Eingelangt am 16.02.2006
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr
Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Tempo 160
Der Öffentlichkeit
gegenüber erklärten Sie, neben dem Projekt auf der A10 in Kärnten weitere
Teststrecken für Tempo 160 einrichten zu wollen. Sie schlagen damit aus
populistischem Profilierungsstreben die einhellige Meinung aller Experten in
den Wind (mit Ausnahme des von Ihnen bezahlten) und setzen sich auf
unverantwortliche Weise über die Grunderfordernisse der von Ihnen stets so
wortreich beschworenen Verkehrssicherheit hinweg.
Renommierte Experten der
Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr analysierten die Auswirkung der
Erhöhung des Tempo-Limits.
Laut Univ. Prof. Dr. Gerd Sammer steht 5,2
Sekunden Fahrzeitgewinn pro Kilometer (80 Euro Nutzen für die Volkswirtschaft)
ein Aufwand von 5 Mio Euro für die Section-Control, Wetterwarte und
Verkehrsbeeinflussungsanlage gegenüber. Die Feinstaubbelastung erhöht sich um
40 Prozent, der Lärmpegel um 80 Prozent!
Univ. Prof. Ralf Risser befürchtet eine
generell zunehmende Neigung, schneller zu fahren, speziell auch auf den
Anschlußstellen und den anschließenden ehemaligen Bundesstraßen B. Dies münde
in einen negativen Lerneffekt, der generell auf Autobahnen und darüber hinaus
zu erhöhtem Tempo und Unterschätzung der Folgen führe. Damit können die Ziele
des nationalen Verkehrssicherheitsprogramms nicht erreicht werden.
Volkswirtschaftlich sei die ideale
Geschwindigkeit 110 km/h. Ihnen, als stets sich der Wirtschaftsnähe rühmender
Minister, sollte diese Argumentation durchaus rational zugänglich sein.
Ihre Strategie ist jedoch, den - im
offensichtlichen Versagen der Regierung im Bereich Bewusstseinsbildung und
Kontrolldichte begründeten - Missstand, dass bereits heute ein großer Teil der
AutobahnbenutzerInnen sich nicht an geltende Limits hält, zu legalisieren und
dabei die für Umwelt und Menschenleben tragischen „Nebenwirkungen“ derart hoher
Geschwindigkeiten zu verharmlosen. Nichts anderes ist es, wenn Sie suggerieren,
dass legalisiertes Rasen mit 160 in Sachen Umwelt und Sicherheit keinen oder
sogar einen positiven Unterschied zu illegalem Rasen mit 160 macht. Sie als
Minister, der seinem Amtseid gemäß für die Einhaltung der geltenden Gesetze zu
sorgen hat, machen damit das Legalisieren gesetzwidrigen, für Dritte wie für
die Volkswirtschaft nachteiligen Verhaltens zum Inhalt Ihrer Arbeit. Ebenso
„logisch“ wäre es, wenn Sie das ebenfalls verbreitet übliche Fahren in
alkoholisiertem oder anderweitig beeinträchtigtem Zustand, das Handybenutzen am
Steuer oder das Überschreiten von Tonnagelimits oder Lenk- und Ruhezeiten im
Lkw-Verkehr legalisieren und dazu noch behaupten würden, diese
„Flexibilisierung“ diene der Verkehrssicherheit.
Im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit auf
Rationalität zu hoffen, scheint aber generell verfehlt. So lässt die Erklärung
Ihres Kabinetts, dass bei 160 km/h mehr Treibstoff verbraucht, aber weniger
Schadstoffe ausgestoßen würden (Kurier, 3.2.06), starke Zweifel an einer
zumindest ansatzweise zu vermutenden Rationalität in Ihrer Arbeit aufkommen.
Denn dies stellt – insbesondere im Vergleich zu Tempo 130 oder gar 110 - eine
Absurdität dar, die alle Gesetze der Naturwissenschaft negiert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Auf Grund welcher chemisch-mathematischen
Formel oder Fachexpertise kommen Sie zu der Erkenntnis, dass im realen
Fahrbetrieb mit Pkw „mehr Treibstoff bei 160 verbraucht wird. Aber der
Schadstoffausstoß geringer wird“?
- Welche internationalen Erfahrungen gibt es mit einer
verordneten Tempoerhöhung um mehr als 20% auf Autobahnen?
