Parlamentarische Materialien

4050/J XXII. GP

Eingelangt am 10.03.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Vorgangsweise bei Postenbesetzung in den ÖBB und
Strukturverbesserungen

Die ÖBB wurden von einem Gesamtsystem in eine Holding mit zahlreichen AGs und
GmbHs zerlegt. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Aufsichtsräte und Vorstände
erheblich, nicht zu Ungunsten von SympathisantInnen der Regierungsparteien, der
Koordinierungsbedarf wuchs ebenso an wie die Schnittstellenproblematik zunahm.
Besonders nachteilig auf das Gesamtsystem Bahn wirkt sich die Trennung von
Infrastruktur-Bau und -Betrieb aus.

Aus der Aufsplitterung ergaben sich außerdem Steuerungsprobleme für die Holding,
die nun zu einer personellen Verknüpfung von Holding und Vorständen durch
Entsendung von Finanzvorstand Erich Söllinger in den Vorstand von ÖBB
Personenverkehrs AG und RailCargo AG führte.

Infolge des tragischen Ablebens eines Vorstands der Infrastruktur Bau AG, Thomas
Türinger, erfolgte eine Nachbesetzung durch den Vorstand der Infrastruktur Betrieb
AG, DI Dr. Alfred Zimmermann. Das Vorstandsmandat in der Infrastruktur Betrieb
AG wurde dabei ohne einschlägige Beschlüsse des dafür zuständigen Aufsichtsrats
ausgeschrieben. Die Zuständigkeiten im Vorstand der Infrastruktur Bau AG wurden
bei dieser Gelegenheit zulasten Ihnen politisch nahestehender Personen neu verteilt,
die Durchgriffsmöglichkeiten der Holding-Spitze damit optimiert. Auch die
Ausschreibung der Vorstandsposten für den Güterverkehr erfolgte ohne
Aufsichtsratsbeschluss. Dies wurde nun bzw. wird dieser Tage nachgeholt.

Neben dieser voreiligen, aktienrechtlich fragwürdigen und gegen das
Stellenbesetzungsgesetz verstoßenden Vorgangsweise mutet auch der Text der
Ausschreibung für den Vorstandsposten der Infrastruktur Betriebs AG äußerst
befremdend an: Für eine Führungsfunktion einer AG, deren Aufgabenbereich an der
Grenze der Republik Österreich endet, ist eine „Ostsprache erwünscht", wohingegen
bei den anderen Vorstandsposten-Ausschreibungen mit Deutsch und Englisch das
Auslangen gefunden wird. Wenn ein ÖBB-Betrieb Ostsprachen-Kenntnisse erfordert,
dann wäre dies beim Personenverkehr, der BauAG oder der RailCargo aufgrund von
Expansionsbestrebungen u. dgl. sinnvoll. Beim Ostsprachen-Kriterium für den
Vorstand der Betriebs-AG handelt es sich jedoch um ein Erfordernis, das
maßgeschneidert auf den ehemaligen Kabinetts- und Sektionschef Arnold Schiefer
in Ihrem Ministerium zutrifft. Er soll jahrelang auf Kosten der SteuerzahlerInnen
Russisch gelernt haben. In der Zwischenzeit fungierte er in führenden Positionen
beim Projekt Zentralbahnhof und in der Brenner Eisenbahn-Gesellschaft.

Insgesamt ergibt sich durch dieses Postenkarussell in den ÖBB ein mediales Bild
der „Umfärbung" in Richtung verstärkten Einflusses der Regierungsparteien,
insbesondere der größeren Regierungspartei.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Aus welchem Grund führen Sie anlässlich der Neubesetzung von
Vorstandsposten in den ÖBB nicht wieder Infrastruktur Bau und Infrastruktur
Betrieb zusammen?

2. Werden wenigstens die Abteilung Bahnbau und die rund 5000 Bauarbeiter in
die Infrastruktur Bau AG transferiert?

3. Warum aber wurden bei dieser Gelegenheit die Kompetenzen im Vorstand
der Infrastruktur Bau AG neu aufgeteilt?

4. Welche sachlichen - also: nicht parteipolitischen - Vorteile sind damit
verbunden, dass durch diese Neuaufteilung wesentliche Geschäftsfelder wie
Beteiligungen (incl. Immobilien) und BEG in den politischen Einflussbereich
Ihres Regierungspartners wandern?

5. Können Sie bestätigen, dass der Vorstandssprecher der ÖBB-Holding sich
trotz der Vielzahl verantwortungsvoller Aufgaben bislang noch für jede
Aufsichtsratssitzung der ÖBB-lmmobilien-GmbH Zeit nehmen konnte?

6. Nimmt der Vorstandssprecher der ÖBB-Holding auch an den
Aufsichtsratssitzungen aller anderer ÖBB-Gesellschaften lückenlos teil, oder
sind die Immobilien zum überragenden Aufgabenfeld geworden?

7. Warum muss Türingers Nachfolger keine entsprechenden Kenntnisse in
Planung & Engineering (P&E) haben, wie sie der langjährige P&E-Chef hatte
und sie für den Bahnbau dringend notwendig bzw. von Vorteil sind?

8. Warum wurden nicht zuerst - wie nach dem Stellenbesetzungsgesetz
vorgesehen - die Aufsichtsräte zur Beschlussfassung der Ausschreibung zur
Besetzung vakanter Führungsposten herangezogen?

9. Aus welchem Grund wurde ausgerechnet eine Ostsprache bei der
Ausschreibung für den Vorstandsposten der Infrastruktur Betriebs AG als
erwünscht angesetzt? Warum nicht Italienisch oder französisch? Die Betrieb
AG muss doch für auch für westliche Bahnbetreiber (sie sind auf Österreichs
Schienennetz eindeutig in der Mehrzahl) einen diskriminierungsfreien Zugang
sicherstellen.

10. Welcher Ostsprache geben Sie dabei den Vorzug? Tschechisch, Slowakisch,
Ungarisch, Slowenisch, Polnisch - oder Russisch? Letzteres wäre insofern
problematisch, als Russisch bei vielen Bürgern ehemaliger Ost-Blockländer
Ressentiments oder gar Ablehnung hervorruft. Diese bevorzugen meist
Englisch und sprechen selbiges auch gut. Wozu also Russisch, wenn nicht
einmal die slowakische Bahn gekauft - und in der Folge infrastrukturell
betrieben - werden soll, sondern nur deren Güterverkehrssparte?

11. Aus welchem Grund spielt die Kenntnis einer Ostsprache bei den anderen
Ausschreibungen keine Rolle, insbesondere bei der Rail Cargo Austria, die
konkret zunächst den Güterverkehr der Slowakischen Bahn kaufen soll und in
Zukunft allenfalls weitere Eisenbahngesellschaften?