der „genaue Auftrag der Sonderinspektion an der österreichischen Botschaft Belgrad im Jahr 2002“ lautete und ob er auch den Sichtvermerksbereich umfaßte, antworteten Sie: „Der genaue Auftrag beinhaltete eine allgemeine Inspektion der ÖB Belgrad über Auftrag der Ressortleitung, wobei der Konsularbereich, somit auch der Sichtvermerksbereich, mit umfasst war.“ Auch der damalige Generalinspektor Ortner selbst hat gegenüber Pro7 Aiustria betont, es habe sich um eine reguläre Inspektion im Rahmen des Revisionsplanes gehandelt. Dies steht in Gegensatz zu Ihrer Aussage im Auswärtigem Rat am 20.10., als Sie gesagt haben: „Der Generalinspektor hat den Auftrag gehabt, die notwendigen Maßnahmen zu setzen.“ Und es steht in krassem Gegensatz zur Aussage von BmaA-Pressesprecher Schnetzer in einer ots vom 20.10.2005, in der dieser betonte: „Der Generalinspektor wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe mit einer internen Prüfung beauftragt“. War es nun eine reguläre Inspektion im Rahmen des Revisionsplanes oder war es eine Inspektion auf Grund der bekannt gewordenen Vorwürfe?

8) Laut NEWS hat der Nachfolger des angeklagten pensionierten Konsularbeamten Johann R. seinen Vorgesetzten darüber informiert, dass der ebenfalls angeklagte österreichische Unternehmer ihm angetragen hatte, die „Visapraxis so weiter zu führen wie bisher“. Um welchen Vorgesetzten handelte es sich? Welche Schritte hat dieser oder seine Vorgesetzten zu welchem Zeitpunkt gesetzt um sicher zu stellen, dass die „bisherige Praxis“ auf keinen Fall so weiter geführt wird?

9) Welche Schritte wurden von wem im Außenministerium zu welchem Zeitpunkt gesetzt, um sicher zu stellen, dass Johann R. nicht in Budapest die selbe „Visapraxis“ weiterführt?

10) Warum ist – besonders nach der unter 8) genannten Information – niemandem im Außenministerium aufgefallen, dass es nach Dienstantritt von Johann R. in Budapest plötzlich zahlreiche Visa-Anträge von SerbInnen gab?

11) Wäre da nicht schon der Verdacht nahe gelegen, dass es etwas mit der Person von Johann R. zu tun haben muß?

 

Fragenkomplex Skartierung der Visa-Erteilungs-Unterlagen:

12) Warum haben Sie der Opposition bei der Aussprache im außenpolitischen Ausschuss oder auch im Auswärtigen Rat trotz Nachfrage nicht gesagt, dass Sie – laut Aussendung Ihres Hauses am Nachmittag des 16.11.2005 – schon „seit 27.9.2005 angeordnet haben, an sechs Botschaften die Skartierungen nicht fortzuführen“? Wann haben Sie Weisung gegeben, die Skartierung an welchen Botschaften zu stoppen (bitte Details mit Datum, Botschaft und Ziffer der Weisung)

13) Warum sind trotz der bekannten Vorwürfe die Unterlagen für die Visa-Erteilungen in den Botschaften in den letzten Jahren bis zum Herbst 2005 weiterhin vernichtet worden?

14) In Pro 7 Austria berichtete der Anwalt des (geständigen) Unternehmers Alois K., er habe 70€ pro Visa an beide angeklagten Konsularbeamten gezahlt. Und – dies steht laut Medienberichten in der Anklageschrift –  er habe seit 1998 derartige Einladungen erstellt! Können Sie mit Sicherheit feststellen, dass im Außenministerium niemand außer den jetzt angeklagten Beamten auch nur den Verdacht hatte, dass diese zwei Kollegen für die Visa-Erteilung Geld nahmen und am illegalen Visahandel beteiligt waren?

 

Fragenkomplex Informationen durch die deutschen Behörden:

15) Wann wurde Ihr Ministerium – und wer genau – von den deutschen Behörden informiert?

16) Wenn nicht Ihr Ministerium von den deutschen Behörden kontaktiert wurde, sondern das Innenministerium bzw. das BIA: Wann haben Sie bzw. die damit befaßte Stelle im Außenamt zum ersten Mal von den Informationen der deutschen Behörden erfahren?

17) Warum wurden erst nach den Hinweisen der deutschen Behörden konkrete Ermittlungen in Österreich begonnen?

18) Als im BMI nach den Informationen aus Deutschland die Alarmglocken schrillten – warum schrillten sie nicht auch im Außenministeirum?

 

 

Fragenkomplex Kommunikation zwischen BmaA und BMI:

 

19) Die Listen der erteilten Visas werden im Außenministerium von lt. profil acht BeamtInnen überprüft, dann ans BMI weitergeleitet. Erst dort fielen Unregelmäßigkeiten auf. Warum fielen diese nicht schon im BmaA auf?

 

20) Wie funktioniert die Kommunikation zwischen BMI und BmaA?

 

21) Für welche Staaten gilt seit wann die Rückfrageverpflichtung beim BMI für Visa-Anträgen?

 

 

Fragenkomplex Personalpolitik im BmaA:

 

22) Wie kann es sein, dass ein Generalkonsul wie der jetzt pensionierte und angeklagte Johann R. viele Jahre lang seinen Dienst an österreichischen Konsulaten im ehemaligen Jugoslawien, in Rumänien und Ungarn verrichtete, jedoch weder Englisch noch die jeweilige Landessprache konnte?

 

23) Ist es auch heute noch üblich, dass Bedienstete der österreichischen Konsulate im nicht-deutschsprachigen Ausland weder des Englischen, das ja heutzutage Lingua Franca ist, noch der Landessprache mächtig sind?

 

24) Wenn ja, welche Schritte haben Sie gesetzt oder werden Sie setzen, um die Sprachkenntnisse der BeamtInnen zu fördern?

 

 

Frage Visahandel an der Botschaft in Kiew:

 

25) Bei den jüngst in NEWS bekannt gewordenen Vorwürfen wird behauptet, in Kiew seien 20 Reisebüros, -organisationen oder andere Firmen am Visahandel beteiligt gewesen. Waren einige dieser Unternehmen schon einmal für die Vermittlung von Touristen-Visas gesperrt? Wenn ja, was waren die damaligen Gründe für die Sperre und warum wurden sie – wann – wieder zugelassen?