3744/J XXII. GP

Eingelangt am 21.12.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „verpflichtende Obsorge beider Eltern nach der Scheidung"

Seit der Änderung des Kindschaftsrechtes im Juli 2001 bleibt im Falle einer Scheidung die Obsorge für
beide Eltern bestehen, außer es wird von einem Elternteil die alleinige Obsorge beantragt. Zu dieser
automatischen Obsorge beider Eltern haben viele ExpertInnen Bedenken geäußert, denn eine Trennung
zu vollziehen und trotzdem weiterhin gemeinsame Entscheidungen zu treffen, ist für viele getrennte
Paare ohne Konflikte schwer möglich. Dies kann nicht zum Wohle des Kindes sein!
In der Anfrage 1853/J vom 4. Juni 2004 haben wir die Bundesministerin für Justiz bereits zu den
Ankündigungen von Familienrichter Mag. Franz Mauthner befragt, der in einem Zeitungsartikel dafür
eintrat, dass in Zukunft überhaupt kein Antrag auf alleinige Obsorge mehr möglich sein soll. Auch die
sehr massiv auftretende „Vätergruppe" um den Linzer Rechtsanwalt Günter Tews setzt sich schon
längere Zeit für einen erschwerten Zugang zur alleinigen Obsorge ein.

In der Anfragebeantwortung 1829/AB schreiben Sie dazu: „Nach den Reaktionen, die bisher an das
Bundesministerium für Justiz herangetragen worden sind, bestehen mit der Obsorge beider Eltern keine
Schwierigkeiten, und zwar auch nicht solche, die Gesetzesänderungen im Sinn der in der Anfrage
angeführten Äußerungen eines Richters oder eines Rechtsanwaltes nahe legen."

Bei der Tagung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Jugendwohlfahrt vom 7. bis 9. November
2005 teilte ein Vertreter des Bundesministerium für Justiz mit, dass Ihr Ministerium sehr wohl
plane, die Obsorge beider Elternteile nach der Scheidung verpflichtend als Standard
einzuführen und die alleinige Obsorge nur mehr unter erschwerten Bedingungen, also in
klar definierten Ausnahmefallen gerichtlich zuzulassen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1.   Ist es richtig, dass, wie von einem Vertreter des BMJ bei der Tagung der AG für Jugendwohlfahrt
im November in Salzburg angekündigt, in Hinkunft die alleinige Obsorge nach der Scheidung nicht


mehr in jedem Fall von einem Eltemteil wie bisher beantragt werden kann, sondern sie nur mehr
unter erschwerten Bedingungen in definierten Ausnahmefällen gerichtlich zuzulassen sein wird?

2.               Wenn ja, wann genau und wie konkret wollen Sie diese Änderung einführen und wie lautet Ihre
Begründung für diese Änderung?

3.               Wenn nein, wie erklären Sie die Aussagen eines Vertreters Ihres Ministeriums?

4.       Planen Sie weitere gesetzliche Änderungen im Kindschaftsrecht?

5.               Wenn ja, welche?

6.               In der parlamentarischen Anfragebeantwortung 1829/AB vom 26. Juli 2004, schreiben Sie, dass zur
Vorbereitung des vom Nationalrat aufgetragenen Berichtes ein Forschungsprojekt durchgeführt
wird. Gibt es dieses Forschungsprojekt bereits?

7.               Wenn ja, wie weit ist dessen Arbeit gediehen und welche Personen und Institutionen sind damit
betraut und eingebunden? Welche Themen und Punkte werden in diesem Projekt konkret und mit
welchen Mitteln bearbeitet? Welche Ergebnisse liegen bereits vor?

8.               Wenn nein, warum gibt es dieses Projekt noch nicht?

9.               Wann planen Sie, den Bericht an den Nationalrat zu übermitteln?

10.         Welche Reaktionen wurden bisher an das Bundesministerium für Justiz zur Obsorge beider Eltern
nach der Scheidung herangetragen? Von welchen Personen oder Institutionen kamen diese
Reaktionen?

11.         Gibt es bereits Zahlenmaterial darüber, wie viele Anträge auf alleinige Obsorge eingebracht wurden
und mit welchen Begründungen diese eingebracht wurden?

12.         Wenn ja, wie lauten diese Zahlen?

13.         Wenn nein, warum gibt es sie noch nicht und wann wird es sie geben?


14.         Gibt es bereits Zahlenmaterial darüber, wie viele geschiedene Eltern in Österreich derzeit beide die
Obsorge für ihr Kind/Kinder haben?

15.         Wenn ja, wie lauten diese Zahlen?

16.         Wenn nein, warum gibt es sie noch nicht und wann wird es sie geben?

17.         Gibt es bereits Zahlenmaterial darüber, wie viele Anträge auf alleinige Obsorge seit 2001 von
Müttern und von Vätern eingebracht wurden?

18.         Wenn ja, wie lauten diese Zahlen?

19.         Wenn nein, warum gibt es sie noch nicht und wann wird es sie geben?

20.         Das erklärte Ziel der Regierung für die Änderung des Kindschaftsrechtes war, dass sich Väter mehr
um ihre Kinder kümmern. Können Sie inzwischen beantworten, ob Sie dieses Ziel als erreicht
sehen?

21.         Wenn ja, welche Faktoren nehmen Sie dafür an?