Eingelangt am 10.03.2006
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Anfrage
der Abgeordneten Dr
Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend ÖBB-Finanzen
Verschiedene Äußerungen im
Zusammenhang mit der finanziellen Absicherung der ÖBB sowie zusätzlichem
Zuschussbedarf ab 2007 oder 2011 haben Widersprüchlichkeiten und
Unvollständigkeiten zutage treten lassen. Zwar wurde mittlerweile die
Unternehmens-Öffentlichkeitsarbeit unmittelbar bei der Holding-Spitze
zentralisiert und auch sonst die Re-Zentralisierung im ÖBB-Konzern
vorangetrieben, was Aussagen vom „In Ruhe arbeiten der operativen
Gesellschaften“ als angeblich oberstem Holding-Ziel nicht gerade unterstützt.
Die Harmonisierung der budgetrelevanten Entwicklungen und Aussagen scheint jedoch
nach wie vor selbst innerhalb der Holding-Spitze nicht gelungen. An der zB von
der Holding-Spitze jüngst in „News“ behaupteten „klaren ... Finanzierungsbasis“
mit dem Staat sind so – nicht zuletzt aufgrund anderer Aussagen der
Holdingspitze selbst – Zweifel entstanden.
Diese aufzuklären ist nötig, sowohl im
Interesse der Steuerzahler als auch im Interesse der vielen tausend engagierten
MitarbeiterInnen der ÖBB, die es nicht verdient haben, wegen der von Regierung
und ÖBB-Spitze zu verantwortenden finanziellen und postenmäßigen Unklarheiten
ständig in Misskredit zu gelangen. Es wäre sogar fahrlässig, würde in dieser
Situation „die Politik“ – konkret die Legislative - „das Unternehmen in Ruhe
arbeiten“ lassen, wie von Holding-Chef Martin Huber gefordert. Es sind jedoch
offene Fragen im Zusammenhang mit beträchtlichen öffentlichen Geldern auf dem
Tisch, auch geht es um das Ausleuchten parteipolitisch motivierter
Entwicklungen im ÖBB-Management sowie um investive Schwerpunktsetzung zugunsten
eines großen Konkurrenten im europäischen Bahnmarkt, die leider nur einer
kleinen Kundengruppe unmittelbar nützt. Daher muss die Legislative im Interesse
der SteuerzahlerInnen und der „normalen“ ÖBB-KundInnen abseits der Luxuszüge
ihrem Kontrollauftrag gegenüber der Exekutive, die diese Unklarheiten zusammen
mit der ÖBB-Spitze zu verantworten hat, geradezu mit besonderem Nachdruck
nachkommen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Wie stehen Sie zur Forderung von ÖBB-Holding-Sprecher Martin
Huber, wonach die Infrastruktur Bau AG zur Bewältigung des Bauvolumens
eine jährliche Aufstockung des Eigenkapitals in der Höhe von 70 Mio Euro
benötigt, da sonst die Eigenkapitalquote von derzeit knapp 50 Prozent
unter 8 Prozent sinken würde?
- Welche Schritte unternehmen Sie in dieser Hinsicht?
- Wann wurden Sie in dieser Hinsicht beim Finanzminister
vorstellig, und mit welchem Ergebnis?
- Ist es zutreffend, dass mit einem Abschmelzen des Eigenkapitals
im in Frage 1 umrissenen Ausmaß gravierende Maastricht-Probleme für den
Bund unausweichlich wären, falls keine Zuschüsse/Eigenkapitalaufstockungen
erfolgen?
- Haben Sie vor diesem Hintergrund die alternativ zu zusätzlichen
öffentlichen Zuschüssen möglichen Lösungen – verstärkte Querfinanzierung
von der Straße zur Schiene, Reduktion der Neubauvolumina der Schiene –
geprüft, a) wenn ja, in welcher Form und mit welchen konkreten
Ergebnissen, b) wenn nein, warum nicht?
- Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat
entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung
von der Prämisse ausgeht, dass die Zuschüsse für den Neubau (§43 ÖBB-Gesetz) im Jahr 2007: 200 Millionen Euro
betragen, 2008: 400 Mio. Euro, 2009: 600 Mio. Euro, 2010 und 2011 je 800 Mio. Euro betragen?
- Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
- Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur
Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
- Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat
entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung
von der Prämisse ausgeht, dass die Bundeszuschüsse für
gemeinwirtschaftliche Leistungen von 2007 auf 2011 um fast 20% angehoben
werden (von 471 auf 550 Mio beim PV, von 94 auf 99 Mio beim GV)?
- Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
- Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur
Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
- Sind die von der ÖBB bereits fix einkalkulierten zusätzlichen
Zuschüsse mit dem Herrn BM für Finanzen akkordiert?
- Falls diese Zuschüsse (noch) nicht akkordiert sind – wie werden
Sie konkret weiter vorgehen?
- Wodurch ist gesetzlich gedeckt, wenn Sie und der BM für
Finanzen bzw. Ihre Vertreter a) mehrjährigen Infrastrukturrahmenplänen
zustimmen bzw. b) mehrjährige Geschäftspläne unterstützen, die auf der
Einrechnung zusätzlicher, bislang weder gesicherter noch gesetzlich
gedeckter Zuschüsse beruhen?
- Wie wird sichergestellt, dass Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen
der Betrieb AG zeitgerecht stattfinden – was derzeit nicht der Fall
ist, wofür die unverhältnismäßig große und seit der ÖBB-Strukturreform
stark zunehmende Zahl an „Langsamfahrstellen“ im Schienennetz ein Indiz
ist?
- Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von
Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen durch die komplexe Zuordnung
der einzelnen Maßnahmen – Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahme? - sowie
die komplexen Abstimmungsvorgänge zwischen den von Ihnen und Ihren
Regierungskollegen mutwillig getrennten Gesellschaften Infrastruktur Bau
AG und Infrastruktur Betrieb AG bedingt?
- Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von
Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen Folge dessen, dass der nach §
42 ÖBB-Gesetz veranschlagte Beitrag für Erhaltung und Betrieb für die
anstehenden Projekte nicht ausreicht und daher Maßnahmen aufgeschoben
werden, bis sie zu Neubauprojekten nach § 43 werden?
- Welche Laufzeit hat der geltende Vertrag zwischen
ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in
dem der jährliche Beitrag des Bundes zu Erhaltung und Betrieb des
ÖBB-Schienennetzes fixiert ist, und wann wurde er abgeschlossen?
- Gibt es einen Sechsjahresvertrag zwischen ÖBB-Infrastruktur
Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in dem „die jährliche
Höhe des Zuschusses für die Vertragsdauer“ fixiert ist? Wenn ja, wie
lautet die darin festgelegte Zuschusshöhe für jedes der sechs Jahre? Wenn
nicht, warum gibt es einen derartigen Vertrag nicht, und wer ist dafür
verantwortlich?
- Können Sie bestätigen, dass Einjahres- statt
Sechsjahresverträgen Vorteile wie Aufschub des Offenbarungseides
hinsichtlich der drohenden Maastricht-Probleme, Verschleiern der ungleich
größeren und früher schlagend werdenden Finanzierungsprobleme der
Infrastruktur Betriebs AG sowie Verschleiern des zur Ausfinanzierung
tatsächlich nötigen IBE-Anstiegs haben? Wenn nein, warum nicht?
- In welcher Höhe soll in Zukunft für Verbesserungen im
Nahverkehr zu Gunsten der PendlerInnen investiert werden – angesichts der
Tatsache, dass das Wagenmaterial des Fernverkehrs mit einer Investition
von über 300 Mio. Euro verbessert wird?
- Wie wird sicher gestellt, dass die Deutsche Bahn ihren
Eigenbedarf an ICE-Zügen nicht billiger einkauft, als dies ÖBB und DB in
ihrem in Gründung befindlichen gemeinsamen ICE-Pool möglich ist?
- Wie ist das Mitspracherecht der ÖBB im ICE-Pool gesichert, wenn
die Deutsche Bahn zusätzliche ICE-Garnituren in diesen Pool einbringt?
Muss die ÖBB dann nachschießen oder verwässert sich ihr Anteil automatisch
auf einen Minderheitsanteil?