- Gibt es ein Gesamtkonzept für die Maßnahme "Tempo-160"
mit Kosten-Nutzen-Analyse, Auswirkungen, Zeitplan und Zielen?
- Wird es eine Verordnungs-Begutachtung geben, wenn nein warum
nicht?
- Denken Sie daran, das LKW-Tempolimit auf der Teststrecke
hinaufzusetzen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
- Werden weitere Tests vorgenommen / werden weitere Teststrecken
verordnet oder wird bereits nach dem Verlauf des ersten Tests an
manchen Strecken generell per Verordnung 160 ermöglicht?
- Welche konkreten weiteren Teststrecken wurden bereits im
Gutachten von Prof. Pfleger für tauglich befunden? Wie lautet die
Bewertung für diese Strecken im einzelnen?
- Welche konkreten weiteren Teststrecken wurden bereits im
Gutachten von Prof. Pfleger für nicht tauglich befunden? Wie lautet die
Bewertung und Begründung für diese Strecken im einzelnen?
- Warum machen Sie das von Ihnen bestellte Gutachten von Prof.
Pfleger nicht öffentlich zugänglich, so wie es mit mehreren
Tempo-160-kritischen Untersuchungen selbstverständlich geschehen ist?
- Mit welchen Methoden wird der Tempo-160-Test evaluiert?
- Werden unabhängige Forschungseinrichtungen in die
Testevaluation einbezogen? Wenn ja - welche, wann und zu welchen Themen,
wenn nein - warum nicht?
- Wird das Testergebnis samt Auswertung veröffentlicht? Wenn
nein, warum nicht?
- Wird es für den Fall, dass der Test misslingt und Verletzte
oder gar Tote zu beklagen sind, Leistungen der Republik an die Opfer
geben? Wenn ja, wo ist dafür budgetär Vorsorge getroffen, wenn nein, warum
nicht?
- Werden Sie als persönlicher Urheber und Betreiber des Tests für
den Fall, dass der Test misslingt und Verletzte oder gar Tote zu beklagen
sind, zu Leistungen an die Opfer beitragen, wenn nein, warum nicht?
- Wie beurteilen Sie die allfällige, von Unternehmen der
Versicherungsbranche bereits in den Raum gestellten Erhöhung der
Haftpflichtversicherungsprämien angesichts der Tempoerhöhung auf 160?
- Wodurch ist das Funktionieren aller elektronischen Messungen
und Anzeigen gewährleistet?
- Erfolgt die Entscheidung. 160 zu gestatten, durch
Einzelpersonen oder durch automatisierte Programme?
- Wie lautet die Stellungnahme des BKA-Verfassungsdienstes zur
Erlassung der geplanten Verordnung?
- Werden Sie das Fahren in
alkoholisiertem oder anderweitig beeinträchtigtem Zustand, das ebenso wie
das Fahren mit Geschwindigkeiten über den derzeit zulässigen Tempolimits
eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist, im Wege einer
„Flexibilisierung“ legalisieren? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?
- Werden Sie das Handybenutzen am Steuer,
das ebenso wie das Fahren mit Geschwindigkeiten über den derzeit
zulässigen Tempolimits eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist im
Wege einer „Flexibilisierung“ legalisieren? Wenn ja, wann, wenn nein,
warum nicht?
- Werden Sie das Überschreiten von
Tonnagelimits im Lkw-Verkehr, das ebenso wie das Fahren mit
Geschwindigkeiten über den derzeit zulässigen Tempolimits eine
Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist, im Wege einer
„Flexibilisierung“ legalisieren? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?
- Werden Sie das Überschreiten von Lenk-
und Ruhezeiten im Lkw-Verkehr, das ebenso wie das Fahren mit
Geschwindigkeiten über den derzeit zulässigen Tempolimits eine
Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist, im Wege einer
„Flexibilisierung“ legalisieren? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?
- Wäre eine Flexibilisierung unterhalb
der Grenze von 130 km/h bei gleicher Kontrollintensität für die
Verkehrssicherheit vorteilhafter als eine Flexibilisierung samt Anhebung
der Grenze auf 160 km/h? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? Welche
Unterlagen liegen Ihnen zu diesem Vergleich im einzelnen vor und was ist
ihr Inhalt?