4165/J XXII. GP

Eingelangt am 26.04.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

 

Die Regierungen Schüssel I und Schüssel II zeichneten sich durch einen
enormen Verschleiß an Ministern, politischen Mitarbeitern sowie Vorständen
und Aufsichtsräten von ausgelagerten Unternehmen aus. Charakteristisch
für diese Politik ist - neben den durch den oftmaligen Wechsel bedingten
inhaltlichen Fehlern - auch der Umstand, dass zahlreiche gescheiterte
Minister und Amtsträger in weiterer Folge in eine öffentliche Funktion
zurückkehren - verbunden mit enormen Kosten für die österreichische
Bevölkerung.

Der letzte Schadensfall dieser Art ist die Bestellung von Kurzzeitminister
Reichhold in den Vorstand der ASFINAG. Reichhold, dessen Amtsführung
sich vor allem dadurch charakterisieren lässt, dass er nach dem Rücktritt
der Regierung im September 2002 bis Ende Februar 2003 de facto keine
Amtsgeschäfte führte und damit bloß sechs Monate wirklich als Minister
tätig war, wird nun als ASFINAG-Vorstand mindestens 220.000 Euro
jährlich verdienen. Geht man von der bekannten Praxis der Bundesregierung
aus, entsprechende Verträge kurz vor Neuwahlen auf fünf Jahre
abzuschließen, so erhält Reichhold aus diesem Vertrag eine Gage von
mindestens 1,1 Millionen Euro. Ein Umstand, der nur mit „übelster
Postenschacher" beschrieben werden kann.

Doch Ex-Minister Reichhold ist nicht der einzige Rückkehrer in den
geschützten, staatsnahen Bereich: Ex-Ministerin Forstinger arbeitete auf
Honorarbasis für ein Unternehmen der Österreichischen Bundesbahnen. Ex-
Justizminister Böhmdorfer war, obwohl er im Aufsichtsrat einer ÖBB-
Aktiengesellschaft „prüfend" tätig war, gleichzeitig auch der Rechtsanwalt
und damit Auftragnehmer der Österreichischen Bundesbahnen. Dieser


Sachverhalt widerspricht den österreichischen corporate governance-Regeln.
Wie soll ein Aufsichtsrat einen Vorstand prüfen, mit dem er gleichzeitig
Werkverträge abschließt? Weiters wird seit geraumer Zeit kolportiert, dass
Ex-Innenminister Strasser einen ebenfalls hervorragend dotierten
Vorstandsposten bei der Brenner Basistunnel Errichtungsgesellschaft in den
nächsten Tagen antreten soll. Gleichzeitig sind weitere Vorstandsposten bei
der Bundesimmobiliengesellschaft, die mittlerweile eine zweistellige Anzahl
von Tochterunternehmen aufweist, ausgeschrieben. Diesbezüglich ist ebenso
eine rein politische Besetzung zu erwarten.

Allein die Rückkehr von vier zurückgetretenen Ministern in den öffentlichen
Besoldungsbereich innerhalb kürzester Zeit mit garantierten Spitzen-
gehältern, die diese in der Privatwirtschaft nur schwer erzielen würden, stellt
eine Verhöhnung des österreichischen Steuerzahlers dar.

