3757/J XXII. GP

Eingelangt am 21.12.2005
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend die völkerrechtliche Bedeutung und die innerstaatliche Umsetzung von Entscheidungen des UNO-Ausschusses für Menschenrechte in Österreich

 

 

 Im Beschwerdefall von Dr. Paul Perterer gegen die Republik Österreich vom 31.07.2001 hat der UNO-Ausschuss für Menschenrechte am 20.08.2004 ausgesprochen, dass im zugrundeliegenden innerstaatlichen Instanzenzug Art. 14 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (CCPR) verletzt wurde. Im einzelnen wurde ausgeführt, dass das Recht auf ein unparteiisches Gericht (durch Zweifel an der Unparteilichkeit der Disziplinarkommission) und das Recht auf Gleichheit vor Gericht (durch überlange Verfahrensdauer) verletzt wurden und Österreich als Vertragsstaat des CCPR „verpflichtet (ist), dem Beschwerdeführer ein wirksames Rechtsmittel, einschließlich der Zahlung einer angemessenen Entschädigung zur Verfügung zu stellen“ (CCPR/C/81/D/1015/2001). Außerdem wurde Österreich verpflichtet, ähnliche Verletzungen in Zukunft zu verhindern und aufgefordert, binnen 90 Tagen Informationen über die für die Umsetzung der Auffassungen des Ausschusses getroffenen Maßnahmen zu übermitteln.

 

Trotz Verstreichen dieser Frist erfolgte bisher lediglich eine Mitteilung über die erfolgte Veröffentlichung der Views des Menschenrechtsausschusses, jedoch wurden bisher keine Schritte gesetzt, dem Beschwerdeführer ein wirksames Rechtsmittel einzuräumen oder eine angemessene Entschädigung zu leisten.

 

Obwohl Österreich den genannten UN-Menschenrechtspakt bereits am 10.12.1978 ratifiziert und die Zuständigkeit  des Ausschusses für Menschenrechte durch Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum IPBPR am 10.03.1988 anerkannt hat, wurde seit 27 Jahren unterlassen, ein entsprechendes Gesetz für die Eingliederung des Staatsvertrags in die österreichische Rechtsordnung zu erlassen. Nichtsdestotrotz haben sich die Vertragsstaaten einschließlich Österreich gemäß Art. 2 Abs 3 lit c des Paktes in völkerrechtlich bindender Weise verpflichtet, „dafür Sorge zu tragen, dass die zuständigen Stellen Beschwerden, denen stattgegeben wurde, Geltung verschaffen“. Diese Tatsache hat auch amnesty international bereits in einem Schreiben an den Bundeskanzler unterstrichen. Die internationale Menschenrechtsorganisation hat weiters Sorge bezüglich des Umgangs Österreichs mit seinen ratifizierten Menschenrechtsübereinkommen und hat diesbezüglich den UN-Menschenrechtsausschuss über die Nicht-Umsetzung der Entscheidung im oben genannten Fall bereits informiert.

 

Wie auch Univ. Prof. Manfred Nowak, u.a. UNO-Sonderberichterstatter über Folter, in seiner Stellungnahme zum Fall Perterer vom 4. Oktober 2005 ausführt, „trifft die Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung die Bundesregierung, da die Beschwerde bzw. die Entscheidung des Ausschusses gegen die Republik Österreich gerichtet ist. Wie bei der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte handelt es sich bei der zuständigen Behörde daher in erster Linie um den Bundeskanzler. Dieser hat von Amts wegen dafür Sorge zu tragen, dass einer erfolgreichen Beschwerde Geltung verschafft wird. Dass diese Verpflichtung unverzüglich und von Amts wegen zu erfüllen ist, erhellt auch aus der Tatsache, dass Österreich in der genannten Entscheidung vom  Ausschuss ausdrücklich aufgefordert wurde, ihm innerhalb von 90 Tagen über die zur Umsetzung ergriffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten“.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Warum wurden die Views, also die Entscheidung, des UNO-Ausschusses für Menschenrechte im Fall Perterer nicht nur binnen 90 Tagen nach der Urteilsverkündung nicht, sondern bis heute nicht umgesetzt?

