3703/J XXII. GP

Eingelangt am 07.12.2005
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

betreffend die Menschenrechtssituation von Lesben und Schwulen in Polen

 

 

Wie den Medien zu entnehmen war, wurde der für den am Internationalen Tag der Toleranz geplante „Toleranzmarsch“ in der polnischen Stadt Poznan (Posen) von offizieller Seite verboten. Als Grund für das Verbot dieses Marsches der Toleranz wurden „Bedrohung der Werte“ sowie „Gefahr der öffentlichen Sicherheit“ genannt, nicht zuletzt deswegen, weil der Toleranzmarsch fälschlicherweise als „Gay Pride“ bezeichnet wurde. Trotz des Verbots fand am 19.11.2005 diese friedliche Demonstration, die der Toleranz, Solidarität und Anti-Diskriminierung gewidmet war und zu der feministische aber auch lesbisch-schwule Organisationen sowie die polnischen Grünen aufgerufen hatten, statt. Diese Demonstration wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst und rund 60 TeilnehmerInnen des Toleranzmarsches wurden festgenommen und verhört. Obwohl sie wieder freigelassen wurden droht ihnen nun eine Geldstrafe.

 

Amnesty International hat am 25.11.2005 ein Statement veröffentlicht (AI Index: EUR 37/002/2005 (Public), News Service No. 318), in dem sich die Menschenrechtsorganisation besorgt über das intolerante Klima in Polen gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und TransGenders äußert. In diesem Statement spricht AI nicht nur das Verbot des Toleranzmarsches im November 2005 sowie die Verbote von Demonstrationen für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Warschau in den Jahren 2004 und 2005 an, sondern auch die offen homophobe Sprache, die von polnischen PolitikerInnen verwendet wird, ebenso wie der homophobe Hass und die homophobe Gewalt von rechten Gruppierungen in Polen. AI zeigt sich darüber hinaus besorgt über die vor kurzem in Polen erfolgte Abschaffung der staatlichen Behörde, die für Gleichbehandlung und sexuelle Minderheiten zuständig war.

 

Auch ein Artikel der deutschen Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ vom 26.11.2005 weist darauf hin, dass Schwule in Polen immer häufiger Opfer von Gewalt werden.

 

Polen hat mit dem Beitritt zur EU den europäischen Grundwerten von Nicht-Diskriminierung, Gleichheit und der Versammlungsfreiheit zugestimmt. So verbietet Artikel 21 der Charta der Grundrechte der  Europäischen Union Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung. Trotzdem wurden bei den genannten Vorfällen Lesben und Schwule in Polen diskriminiert.

 

Österreich übernimmt am 1.1.2006 für sechs Monate den Vorsitz der Europäischen Union und hat daher in nächster Zeit eine besondere Rolle bei der Wahrung der Menschenrechte in der EU und ihren Mitgliedsstaaten wahrzunehmen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1. Wie bewerten Sie die Verbote von Demonstrationen für Toleranz und Gleichberechtigung, die polnische Behörden 2004 und 2005 in Warschau und im November 2005 in Poznan ausgesprochen haben?

 

2. Hat Polen Ihrer Ansicht nach – auch in Ihrer Funktion als Mitglied der Bundesregierung des EU-vorsitzführenden Landes in der ersten Hälfte 2006 – durch die genannten Verbote der Demonstrationen 2004 und 2005 gegen Artikel 21 der Charta der Grundrechte der  Europäischen Union verstoßen?

 

3. Hat Polen Ihrer Ansicht – auch in Ihrer Funktion als Mitglied der Bundesregierung des EU-vorsitzführenden Landes in der ersten Hälfte 2006 – nach durch die genannten Verbote der Demonstrationen 2004 und 2005 gegen Artikel 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verstoßen?

 

4. Wie bewerten Sie das besagte öffentliche Statement von Amnesty International?

 

5. Wie bewerten Sie im Kontext der homophoben Haltung von Teilen der polnischen Politik und Behörden die Schließung der staatlichen Behörde, die für Gleichberechtigung und für sexuelle Minderheiten in Polen zuständig war?

 

5. Medienberichten zufolge erfolgte das Verbot der anfänglich genehmigten Demonstration in Poznan aufgrund von Interventionen aus der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Trifft dies Ihren Informationen nach zu?

 

6. Teilen Sie die Auffassung, dass der friedliche Einsatz für ein tolerantes Klima gegenüber Lesben und Schwulen und gegen Diskriminierung durch die Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit gedeckt ist und dass es Aufgabe eines demokratischen Rechtsstaates ist, das Recht auf Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit für alle BürgerInnen zu sichern und dies gegebenenfalls durchzusetzen?

 

7. Haben Sie Kenntnis von Einschüchterungsversuchen staatlicher Stellen gegenüber RepräsentantInnen der Lesben- und Schwulenbewegung in Polen?

Falls Ja: Wie bewerten Sie diese Vorgänge? Wollen Sie etwas dagegen unternehmen? Falls Ja: Was wollen Sie dagegen unternehmen?

 

8. Werden Sie sich gegenüber der polnischen Regierung und im Rahmen der Europäischen Union für die Wahrung und Durchsetzung der Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit in Polen in Hinblick auf das Thema Homosexualität und Diskriminierung einsetzen? Falls Nein: Warum nicht? Falls Ja: In welcher Form?

 

9. Nach Artikel 13 des Vertrags von Amsterdams „kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“ Wie werden Sie im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft diesbezüglich vorgehen?