Auch die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsräten und Vorständen in
der staatsnahen Wirtschaft sowie die damit im Zusammenhang stehenden
Vertragsgestaltungen prägen das Bild der Verschwendungspolitik dieser
Bundesregierung und beruhen auf massiven Gesetzes verstoßen in den
Unternehmen der staatsnahen Wirtschaft, darunter vor allem der
Österreichischen Industrieholding AG. Insgesamt betrugen die zusätzlichen
Kosten seit dem Jahr 2000 durch Gehälter und Aufwandsentschädigungen
sowie Spesen der ÖIAG-Leitungsorgane rund zwei Millionen Euro. Bei den
ÖIAG-Vorstandsverträgen wurde bewusst dem Stellenbesetzungsgesetz 1998
und der Verordnung der Bundesregierung betreffend Vertragsschablonen
gemäß diesem Gesetz zuwidergehandelt. Damit wurde eine
Antiprivilegiengesetzgebung, die die Gehälter von Leitungsorganen in
staatlichen Unternehmen streng reglementiert, in Kenntnis der negativen
Folgen für die Steuerzahler bewusst durch den Vorstand, den Aufsichtsrat
und die österreichische Bundesregierung missachtet. Der negativen Kritik
des Rechnungshofes wurde in keiner Weise Rechnung getragen. Vielmehr
wurde durch die ÖIAG ein Gegengutachten erstellt, das dem Finanzminister
einen Freibrief zum Abschluss solcher Privilegienverträge ausstellte.
RH-Präsident Fiedler hatte bereits im Jahr 2003 in einer Sitzung des
Rechnungshofausschusses zur Vertragsschablonenverordnung und deren
Anwendung Stellung genommen. Der damalige RH-Präsident führte aus,
dass eine Nichtanwendung dieser Rechtsnorm, weil man sie für gesetzwidrig
halte, einem „Tritt in das Gesicht des Rechtsstaates" entspreche. Der
Rechnungshofbericht zeigte einen Schaden von 6,1 Millionen Euro auf,


wobei durch diese Zahlen lediglich ein Bruchteil der Umbesetzungen durch
die schwarz-blau-orange Regierung zum Ausdruck kommt, da durch den
Rechnungshof nur elf von mehreren hundert staatsnahen Unternehmen
geprüft worden sind.

Nicht nur gescheiterte Bundespolitiker werden von Bundeskanzler Schüssel
mit herausragenden Posten belohnt, auch für die abgewählte Landeshaupt-
frau der Steiermark, Waltraud Klasnic, stand ein Job bereit: sie verteilt
nunmehr Förderungen als Leiterin des Zukunftsfonds.

Im Bereich der Österreichischen Bundesbahnen führte eine Strukturreform,
die ausschließlich dem Zweck dienen sollte, neue Posten zu schaffen, neben
der von der Bundesregierung gewollten Vermehrung von Vorständen,
Geschäftsführern und Aufsichtsräten auch zu einer erheblichen Beein-
trächtigung der Betriebsorganisation: Durch die Konstruktion einer
Beteiligungs-AG mit vier untergeordneten Aktiengesellschaften wird die
Führung des Unternehmens wesentlich erschwert. Nach zwei Jahren der
Leugnung dieses Umstandes ist heute klar, dass diese Struktur sofort
verändert werden musste, denn sie führt auch dazu, dass bei zumindest
einer Aktiengesellschaft eine ständige Überschuldung und damit
Zahlungsunfähigkeit eintritt.

In den Tochtergesellschaften werden Parteigünstlinge in einem noch nie da
gewesenen Ausmaß versorgt. Eine Immobilienmanagerin erhält 348.000
Euro pro Jahr plus Dienstwagen für die Besorgung der Geschäftstätigkeit
der ÖBB-Immobiliengesellschaft. Ein Versuch, dieser Immobilienmanagerin
noch eine zweite Funktionsträgerin mit derselben Besoldung hinzuzufügen,
scheiterte am öffentlichen Druck.

Die unzureichende Organisationsstruktur der ÖBB wird auch in Hinkunft
dazu führen, dass weiterhin laufend Vorstände und Aufsichtsräte getauscht
und vermehrt werden, mit unabsehbar hohen Kosten für den öster-
reichischen Steuerzahler.

Hinsichtlich des Österreichischen Rundfunks war es den Regierungen
Schüssel I und II ein wesentliches Anliegen, die Leitungsorgane und deren
Bestellung so zu gestalten, dass der größtmögliche ÖVP-Einfluss hergestellt
ist. Die Ergebnisse sind im ORF jeden Tag sichtbar und anhand der
Einschaltquoten für jeden Gebührenzahler bewertbar.