 

2.      Wie sehen Sie als Bundeskanzler die Verbindlichkeit von Österreich eingegangener völkerrechtlicher Konventionen im allgemeinen und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte im besonderen, wenn Views von internationalen ExpertInnenorganen, die von den Vertragsstaaten zur Überwachung der Einhaltung der betroffenen Pakte bzw. Übereinkommen eingesetzt wurden, von der Republik Österreich ignoriert werden?

 

3.      Warum hat Österreich die Zuständigkeit des Ausschusses für Menschenrechte durch Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum CCPR am 10.03.1988 anerkannt, wenn es sich – wie im Fall Perterer nun offensichtlich wird - an die Views des Ausschusses nicht zu halten gedachte bzw. gedenkt?

 

4.      Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte haben vermehrt darauf hingewiesen, dass sich alle Vertragsstaaten - einschließlich Österreich - gemäß Art. 2 Abs 3 lit c des Paktes in völkerrechtlich bindender Weise verpflichtet haben, „dafür Sorge zu tragen, dass die zuständigen Stellen Beschwerden, denen stattgegeben wurde, Geltung verschaffen“. Warum beharrt die Republik trotz der einschlägigen Bestimmung auf der Behauptung, der Pakt sei wegen des Erfüllungvorbehalts unverbindlich?

 

5.      Es wurde seit 27 Jahren unterlassen, ein entsprechendes Gesetz für die Eingliederung des Staatsvertrags in die österreichische Rechtsordnung zu erlassen. Wann werden Sie eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Nationalrat einbringen?

 

6.      Da die Beschwerde bzw. die Entscheidung des Ausschusses gegen die Republik Österreich gerichtet ist, trifft die Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung die Bundesregierung. Wie gedenken Sie diese Verpflichtung konkret umzusetzen?

 

7.      Wie wollen Sie verhindern, dass der Beschwerdeführer wegen des Kompetenzstreits zwischen Bund und Ländern – laut Bund ist das Disziplinarverfahren dem Land Salzburg zuzurechnen und dieses müsse die Views erfüllen, das Land Salzburg argumentiert, es sei kein Völkerrechtssubjekt und daher nicht Partei des Übereinkommens – nicht zu seinem Recht auf  ein „wirksames Rechtsmittel einschließlich der Zahlung einer angemessenen Entschädigung“ (CCPR/C/81/D/1015/2001) kommt?

 

8.      Warum ist es Ihrer Meinung nach zumutbar, den in seinen Rechten Verletzten selbst nach Obsiegen vor einer internationalen Instanz erneut auf den innerstaatlichen Rechtsweg zu verweisen,  um die Dursetzung der Entscheidung und überhaupt die Durchsetzbarkeit im österreichischen Recht aus eigenen Mitteln und auf eigene Kosten zu betreiben wie das in diesem Fall geschieht?

 

9.      Wie erklären Sie es, dass die Republik den Beschwerdeführer einerseits auf den – innerstaatlichen – Rechtsweg verweist und andererseits in der Klagebeantwortung auf die Staatshaftungsklage vom Beschwerdeführer vom 4.8.2005 argumentiert, dass es keinen Rechtsweg gebe?

 

10.    Wie wollen Sie für die Zukunft konkret sicherstellen, dass Urteile, Entscheidungen und Erkenntnisse aufgrund von  Österreich ratifizierter internationaler Übereinkommen in Österreich tatsächlich umgesetzt werden? Was soll im Fall von Nicht-Umsetzung passieren?

 

11.    Durch welche Maßnahmen gedenkt die Republik Österreich in Bezug auf die in der eingangs erwähnten Entscheidung festgestellte Verletzung des Rechts auf ein unparteiisches Gericht und des Rechts auf Gleichheit vor Gericht einen konventionskonformen Zustand herzustellen?

 

12.    Werden Sie etwas ändern an der Praxis in Österreich, Menschenrechtskonventionen zu unterzeichnen und mit Erfüllungsvorbehalt zu ratifizieren und sie dann nicht umzusetzen – beispielsweise wie bei der Kinderrechtskonvention?

 

      Wenn ja, konkret was?