3890/J XXII. GP

Eingelangt am 02.02.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

(gem. § 93 Abs.1 GOG)

 

 

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Maga. Christine Muttonen

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Betreffend: Von der Bildungsmisere zum Kulturdesaster

Europa feiert Mozart, Österreich ist mit anderen Themen beschäftigt. In den letzten Wochen
dominierten vor allem zwei Kulturthemen die nationale Berichterstattung: Die Rückkehr der
Saliera in das Kunsthistorische Museum und die Rückgabe der fünf Klimt-Bilder an die Erben
von Ferdinand Bloch-Bauer. Gemeinsam ist beiden Fällen - ohne darüber hinaus eine wie
auch immer geartete Vergleichbarkeit konstruieren zu wollen - vor allem die lange
Versäumnisliste der zuständigen Bundesministerin. Diese Versäumnisse aus dem
Kulturbereich fügen sich zu denen aus anderen Bereichen. In der Schulpolitik herrscht
Stillstand. Von bestmöglicher Bildung und Ausbildung ist schon lange nicht mehr die Rede,
es dominieren LehrerInnenabbau, Stundenkürzungen und überfüllte Klassen. Auf die
verheerenden Ergebnisse der internationalen PISA-Studie wurde bisher nur unzureichend
und zögerlich reagiert. Die Ratschläge der von der Bundesministerin selbst eingesetzten
„Zukunftskommission" fanden großteils keine Umsetzung. Ähnlich ist die Situation an den
Universitäten, die ohne ausreichende finanzielle Ausstattung in die Autonomie entlassen
wurden. Auch hier an der Tagesordnung: Überfüllte Hörsäle, zu wenig Seminar- und
Laborplätze, abgesagte Lehrveranstaltungen, ungenügende Ausrüstung etc. Hinzu kommen
unsoziale Studiengebühren, die Beschränkung des freien Hochschulzugangs und der
unprofessionelle Umgang mit dem EuGH-Urteil betreffend die Zulassung ausländischer
Studierender an den österreichischen Universitäten.

So wenig die zuständige Ministerin in den Bereichen Bildung und Wissenschaft ihre
Verantwortung wahrnimmt, so wenig ist sie bereit, im Kulturbereich notwendige
Entscheidungen zu treffen. Darlegen lässt sich dies am Beispiel des Kunsthistorischen
Museums: Hier stellte der Rechnungshof (III-149 d.B.) zahlreiche Missstände fest.
Beanstandet wurde beispielsweise die mangelnde Inventarisierung von Kunstgegenständen,
der Verleih von als nicht verleihbar bezeichneten Objekten, der Ankauf von Sammlungsgut -
von zwei so genannten Uschebtis (Grabbeigaben) - durch Direktor Wilfried Seipel selbst, die


Wiederbestellung dessen ohne öffentliche Ausschreibung und Befassung des Kuratoriums,
der Anstieg des Gehalts des Direktors um das 2,5fache in den Jahren 1998-2002, die
mangelnde Dokumentation von Reisespesen etc. Prinzipiell wurde vom Rechnungshof
festgestellt, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung
vernachlässigt worden sind. Trotz dieser öffentlich in einem Rechnungshofbericht
dokumentierten Missstände zog die zuständige Bundesministerin keine nachhaltigen
Konsequenzen. Sie ist daher - trotz Ausgliederung - für die Zustände im Kunsthistorischen
Museum ebenso wie der von ihr bestellte Direktor verantwortlich.

Der Diebstahl der Saliera wirft ein Licht darauf, auf welche Art und Weise von zuständiger
Seite und vor allem von Seiten der zuständigen Bundesministerin mit Missmanagement im
Bereich der Bundesmuseen umgegangen wird. Die Strategie dabei ist immer die gleiche: Die
Verantwortung wird (am besten an Dritte) abgeschoben, Tatsachen werden in Frage gestellt
und umgedeutet, haltlose Vorwürfe erhoben. Dies lässt sich an einigen Beispielen zeigen:

-   Gleich nach dem Einbruch in das Kunsthistorische Museum am 11. Mai 2003, als erste
Kritik an der sicherheitstechnischen Ausstattung des Museums aufkam, wurde versucht,
durch die Konstruktion von internationalen Täterbanden und der angeblich dahinter
steckenden Kunst-Mafia die Verantwortung des Museumsdirektors klein zu reden. In
Wirklichkeit ist der Täter ein Amateur, der - auch wenn er ein Spezialist für Alarmanlagen
ist - keine Erfahrung in der Durchführung von Einbrüchen und Diebstählen hat.

