4051/J XXII. GP

Eingelangt am 10.03.2006
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Anfrage

 

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend ÖBB-Finanzen

 

 

Verschiedene Äußerungen im Zusammenhang mit der finanziellen Absicherung der ÖBB sowie zusätzlichem Zuschussbedarf ab 2007 oder 2011 haben Widersprüchlichkeiten und Unvollständigkeiten zutage treten lassen. Zwar wurde mittlerweile die Unternehmens-Öffentlichkeitsarbeit unmittelbar bei der Holding-Spitze zentralisiert und auch sonst die Re-Zentralisierung im ÖBB-Konzern vorangetrieben, was Aussagen vom „In Ruhe arbeiten der operativen Gesellschaften“ als angeblich oberstem Holding-Ziel nicht gerade unterstützt. Die Harmonisierung der budgetrelevanten Entwicklungen und Aussagen scheint jedoch nach wie vor selbst innerhalb der Holding-Spitze nicht gelungen. An der zB von der Holding-Spitze jüngst in „News“ behaupteten „klaren ... Finanzierungsbasis“ mit dem Staat sind so – nicht zuletzt aufgrund anderer Aussagen der Holdingspitze selbst – Zweifel entstanden.

 

Diese aufzuklären ist nötig, sowohl im Interesse der Steuerzahler als auch im Interesse der vielen tausend engagierten MitarbeiterInnen der ÖBB, die es nicht verdient haben, wegen der von Regierung und ÖBB-Spitze zu verantwortenden finanziellen und postenmäßigen Unklarheiten ständig in Misskredit zu gelangen. Es wäre sogar fahrlässig, würde in dieser Situation „die Politik“ – konkret die Legislative - „das Unternehmen in Ruhe arbeiten“ lassen, wie von Holding-Chef Martin Huber gefordert. Es sind jedoch offene Fragen im Zusammenhang mit beträchtlichen öffentlichen Geldern auf dem Tisch, auch geht es um das Ausleuchten parteipolitisch motivierter Entwicklungen im ÖBB-Management sowie um investive Schwerpunktsetzung zugunsten eines großen Konkurrenten im europäischen Bahnmarkt, die leider nur einer kleinen Kundengruppe unmittelbar nützt. Daher muss die Legislative im Interesse der SteuerzahlerInnen und der „normalen“ ÖBB-KundInnen abseits der Luxuszüge ihrem Kontrollauftrag gegenüber der Exekutive, die diese Unklarheiten zusammen mit der ÖBB-Spitze zu verantworten hat, geradezu mit besonderem Nachdruck nachkommen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

