3914/J XXII. GP
Eingelangt am 03.02.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und
Freunde
an die
Bundesministerin für Inneres
betreffend Tod des Yankuba Ceesay
Die
Staatsanwaltschaft Linz hat die Anzeige im Strafverfahren zurückgelegt. Die
Ergebnisse des Strafverfahrens bieten im
Zusammenhang mit den beiden
parlamentarischen Anfragen zu diesem Vorfall aus 2005 Anlass für weitere
Fragen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Aus
ihrer parlamentarischen Beantwortung vom 15.12.2005 zu Frage 24 und 25
ergibt sich, dass das Ergebnis der Laboranalyse krankhafte Blutwerte ergab. Der
Befund sei bedauerlicher Weise erst nach dem
Ableben von Herrn Ceesay
übermittelt worden.
1. Erachten Sie die Verbringung in Schubhaft ohne die
Laboranalyse am
04.10.2005 abzuwarten als sorgfaltsgemäß?
In den parlamentarischen Anfragen vom 19.10.2005 und
29.12.2005 haben sie
gleichlautende
Fragen, ob dem Yankuba Ceesay ein Formular zur Information über
gesundheitliche Folgen von Hungerstreik übergeben wurde mit Ja beantwortet.
Im Strafakt (AS 259) ist dazu folgendes festgehalten:" Infoblatt für
Hungerstreikende
wurde nicht vorgelegt..."
2. Wie erklären sie dies?
Die parlamentarische Beantwortung vom 15.12.2005 hat
zudem ergeben, dass
keinerlei
Dokumentation über den Inhalt eines angeblichen ärztlichen Gespräches im
Zusammenhang mit dem Beginn des
Hungerstreiks geführt wurde.
3. Sind sie der Auffassung, dass damit der
ärztlichen Aufklärungspflicht
und/oder Aufzeichnungspflicht entsprochen wurde?
Auf AS 61 findet sich u.a. folgende eine handschriftliche Mitteilung des
untersuchenden Arztes im AKH Linz:„Bei Verschlechterung des AZ
(Allgemeinzustandes) Zwangsernährung"
5. Wurde Zwangsernährung von Schubhäftlingen bereits vor in Kraft treten der
einschlägigen Bestimmungen des Fremdenpakets angeordnet und
durchgeführt?
Yankuba Ceesay wird übereinstimmend als ruhiger
Schubhäftling geschildert. Als
einziger
Zwischenfall ist die Untersuchung im AKH erwähnt, bei der er sich aggressiv
verhalten hat. Der
Sachverständige gibt als Grund für das außergewöhnlich
aggressive Verhalten im AKH an, dass die Beeinträchtigung bereits so weit
fortgeschritten war, dass es zum Zerfall von Blutzellen kam, was zu einem Art
delirischen Zustand führt. Aus Ihrer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom
15.12.2005 ergibt sich, dass Fremdgefährdung und Eigengefährdung angenommen
wurde. Die Aktenlage ergibt jedoch, dass sich Yankuba Ceesay nach Beendigung
der Untersuchung und Einsteigen in den Arrestantenwagen vollkommen ruhig
verhalten hat. Er hat sich nicht einmal verbal geäußert. Es ist nicht
ersichtlich,
woraus sich die Eigen- oder Fremdgefährdung ergeben hat.
6. Warum wurde er dennoch in die Sicherungszelle gebracht?
Sie haben immer wieder strukturelle Mängel beim Vollzug
der Schubhaft verneint.
Der Strafakt macht
deutlich, dass dem nicht so ist. Von Beginn an bis zum
Todeszeitpunkt wurde dem Yankuba Ceesay unterstellt, dass er ein sog. Simulant
sei, bzw. wurde sein Gesundheitszustand völlig unterschätzt und schlampig
überwacht. Besonders die folgenden - aus den
Niederschriften mit BeamtInnen
entnommenen Formulierungen - machen einen gleichgültigen bis ignoranten
Umgang mit Personen in Schubhaft sichtbar:
„Im
Arrestantenwagen nahmen wir ihm die Handschellen ab (bis dahin leistete er
Widerstand). A. u ich hoben ihn in den
Arrestantenwagen. Dies jedoch nicht
aufgrund einer vermeintlichen Schwäche des Mannes, sondern aus
dem Grund des
nunmehr wieder passiven Widerstandes. Nach Ankunft im PAZ haben wir ihn wieder
herausgehoben. Ceesay wollte nach unserer
Ansicht nicht gehen, weshalb wir ihn
links u recht angehoben haben...
Auch im Lift haben wir ihn festgehalten u sind in den 2
Stock gefahren.