-   In einem zweiten Schritt wurde versucht, die Schuld für den Diebstahl einzig den Dienst
habenden Wachbeamten in die Schuhe zu schieben, die es nach dem Auslösen des Alarms
verabsäumt hatten, persönlich Nachschau zu halten. Experten und der Täter sind sich
jedoch einig, dass selbst ein promptes Reagieren des Wachpersonals den Diebstahl nicht
verhindert hätte. Ernst Geiger, der Leiter der ermittelnden Kriminaldirektion, meinte: „Der
Plan hätte auch funktioniert, wenn sie [die Wachbeamten, Anm.] gleich reagiert hätten."
(profil 21, 17.05.2004)

-   Drittens wurde die Außensicherung des Kunsthistorischen Museums der
Burghauptmannschaft zugeschoben, was vom zuständigen Beamten des
Wirtschaftsministeriums, Franz Pachner, folgendermaßen kommentiert wird: „Seipel lebt
davon, den Ball immer anderen zuzuschieben. Wenn draußen Bauarbeiten stattfinden, dann
hat er dafür zu sorgen, dass ein Einbruch unmöglich ist. Und besonders wertvolle
Gegenstände hätte er dennoch wegräumen müssen." (profil 5, 30.01.2006). Der Chef des
Münzkabinetts im Kunsthistorischen Museum, Günther Dembski, war hier offenbar
vorsichtiger gewesen. Er hatte wertvolle Teile seiner Münzsammlung in einen Tresor
gesperrt und auch intern darüber Mitteilung gemacht. (profil 5, 30.01.2006)


Das Ziel der Vorgangsweise von Direktor Seipel ist klar: Die Verantwortung für den Diebstahl
sollte anderen zugeschoben werden. Anstatt offen um Aufklärung bemüht zu sein, wird
verschwiegen, „gebunkert" und uminterpretiert. Selbst nach Aufklärung der Tat wurde diese
Verhaltensweise fortgesetzt. Der Direktor des Kunsthistorischen Museums beschuldigte die
ermittelnden Beamtinnen und Beamten, einen Deal mit dem Täter abgeschlossen zu haben.

Die Sachlage jedoch ist klar. Die mangelnde sicherheitstechnische Ausstattung hat den
Diebstahl zumindest erheblich erleichtert:

-  Das Baugerüst an der Außenwand - auf dem BK Wolfgang Schüssel plakatiert
wurde - war nicht bewacht oder alarmgesichert und wie der Täter beschreibt über eine
„Hendlstiege" (Krone, 29.01.2006) mit Geländer „bequem zu besteigen." (profil 5, 30.1.2006)

-  Die Fenster waren ebenfalls nicht alarmgesichert und sind es laut profil (profil 5, 30.1.2006)
bis heute teilweise nicht.

-  Die Videoanlage war abgeschaltet, wie immer in der Nacht.

-  Gegen die zahlreichen Fehlalarme wurde nichts unternommen, was eine Desensibilisierung
der Wachbeamten bewirkte.

-  Die Saliera-Vitrine, die vom Täter laut eigenen Angaben mit zwei Hieben zerstört wurde
(Krone, 29.1.2006), war aus Fensterglas und verfügte nicht über eine elektronische
Alarmsicherung. Ein Glassturz aus Sicherheitsglas war laut Auskunft des Ex-Chefs der
Kunstkammer, Manfred Leithe-Jasper, von Direktor Wilfried Seipel verweigert worden.
(Krone, 30.1.2006)

-  Vom ehemaligen Direktor des Kunsthistorischen Museums, Hermann Filitz, wurde generell
die Aufstellung der Saliera im Obergeschoß kritisiert, da dieses nur für Gemälde und nicht für
Skulpturen bestimmt sei. Zum Schutz der Bilder existiere dort eine Hängesicherung für
Bilder, Skulpturen brauchten aber eine ganz andere Sicherung. Allerdings beantwortete
dieser auch die Frage, welche Konsequenzen er aus einem derartigen Diebstahl gezogen
hätte, mit: „Dann wäre ich am nächsten Tag zurückgetreten." (Standard, 28./29.1.2006)

-  Die Begehung durch den Berufsdetektiv Robert Goliasch, der auch
Gerichtssachverständiger für das Bewachungsgewerbe ist, endete mit dem Urteil: „So
schlimm habe ich es mir nicht vorgestellt." Konkret kritisierte er unter anderem die
mangelnde Präsenz von Wachpersonal in den Schauräumen des Kunsthistorischen
Museums, was Vandalismus Tür und Tor öffnet. „Sicherheit wird hier nicht ernst genommen."
(Salzburger Nachrichten, 17.1.2006) Nachdenklich stimmt hier zusätzlich die Tatsache, dass
laut Medienberichten - mittlerweile bestätigt durch eine Aussendung des Kunsthistorischen


