3778/J XXII. GP
Eingelangt am 13.01.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Ruth Becher
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „schon schützenswerte Kreise“ im Wohnbereich
Am 30. November
dieses Jahres antworten Sie in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ auf
die
Bemerkung des Interviewers, wonach die Wohnrechtsnovelle 2006 aufgrund der
fehlenden
Zinsobergrenzen von Mieterschützern kritisiert werde, mit den Worten: „Man
darf
das auch nicht übertreiben. Sonst gibt es
eine Situation, dass Wohnungen leer stehen, weil die
Vermieter nicht mehr vermieten wollen. Es gibt schon schützenswerte
Kreise. Und das
Mietrechtsgesetz gewährt einen guten Schutz für die Mieter. Aber man sollte
Mieter bei allem
Schutzbedürfnis auch nicht als Tschapperl behandeln. Es ist schon zuzumuten,
dass man sich
eine Wohnung aussucht.“
Die unterzeichneten Abgeordneten
richten angesichts dieser völlig inakzeptablen Parteinahme
der Bundesministerin
für Justiz für die Interessen der Vermieterseite an selbige nachstehende
Anfrage:
1. In den
„Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN) vom 30. November 2005
begründen
Sie Ihre Ablehnung gegen Mietzinsobergrenzen damit, dass in Falle dessen
„Wohnungen leer
stehen“ würden, „weil
die Vermieter nicht mehr vermieten wollen“.
Worauf stützen Sie Ihre diesbezügliche
Einschätzung? Liegen Ihnen hierzu Studien
vor, die Ihre Auffassung bestätigen?
2.
Wenn ja, von wem wurden diese erstellt und zu welchen
Ergebnissen kommen die
Studien
im Detail?
3.
Wenn
nein, womit sonst können Sie Ihre unter 1. angeführte Behauptung
untermauern?
4.
Im unter 1. erwähnten Interview mit den OÖN führen Sie
des weiteren aus, dass man
die
„Mieter bei
allem Schutzbedürfnis auch nicht als Tschapperl behandeln" sollte.
Laut
Duden ist ein „Tschapperl“ ein „unbeholfener, tapsiger (junger)
Mensch“. Wer
ist es, der die
MieterInnen als eine Gruppe von „Tschapperl“ behandelt?
5.
„Es gibt schon schützenswerte Kreise“. Das
Mietrechtsgesetz gewähre Ihrer Ansicht
nach „einen guten Schutz für die Mieter“. Eine Säule des von Ihnen
angesprochenen
Mieterschutzes
stellt neben dem Kündigungs- der Preisschutz dar. Letzterer wird
jedoch
aufgrund des enormen Anstiegs der Wohnungsmieten immer mehr
unterminiert.
Das bestätigen alle - seriösen - Untersuchungen. So sind laut einer
Studie der
Arbeiterkammer (AK) die Mietkosten bei Altbaumietwohnungen zwischen
1999 und 2004 um rund 30 Prozent gestiegen,
während sich die Inflationsrate im
selben Zeitraum im Schnitt pro Jahr um
zwei Prozent erhöhte. Eine von der AK
durchgeführte Befragung unter 1200 jungen ArbeitnehmerInnen forderte
wiederum zu
Tage, dass junge ArbeitnehmerInnenhaushalte,
die in den letzten Jahren eine private
Mietwohnung bezogen haben, um 59 Prozent höhere Mieten zahlen müssen, als jene
MieterInnen, die vor 10 Jahren eine
Wohnung bezogen haben. Die Liste jener Studien,
die einen Anstieg der Wohnkosten
nachweisen, ließe sich noch verlängern. Auf
welche Ursachen führen Sie die explodierenden Wohnkosten zurück?
6.
1994 wurden die Richtwertmieten für Wien mit 3,66 Euro
bzw. Vorarlberg mit 5,62
Euro
pro m2 festgelegt. Bis zum 1. März 2005 erhöhten sich dieselben um
dramatische
23
Prozent auf 4,50 resp. 6,91 Euro pro m2. Gemeinsam mit
den intransparenten Zu-
und
Abschläge für Ausstattung und Lage der Mietwohnung kommt dem
Richtwertsystem
in seiner derzeitigen Ausstattung keine mietzinsregulierende
Funktion
im Sinne leistbaren Wohnens zu. Im Gegenteil: Aufgrund der Koppelung der
Inflationsrate
an die Mieten dreht sich die Kostenspirale unaufhörlich weiter, sodass
die
Schere zwischen Wohnkosten und Einkommen immer weiter auseinanderklafft. Ist
dies nicht Anlass
genug, um das sich als unwirksam erwiesene Richtwertsystem einer
Novellierung zu unterziehen?
7.
Wenn ja, welche Reformschritte erscheinen Ihnen in diesem
Zusammenhang
vorstellbar
und wird in Ihrem Ressort an einer diesbezüglichen Änderung des
Richtwertgesetzes
gearbeitet?
8.
Wenn ja, wann werden Sie den Begutachtungsentwurf zur
Richtwertgesetz-Novelle
dem Nationalrat
vorlegen?
9.
Im Falle der Verneinung von Frage 4: Welche Gründe
sprechen gegen die Änderung
des
Richtwertgesetzes?
10. Am 29.
November dieses Jahres wurde die Wohnrechtsnovelle aufgrund massiver
Interessenkonflikte
zwischen den beiden Regierungsparteien von der Tagesordnung
des
Justizausschusses abgesetzt. Wird die Vertagung der Regierungsvorlage von Ihnen
zum Anlass für
etwaige Änderungen derselben genommen?
11. Wenn ja,
welche Gründe können Sie hierfür anführen und welche Teile der
Wohnrechtsnovelle
werden auf welche Weise einer Änderung unterzogen?