4105/J XXII. GP
Eingelangt am
30.03.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und GenossInnen
an
den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend
„Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs"
Trotz
mehrmaliger, deutlicher Ablehnung durch die Landeshauptleute-Konferenz
scheint das Verkehrsministerium auf einem
Konzept zur vollständigen
Regionalisierung des öffentlichen
Nahverkehrs zu bestehen. Nach den am 30.8.2005
vorgelegten Plänen plant die Bundesregierung die Streichung des §7 ÖPNRVG, in
dem diese Verantwortung fest
geschrieben ist. Stattdessen sollen die Länder die
Aufgabe zur Bereitstellung einer „flächendeckenden Verkehrsversorgung"
übernehmen. An Mitteln würde der Bund den Ländern nur die auf Basis 2003
indizierten Mittel zur Verfügung stellen.
Das bedeutet de facto ein Einfrieren der
schon jetzt zu knappen Mittel und
das Aufbürden einer größeren Last auf die Länder,
als der Bund jemals getragen hat.
Auch Teile der Eisenbahninfrastruktur sollen den Ländern
übergeben werden. Das
Ergänzungsnetz
und bestimmte Teile des Kernnetzes, die überwiegend regionale
Bedeutung
haben, sollen den Ländern übertragen und zu Landesschienenstrecken
werden.
Davon betroffen sind österreichweit rund 37% aller Netzkilometer.
Der
Öffentliche Verkehr steht österreichweit am Scheideweg: Die Mittel zu seiner
Finanzierung
sind durch den schleichenden Rückzug des Bundes weitgehend
erschöpft.
Gleichzeitig kommt aber massiver Investitionsbedarf auf uns zu, sowohl
bei
der Bestellerförderung als auch bei der Regionalbahninfrastruktur.
Ein Verlagern dieser Finanzierungslasten auf die Länder
ist für diese vermutlich nicht
leistbar
und führt unweigerlich zu Stilliegungen von Regionalbahnstrecken,
Umstellung auf den Bus, aber gleichzeitig langfristig zur Ausdünnung des
gesamten
ÖPNV-Systems.
Neben diesen Plänen hat die Vollversammlung der Tiroler
Arbeiterkammer am 18.
11. 2005 auch das Fehlen einer überregionalen Kompetenz im Regionalverkehr
bemängelt.
Große Pendlerströme überschreiten schon jetzt die Landesgrenzen. Eine
vollständige
„Verländerung" der Personenverkehrskompetenzen auf die Länder
zwingt die PendlerInnen, noch stärker auf
das Auto auszuweichen. Das Pendeln mit
dem Auto statt mit öffentlichen
Verkehrsmitteln belastet auch die verfügbaren
Haushaltseinkommen mit mehr als 1000
Euro pro Jahr.
Tirol hat zwar wenig Landesgrenzen überschreitenden
Pendlerverkehr, könnte aber
seine
gute Verkehrsanbindung nach Westen und Osten zunehmend verlieren. Wenn
die Strecke
Lindau-München elektrifiziert ist, fährt die ÖBB günstiger und schneller
über Deutschland nach Vorarlberg. Bereits jetzt stark gefährdet ist die
Anbindung
über Kitzbühel an Salzburg. Tirol hat
außerdem zusätzliche Nahverkehrsprojekte von
insgesamt 16,8 Mio. Euro auf der Wunsch- und Warteliste - insbesondere
die
Regionalbahn Hall-Völs, für die es bei einer Realisierung der Pläne der
Bundesregierung
möglicherweise gar keine Co-Finanzierung des Bundes mehr geben
würde.
In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende
Anfrage:
1)
Sind die oben dargestellten Pläne des
Verkehrsministeriums weiterhin
aufrecht,
die einen weitgehenden Rückzug des Bundes aus seinen Aufgaben
für
den öffentlichen Personennahverkehr vorsehen?
2)
Mehr als ein Drittel der Eisenbahninfrastruktur soll
„Landesschienenstrecke"
werden: Wie lautet
die exakte Auflistung der Teile des Kern- und
Ergänzungsnetzes, die in Länderverwaltung
überführt werden sollen?
3) Gibt es dazu
bereits Finanzierungspläne seitens der Länder?
4)
Wie hoch ist die Zahl der Arbeitsplätze, die durch die
Verländerung verloren
gehen wird?
5)
Befürchten Sie durch die zu erwartende
Kompetenzaufsplitterung auf Länder
und Bund keinen
Qualitätsverlust für den flächendeckenden öffentlichen
Personennahverkehr?
6)
Welche Pläne für eine überregionale Koordinierung gibt
es, angesichts der
Tatsache,
dass PendlerInnen den öffentlichen Personennahverkehr auch
Ländergrenzen
überschreitend nutzen?
7)
Mit welcher durchschnittlichen Verteuerung müssen
Berufspendlerlnnen nach
einer Umsetzung des geplanten Konzepts rechnen?
8)
Können Sie ausschließen, dass ein Verlagern der
Finanzierungslasten vom
Bund
auf die Länder zur Schließung von Regionallinien führen wird, weil die
Länder der zusätzlichen Finanzierungsbelastung nicht gewachsen sind?
9)
Welche Maßnahmen zur Attraktivierung und Modernisierung
des öffentlichen
Personennahverkehrs
sind seitens des Ministeriums in nächster Zukunft
geplant?
10)Wird die
Bundesregierung ihre Aufgabe zur Co-Finanzierung von zusätzlichen
Verkehren nach § 24 und 26 ÖPNRVG einhalten?
11)Welche konkreten
Zusagen oder Abkommen bestehen zwischen Bund und
Land Tirol hinsichtlich der Finanzierung der Regionalbahn Hall-Völs?