Museums - beim Sicherheitsdienst freie Mitarbeiter ohne sozialversicherungsrechtliche
Absicherung mit einem Stundensatz von 6,55 Euro geringfügig beschäftigt sind.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass weder die zuständige Ministerin noch Wilfried Seipel
bisher die Verantwortung für die Geschehnisse rund um die Saliera übernommen hat. Die
Sichtweise von Bundesministerin Elisabeth Gehrer: „Es ist bedauerlich, dass es trotz der auf
höchstem internationalen Standard befindlichen Sicherheitsstandards des KHM zu einem
solchen Diebstahl kommen konnte." „Auch das beste Sicherheitssystem kann durch
menschliches Versagen außer Kraft gesetzt werden." (profil 21,17.05.2004) ist durch die
Tatsachen widerlegt. Verständlich scheint das Resümee der Süddeutschen Zeitung, die
unter dem Titel: „Die berühmte ,Saliera' von Benvenuto Cellini ist nach drei Jahren fast
unversehrt aufgetaucht - skandalöser Leichtsinn hat ihren Raub ermöglicht" konstatierte:
„Kaum vorstellbar, dass woanders in Europa bei ähnlicher Sachlage Ministerin und
Museumsdirektor noch im Amt wären." (Süddeutsche Zeitung, 23.01.2006)

Die Versäumnis-Liste der Bundesministerin im Fall der Restitution der fünf Klimt-Gemälde
„Adele Bloch-Bauer
I", „Adele Bloch-Bauer II", „Apfelbaum", „Buchenwald/Birkenwald" und
„Häuser in Unterach am Attersee" an die Erben von Ferdinand Bloch-Bauer ist ebenso lang.
Der Schiedsspruch selbst und die Tatsache, dass die Bilder nun - endlich - an die
rechtmäßigen Erben zurückzugeben sind, steht dabei außer Diskussion. Wichtig scheint
jedoch die Frage nach der politischen Verantwortung für die Länge des Verfahrens und die
Tatsache, dass der Ruf Österreichs vor allem auch im Ausland durch die Art und Weise des
Umgangs mit den Erben erheblich gelitten hat. Die konkreten Versäumnisse:

-   Die Bundesministerin hat trotz von außen geäußerter Bedenken einzig auf die
Rechtsmeinung der Finanzprokuratur vertraut und es verabsäumt, rechtzeitig ein weiteres
Gutachten einzuholen.

-   Der Wunsch der Erben nach einer außergerichtlichen Einigung wurde von der
Bundesministerin immer abgelehnt. Ein Brief von Maria Altmann wurde nicht einmal
beantwortet.

-   Die Bundesministerin unternahm keine Vorbereitungen für den Tag nach dem
Schiedsspruch.

-   Die verbalen Äußerungen von Involvierten ließen eine dem Fall angemessene
Rücksichtnahme und Sensibilität vermissen. Die Art und Weise des Umgangs ist nicht dazu
angetan, den Ruf Österreichs zu verbessern und darzulegen, dass hier mit offenen Karten


und professionell an einer schnellen Lösung gearbeitet wird. Es entstand der Eindruck, dass
die Republik durch juristische Winkelzüge den Erben ihr Recht vorenthalten will.

- Nach dem Schiedsspruch verschlechterte die Bundesministerin durch ihre Art des
Umgangs mit dem Urteil die Chancen auf einen Verbleib der Bilder in Österreich.

Bisher ist nicht bekannt, welche konkreten Schritte die Bundesministerin unternommen hat,
mit wem und mit welchem Ziel über eine Finanzierung des Ankaufs verhandelt wird. Auch die
Frage, wie viele Bilder angekauft werden sollen, scheint bisher noch nicht geklärt. Sponsoren
haben sich angesichts der unsicheren Informationslage bisher nicht öffentlich gemeldet.
Auch die Diskussion rund um den Ankauf ist Ursache für Kritik: Anstatt sich schnell um eine
Lösung zu bemühen, wird über Verfahrensweisen diskutiert. Die Erben gehen inzwischen
nicht mehr davon aus, dass Österreich die Gemälde kaufen wird und sehen in dem
Verhalten der Bundesministerin eine Verzögerungstaktik. Das Fazit: Durch ihr unsensibles
und wenig vorausschauendes Verhalten hat die Bundesministerin eine einvernehmliche
Lösung verhindert und damit letztlich Österreich Schaden zugefügt. Insgesamt fügt sich der
Umgang der Bundesministerin in der Sache Bloch-Bauer in das bereits beschriebene
generelle Bild des Ministeriums, das vor allem in den letzten Jahren fast ausschließlich durch
Negativschlagzeilen aufgefallen ist, was Thomas Mayer im Standard (19.1.2006) zu
folgender Äußerung verleitete: „Schön langsam wird Elisabeth Gehrer Kult. Als Symbol für
schnoddrige Ignoranz."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.             Sind Sie trotz der von unterschiedlicher Seite geäußerten Kritik noch immer der Meinung,
dass sich die Sicherheitsanlage im Kunsthistorischen Museum zum Zeitpunkt des
Diebstahls der Saliera „auf höchstem internationalen Standard" befand?

