3747/J XXII. GP
Eingelangt am 21.12.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Duldung nationalsozialistischer Wiederbetätigung durch die Staatsanwaltschaft Salzburg
Der ehemalige FPÖ-Bundesrat John
Gudenus hatte am 26. April dieses Jahres in der ORF-Sendung
Report verlangt, man sollte die Existenz von Gaskammern im
Dritten Reich „physikalisch und
wissenschaftlich prüfen“. Die Staatsanwaltschaft entschied sich bedauerlicherweise
gegen die
Einleitung eines
Strafverfahrens wegen des Verdachts der Wiederbetätigung.
Weitere inakzeptable Äußerungen von
Gudenus im Zuge eines Interviews am 8. Juni mit dem
Standard folgten: „Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten
Reich, sondern in Polen. So steht es
auch in
Schulbüchern."
Am 29. Juni hob daraufhin der Wiener
Landtag, von dem Gudenus als Ländervertreter in den
Bundesrat
entsandt worden war, seine Immunität auf. In weiterer Folge wurde dieses
Verfahren gegen
Gudenus wegen des Verdachts
der Wiederbetätigung eingestellt.
Am 14. September wurde Gudenus auf
Ersuchen der Staatsanwaltschaft ein zweites Mal ausgeliefert:
Bei einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte
Mauthausen hatte Gudenus erklärt, auf einem Foto
abgebildete jugendliche Häftlinge
würden bezogen auf ihren körperlichen Zustand „eigentlich ganz
gut aussehen", während Gudenus selbst „schlechter
aussehe".
Die
Staatsanwaltschaft leitete daraufhin erneut Ermittlungen wegen des Verdachts
der
Wiederbetätigung,
konkret wegen des Verstoßes gegen § 3h Verbotsgesetz ein.
Wie am 19. Dezember durch die Medien
bekannt wurde, wird der ehemalige FPÖ-Bundesrat nunmehr
tatsächlich wegen § 3h Verbotsgesetz
angeklagt, das Strafverfahren dürfte im Frühjahr 2006
stattfinden.
Im Gedenkjahr 2005 wurden jedoch auch von
anderen Personen als von John Gudenus Handlungen
gesetzt, die eine Prüfung auf ihre Strafbarkeit nach dem Verbotsgesetz
bedürften:
Pünktlich am 1. November eines jeden
Jahres demonstriert die rechtsextreme Kameradschaft IV am
Salzburger Kommunalfriedhof ihr Bekenntnis zur verbrecherischen Organisation „Waffen-SS".
Auch
am 1. November dieses Jahres nahmen die ehemaligen SS-Angehörigen und ihre
Sympathisanten eine
Kranzniederlegung mit Blasmusik und feierlichem Gehabe vor dem Kriegerdenkmal
vor.
Die Aufschrift des Kranzes lautete: „Zum ehrenden
Gedenken den gefallenen Kameraden der ehem.
Waffen-SS".
Wie unzweifelhaft auch dem
Justizministerium bekannt ist, war die Waffen-SS ein Teil der
verbrecherischen
Organisationen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und maßgeblich an
deren
menschenverachtendsten Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes
beteiligt. Aus gutem
Grund gilt daher die SS explizit als
nationalsozialistische Organisation nach § 3a Z 1 Verbotsgesetz
und ist bereits der Versuch ihrer
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung mit einem Strafrahmen
von zehn bis zwanzig Jahren, bei
besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung mit
lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht.
Die pauschale Ehrung der „gefallenen
Kameraden der ehemaligen Waffen-SS“ durch die Niederlegung
eines Kranzes mit der
zitierten Aufschrift stellt nach der hier vertretenen Auffassung eine
indirekte,
pauschale Ehrung der gesamten Waffen-SS, demnach einer nationalsozialistischen
Organisation dar,
deren bereits versuchte (!) Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung vom
Verbotsgesetz mit hohen
gerichtlichen Freiheitsstrafen bedroht wird.
