3956/J XXII. GP

Eingelangt am 15.02.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Säumigkeit der Bundesregierung bei der Kundmachung von Erkenntnissen des VfGH

 

 

Nach der Bundesverfassung, Artikel 140, Absatz 5, ist der Bundeskanzler verpflichtet, ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem ein Bundesgesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, unverzüglich kundzumachen.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinen Tätigkeitsberichten 2003 und 2004 darauf hingewiesen, dass in mehreren Fällen die Bundesregierung bzw. Sie als Bundeskanzler bei der Verpflichtung zur unverzüglichen Kundmachung säumig waren und die Kundmachung in einigen Fällen sogar erst Monate nach der Zustellung des Erkenntnisses erfolgt ist, was dem VfGH als „überaus bedenklich“ erschien:

„Eine solche Vorgehensweise, die die Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens in extremer Weise benachteiligt, kann unter Umständen zu schwierigen Haftungsfragen führen und auch Amtshaftungsanspruche auslösen.“

Da in letzter Zeit vor allem vom Kärntner Landeshauptmann die Ansicht vertreten wurde, dass Erkenntnisse des VfGH ignoriert bzw. umgangen werden können, wäre es umso wichtiger, dass die Bundesregierung bzw. Sie als Bundeskanzler für eine lückenlose und unverzügliche Umsetzung der verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen des Artikel 140 sorgen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1). Der VfGH hat in seinem Tätigkeitsbericht 2003 exemplarisch einige Fälle besonderer Säumigkeit der Bundesregierung bzw. des Bundeskanzlers bei der Kundmachung von Erkenntnissen des VfGH betreffend die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen hervorgehoben.

a)     In welchen und wie vielen Fällen waren Sie bzw. die Bundesregierung im Jahr 2003 dazu verpflichtet, ein als verfassungswidrig erkanntes Bundesgesetz kundzumachen?

b)     In welchen und wie vielen Fällen waren Sie bzw. die Bundesregierung im Jahr 2004 dazu verpflichtet, ein als verfassungswidrig erkanntes Bundesgesetz kundzumachen?

c)      In welchen und wie vielen Fällen waren Sie bzw. die Bundesregierung im Jahr 2005 dazu verpflichtet, ein als verfassungswidrig erkanntes Bundesgesetz kundzumachen?

 

2). Welche Zeitspannen sind bei den in Frage 1 formulierten Fällen jeweils zwischen der Zustellung des Erkenntnisses und der Kundmachung des Spruchs des VfGH vergangen?

 

3). In welchen der in Frage 1 formulierten Fälle wurden Sie bzw. das jeweils zuständige Ressort vom VfGH schriftlich gemahnt, für eine unverzügliche Kundmachung zu sorgen?

 

4). In welcher Zeitspanne nach der schriftlichen Aufforderung durch den VfGH wurde in den Fällen der Frage 3 jeweils die Sprüche des VfGH kundgemacht?

 

5). War  die Kritik des VfGH an der Säumigkeit der Bundesregierung bei der Kundmachung von Erkenntnissen in den genannten Jahren jemals Gegenstand einer Ministerratsbesprechung oder von Besprechungen mit einzelnen Ressortverantwortlichen?

a)     Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

b)     Wenn nein, warum nicht?

 

6). Welche Frist nach der Zustellung eines Erkenntnisses des VfGH betr. die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes ist nach Ihrer bzw. Ansicht des Verfassungsdienstes ausreichend, um dem Gebot einer unverzüglichen Kundmachung zu entsprechen?