Aufgrund des
von ihm bei der Untersuchung gesetzten Verhaltens haben wir ihn in
die Sicherungszelle gebracht. Wir haben den bei Bewusstsein befindlichen auf
die
Matte gelegt. Soweit ich mich erinnern kann, zeigte Ceesay keine Reaktion,
weder
verbal, noch gestikulierend. Er war jedoch
definitiv bei Bewusstsein, wir haben kein
Verhalten gesehen, welches Besorgnis erregend gewesen wäre.
Als wir ihn in der früh aus der Zelle
holten ließ er sich niedersacken, nämlich genau
so, dass er sich dadurch nicht verletzen konnte. H. und ich haben ihm
aufgeholfen.
Im Lift hat er sich angehalten und blieb aus eigener Kraft stehen.
Aus dem Krankenwagerl hat er sich (im AKH)
herausrutschen lassen. Er ist nicht
herausgefallen und aufgeschlagen, sondern er hat sich vielmehr vorsichtig
herausgleiten
lassen. Mir ist vorgekommen er macht das deshalb, damit er sich nicht
weh tut. Ceesay wollte auf dem Weg zur Ambulanz immer wieder aus dem Wager!
rutschen...
Der
Arzt untersuchte Ceesay und fragt ihn auf englisch welches Problem er hätte.
Ceesay äußerte sich überhaupt nicht und
reagierte auch sonst nicht. Er hatte die
Augen geschlossen. Ich hatte den Eindruck, dass Ceesay sich absichtlich so
verhalten hat und er sich dementsprechend verstellte. Einmal fiel
mir auf, dass
Ceesay kurz den Arzt angesehen hat. Als der
Arzt ihn ansah hat er sofort wieder die
Augen geschlossen und den Kopf hängen
lassen.
Gegen
11.00 brachten wir ihn in die Sicherungszelle. Wir legten ihn auf die blaue
Liegematte. Er reagierte eigentlich überhaupt nicht. Wir hatten weiter
keinen Anlass
zur Sorge um den Häftling.
Der Häftling wurde gestützt von 2 Personen zur
Untersuchung gebracht. Er hat
immer wieder
versucht, sich aus dem Sessel gleiten zu lassen. Ich hatte den
Eindruck, dass er sich unkooperativ verhalten hat und simuliert.
Ich
Habe die Sicherungszelle alle 15 - 30 Minuten kontrolliert. Gegen 12.30 habe
ich
wieder bei Ceesay nachgesehen, wobei er beim
Öffnen der Durchreiche den Kopf
gehoben hat. Nachdem Ceesay sich sonst nicht äußerte oder artikulierte, dass er
einen Bedarf, welcher Art auch immer habe, bin ich auf das
Stationszimmer
gegangen und habe administrative Tätigkeiten vorgenommen".
(Als
Todeszeitpunkt wurde vom Notarzt 12.30 geschätzt)
7. Wie beabsichtigen Sie dem gegenzusteuern?
In
Ihrer Anfragebeantwortung vom 15.12.2005 haben Sie bestätigt, dass es keine
psychologische oder psychotherapeutische
Betreuung für Schubhäftlinge gibt. Das
hat sich besonders deutlich im Verfahren beim Landesgericht für Strafsachen
Wien
gezeigt, indem die Richterin in der Urteilsbegründung laut Standard vom
31. 01.
2005 die politisch Verantwortlichen als eigentlich schuldig am Tod eines
Schubhäftlings bezeichnete, da notwendige psychologische Betreuung nicht
vorgesehen ist.
8. Sind Sie immer noch der Auffassung, dass es im
derzeitige Konzept der
Schubhaftbetreuung keine psychologische Betreuung braucht?
Laut
Gutachten Dr. Hable ist Sichelzellenanämie als häufiger zu erwartende
Anomalie bei Schwarzafrikanerlnnen gegeben. Er schlug vor, den ärztlichen
Dienst
darüber zu informieren, zumal Hungerstreiks bei Schubhäftlingen immer wieder
vorkommen.
9. Sind alle ärztlichen Dienste der PAZ in Kenntnis darüber?
10. Wenn ja, wann und auf welchem Weg erfolgte die Information?
Am 13.02.2006/14. 02.2006 werden beim UVS Linz und Wien
die vom
Rechtsvertreter
eingebrachten Beschwerden
(Schubhaftbeschwerde/Maßnahmenbeschwerde) verhandelt. Dabei hat der
Rechtsanwalt die
Einvernahme des Henry C. als Zeugen beantragt. Henry C. sitzt
derzeit im PAZ Salzburg in Schubhaft und
ist von der Abschiebung bedroht. Er kann
wesentliche - über seine
Niederschrift hinausgehende - Angaben zum Sachverhalt
machen und sich den Fragen des
Parteienvertreters stellen. Es ist beabsichtigt, dem
Antrag des Rechtsanwaltes auf Einvernahme stattzugeben.
11. Wie stellen sie sicher, dass Herr C. seiner
Zeugenpflicht nachkommen
kann, also bis zu den Verhandlungsterminen nicht abgeschoben wird?