Angesichts des Charakters der
Waffen-SS als eine verbrecherische Organisation, als „Elite" des
nationalsozialistischen
Regimes, sowie angesichts der Verbrechen ihrer Angehörigen stellt diese
Ehrung
jedoch nichts anderes als die indirekte Verharmlosung und Leugnung der
Verbrechen der
Waffen-SS
dar.
Diese indirekte Verherrlichung der Waffen-SS durch die
pauschale Ehrung ihrer Angehörigen ist in
einer Republik, die dieses Jahr die
Unterzeichnung des Staatsvertrages und das Ende des Zweiten
Weltkrieges mit verschiedenen Feierlichkeiten begangen hat, nicht zu
akzeptieren.
Herr Wolfram P. Kastner, offenbar
dieser Ansicht, hat als Reaktion auf die beschriebene
Kranzniederlegung am 8. November 2005 gegen den Rechtsanwalt Herrn Dr.
Sexlinger als
Vorsitzenden
der Salzburger Kameradschaft IV der
Waffen-SS und gegen den ehemaligen Salzburger
Polizeipräsidenten
Herrn Mag. Hans Biringer, Mitglied der Kameradschaft IV der Waffen-SS, sowie
gegen unbekannte Personen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen des
Verdachts der
Wiederbetätigung erstattet.
Der bei der Staatsanwaltschaft mit der
Anzeige befasste Staatsanwalt Herr Dr. Rene Karl Fürlinger
legte
die Anzeige jedoch zurück.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Gemäß Artikel 9 Z 1 des
Staatsvertrags von Wien ist Österreich unter anderem verpflichtet, aus
seinem
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu
entfernen,
um zu gewährleisten, dass nationalsozialistische Organisationen nicht in
irgendeiner Form wieder
ins
Leben gerufen werden, und um alle nazistische oder militaristische Tätigkeit
und Propaganda
in
Österreich zu verhindern.
Gemäß § 3h
Verbotsgesetz ist auch eine in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem
anderen
Medium
oder sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,
erfolgende
Leugnung, gröbliche Verharmlosung, Gutheißung oder Rechtfertigung des
nationalsozialistischen
Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die
Menschlichkeit nach § 3g zu bestrafen. § 3g
Verbotsgesetz sieht einen Strafrahmen von einem bis
zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Straftäters oder der
Wiederbetätigung bis zu
zwanzig Jahren vor. § 3g Verbotsgesetz
fungiert darüber hinaus als Auffangtatbestand für
verschiedenste, vom Gesetz nicht
explizit festgelegte Handlungen der Wiederbetätigung.
Wie ist vor diesem
rechtlichen Hintergrund möglich, dass Angehörige der ehemaligen Waffen-SS
und
ihre Sympathisanten am 1. November 2005 - im Gedenkjahr - die Niederlegung
eines
Kranzes vor dem
Kriegerdenkmal am Salzburger Kommunalfriedhof mit der Aufschrift „Zum
ehrenden
Gedenken den gefallenen Kameraden der ehem. Waffen-SS" vornehmen können?
2. Verstößt diese Kranzniederlegung Ihrer Rechtsauffassung nach gegen das Verbotsgesetz?
2.1.
Wenn
ja, warum wurde die Anzeige von Herrn Wolfram P. Kastner gegen den Rechtsanwalt
Herrn Dr. Sexlinger als Vorsitzenden der
Salzburger Kameradschaft IV der Waffen-SS
und
gegen
den ehemaligen Salzburger Polizeipräsidenten Herrn Mag. Hans Biringer, Mitglied
der
Kameradschaft IV der Waffen-SS, sowie gegen
unbekannte Personen zurückgelegt?
2.2. Wenn nein,
warum nicht?
3.
Aus
welchem Grund legte der Staatsanwalt Herr Dr. Rene Karl Fürlinger die Anzeige
zurück?
4.
Wurde gegen den Staatsanwalt Herrn Dr. Rene Karl Fürlinger
ein Dienstaufsichtsverfahren
eingeleitet?
4.1. Wenn ja, was ist der aktuelle
Stand dieses Verfahrens?
4.2. Wenn nein,
warum nicht?