2.             Sind Sie als zuständige Bundesministerin bereits vor dem Diebstahl vom Kuratorium
informiert worden, dass die Saliera unzureichend gesichert aufgestellt war (Vitrine: kein
Sicherheitsglas, kein elektronischer Objektschutz, Fenster nicht gesichert, generell
gefährdeter Ausstellungsort)? Wenn ja, welche Konsequenzen haben Sie daraus
gezogen? Wenn nein, warum wurden Sie nicht informiert? Ist Ihnen bekannt, dass
Direktor Seipel von anderen Bediensteten über die mangelhafte Sicherheitslage
informiert wurde?


3.              Ist Ihnen als zuständige Bundesministerin bekannt, dass ein großer Teil des
Wachpersonals des Kunsthistorischen Museums als freie DienstnehmerInnen beschäftigt
ist? Wie beurteilen Sie diese Tatsache aus rechtlicher Sicht? Wie beurteilen sie diese
Tatsache aus einem sicherheitstechnischen Blickwinkel? Welche Entlohnung erhalten
Ihrer Information nach diese freien DienstnehmerInnen? Ist Ihnen als zuständige
Bundesministerin bekannt, dass dieses Wachpersonal lediglich zwei Stunden für diese
verantwortungsvolle Tätigkeit ausgebildet wird?

4.      Ist Ihnen bekannt, dass Direktor Wilfried Seipel gegen die ethischen Richtlinien für
Museen des International Council of Museums (Punkt 8.4. - Verbot des Handels mit
Kulturgütern) verstoßen hat? Warum haben Sie keine Konsequenzen daraus gezogen?

5.              Wie beurteilen Sie als zuständige Bundesministerin die Aussage von Direktor Wilfried
Seipel, dass zwischen den ermittelnden BeamtInnen und dem Täter ein Deal
abgeschlossen worden sei? Wurde diese Argumentationslinie mit Ihnen respektive der
Eigentümervertretung im Kuratorium abgesprochen? Auf welchen Informationen beruht
diese Aussage?

6.              In welcher Höhe wurden seit Dienstantritt von Direktor Seipel mit dem Unternehmen
Artex Art Services GmbH Verträge abgeschlossen und wie hoch waren die Zahlungen an
die Gesellschaft aufgelistet nach Budgetjahren? Welche Leistungen standen diesen
gegenüber?

7.              Ist Ihnen als zuständige Bundesministerin bekannt, ob Staatssekretär Morak die für ihn
aus öffentlichen Geldern bezahlten Kosten für seine Geburtstagsfeier im
Kunsthistorischen Museum in der Höhe von 5736,88 Euro bereits refundiert hat? Wenn
nein, haben Sie als zuständige Bundesministerin bereits entsprechende Schritte zur
Rückforderung dieses fehlgeleiteten Steuergeldes gesetzt?

8.              Warum haben Sie sich betreffend eines Verbleibs der Klimt-Bilder nicht rechtzeitig um
eine Einigung mit den Erben von Ferdinand Bloch-Bauer bemüht? Warum haben Sie
insbesondere den Brief von Maria Altmann nicht beantwortet?

9.              Waren Sie als zuständige Ministerin über den Diebstahl des ägyptischen Totenbuchs,
das nun von der Polizei wiederbeschafft werden konnte, informiert? Ereigneten sich noch
andere Diebstähle seit dem Amtsantritt von Direktor Seipel? Wenn ja, wie viele waren es
und unter welchen Umständen passierten sie?


10.      Warum haben Sie keine effektiven Schritte zwischen 2000 und 2003 gesetzt, um einen
Absturz Österreichs beim PISA-Test zu verhindern?

11.      Warum haben Sie nichts getan, um das drohende EuGH-Urteil betreffend die Zulassung
ausländischer Studierender an den österreichischen Universitäten abzuwenden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu
behandeln.