  1. Wie stehen Sie zur Forderung von ÖBB-Holding-Sprecher Martin Huber, wonach die Infrastruktur Bau AG zur Bewältigung des Bauvolumens eine jährliche Aufstockung des Eigenkapitals in der Höhe von 70 Mio Euro benötigt, da sonst die Eigenkapitalquote von derzeit knapp 50 Prozent unter 8 Prozent sinken würde?
  2. Welche Schritte unternehmen Sie in dieser Hinsicht?
  3. Wann wurden Sie in dieser Hinsicht beim Finanzminister vorstellig, und mit welchem Ergebnis?
  4. Ist es zutreffend, dass mit einem Abschmelzen des Eigenkapitals im in Frage 1 umrissenen Ausmaß gravierende Maastricht-Probleme für den Bund unausweichlich wären, falls keine Zuschüsse/Eigenkapitalaufstockungen erfolgen?
  5. Haben Sie vor diesem Hintergrund die alternativ zu zusätzlichen öffentlichen Zuschüssen möglichen Lösungen – verstärkte Querfinanzierung von der Straße zur Schiene, Reduktion der Neubauvolumina der Schiene – geprüft, a) wenn ja, in welcher Form und mit welchen konkreten Ergebnissen, b) wenn nein, warum nicht?
  6. Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung von der Prämisse ausgeht, dass die Zuschüsse für den Neubau (§43 ÖBB-Gesetz) im Jahr 2007: 200 Millionen Euro betragen, 2008: 400 Mio. Euro, 2009: 600 Mio. Euro, 2010 und 2011 je 800 Mio. Euro betragen?
  7. Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
  8. Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
  9. Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung von der Prämisse ausgeht, dass die Bundeszuschüsse für gemeinwirtschaftliche Leistungen von 2007 auf 2011 um fast 20% angehoben werden (von 471 auf 550 Mio beim PV, von 94 auf 99 Mio beim GV)?
  10. Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
  11. Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
  12. Sind die von der ÖBB bereits fix einkalkulierten zusätzlichen Zuschüsse mit dem Herrn BM für Finanzen akkordiert?
  13. Falls diese Zuschüsse (noch) nicht akkordiert sind – wie werden Sie konkret weiter vorgehen?
  14. Wodurch ist gesetzlich gedeckt, wenn Sie und der BM für Finanzen bzw. Ihre Vertreter a) mehrjährigen Infrastrukturrahmenplänen zustimmen bzw. b) mehrjährige Geschäftspläne unterstützen, die auf der Einrechnung zusätzlicher, bislang weder gesicherter noch gesetzlich gedeckter Zuschüsse beruhen?
  15. Wie wird sichergestellt, dass Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen der Betrieb AG zeitgerecht stattfinden – was derzeit nicht der Fall ist, wofür die unverhältnismäßig große und seit der ÖBB-Strukturreform stark zunehmende Zahl an „Langsamfahrstellen“ im Schienennetz ein Indiz ist?
  16. Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen durch die komplexe Zuordnung der einzelnen Maßnahmen – Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahme? - sowie die komplexen Abstimmungsvorgänge zwischen den von Ihnen und Ihren Regierungskollegen mutwillig getrennten Gesellschaften Infrastruktur Bau AG und Infrastruktur Betrieb AG bedingt?
  17. Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen Folge dessen, dass der nach § 42 ÖBB-Gesetz veranschlagte Beitrag für Erhaltung und Betrieb für die anstehenden Projekte nicht ausreicht und daher Maßnahmen aufgeschoben werden, bis sie zu Neubauprojekten nach § 43 werden?
  18. Welche Laufzeit hat der geltende Vertrag zwischen ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in dem der jährliche Beitrag des Bundes zu Erhaltung und Betrieb des ÖBB-Schienennetzes fixiert ist, und wann wurde er abgeschlossen?
  19. Gibt es einen Sechsjahresvertrag zwischen ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in dem „die jährliche Höhe des Zuschusses für die Vertragsdauer“ fixiert ist? Wenn ja, wie lautet die darin festgelegte Zuschusshöhe für jedes der sechs Jahre? Wenn nicht, warum gibt es einen derartigen Vertrag nicht, und wer ist dafür verantwortlich?
  20. Können Sie bestätigen, dass Einjahres- statt Sechsjahresverträgen Vorteile wie Aufschub des Offenbarungseides hinsichtlich der drohenden Maastricht-Probleme, Verschleiern der ungleich größeren und früher schlagend werdenden Finanzierungsprobleme der Infrastruktur Betriebs AG sowie Verschleiern des zur Ausfinanzierung tatsächlich nötigen IBE-Anstiegs haben? Wenn nein, warum nicht?
  21. In welcher Höhe soll in Zukunft für Verbesserungen im Nahverkehr zu Gunsten der PendlerInnen investiert werden – angesichts der Tatsache, dass das Wagenmaterial des Fernverkehrs mit einer Investition von über 300 Mio. Euro verbessert wird?
  22. Wie wird sicher gestellt, dass die Deutsche Bahn ihren Eigenbedarf an ICE-Zügen nicht billiger einkauft, als dies ÖBB und DB in ihrem in Gründung befindlichen gemeinsamen ICE-Pool möglich ist?
  23. Wie ist das Mitspracherecht der ÖBB im ICE-Pool gesichert, wenn die Deutsche Bahn zusätzliche ICE-Garnituren in diesen Pool einbringt? Muss die ÖBB dann nachschießen oder verwässert sich ihr Anteil automatisch auf einen Minderheitsanteil?