Die Reform des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungs-
träger ließ vor fünf Jahren die politischen Wogen hoch gehen. Die Intention
der Bundesregierung war einfach: der gewählte Präsident Hans Sallmutter
sollte von der Spitze des Hauptverbandes verdrängt werden. Nachdem dieser
Versuch vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, erfolgte die
Absetzung von Präsident Sallmutter mittels verfassungswidrigem Gesetz,
welches auch später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Weiters
entsprach die Neukonstruktion der Organe des Hauptverbandes nicht der
österreichischen Bundesverfassung. Erst nach mehrmaligen Reparaturen
der Gesetzgebung hat die ÖVP ihre Machtübernahme im Hauptverband
vervollständigt, sodass sowohl der Verbandsvorstand als auch die
Trägerkonferenz über eine ÖVP-Mehrheit mit dem entsprechenden Einfluss
auf die Postenvergabe verfügen.

Bundesministerin Rauch-Kallat schafft mit der Gründung der Gesundheit
Österreich GmbH eine neue ÖVP-Machtbasis mit vollem Durchgriffsrecht im
Gesundheitswesen. Aus unabhängigen Einrichtungen - Fonds Gesundes
Österreich und OBIG - werden weisungsgebundene Stellen. Damit kann die
ÖVP künftig allein entscheiden, wo es welche Spitalsabteilungen gibt, welche
Qualitätskriterien bei der Spitalsbehandlung gelten und wie viel Personal in
einer Abteilung tätig ist.

Es ist damit zu rechnen, dass Bundesministerin Rauch-Kallat die zu
bestellende Geschäftsführerin an die kurze parteipolitische ÖVP-Leine
nehmen und die Gesellschaft schwarz einfärben wird.

Im Kunstbereich ist die Figur des Ministerialrates Seipel ein Synonym für
Freunderlwirtschaft und das politische Festhalten an völlig untragbar
gewordenen Personal- und Gehaltsentscheidungen. Trotz eines absolut
vernichtenden Rechnungshofberichtes wurde Dr. Seipel, dessen Gehalt
innerhalb weniger Jahre mehr als verdreifacht worden ist, mit aller Kraft
gehalten. Die auffallende betriebswirtschaftliche Schwäche des Direktors
wird nun damit ausgeglichen, dass ihm ein weiterer Direktor zur Seite
gestellt wird.

Selbst im Wissenschaftsbereich hält die schwarz-blau-orange Bundes-
regierung an der bekannten Vorgangsweise fest: insgesamt bestellte die
Bundesregierung auf Vorschlag von Bundesministerin Gehrer 59 Uni-Räte.


Fast die Hälfte davon ist bereits einschlägig politisch aufgefallen. Ein großer
Teil der Uni-Räte findet sich im Unterstützungskomitee für Wolfgang
Schüssel im Nationalratswahlkampf 2002 wieder, obwohl laut Universitäts-
gesetz 2002 Funktionäre einer politischen Partei dem Uni-Rat nicht
angehören dürfen. Der ÖVP ist es trotzdem gelungen, „ihre Leute" unterzu-
bringen. Pikantes finanzielles Detail: die Uni-Räte legen ihr Entgelt selbst
fest....

Seit Anfang April steht auch der Geschäftsführer des ARC Seibersdorf fest,
und auch in diesem Fall hält die Regierungskoalition an ihrer Personalpolitik
fest: der neue Geschäftsführer des Forschungszentrums ist Mitglied der
Burschenschaft Olympia, die vom Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstandes als rechtsextreme Vereinigung eingestuft
wird.

Es ist davon auszugehen, dass bis zur Nationalratswahl die exemplarisch
aufgezeigten Vorgangsweisen nicht nur beibehalten werden, sondern die
Versorgung von Parteigängern - wo dies überhaupt noch möglich ist -
verstärkt wird. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass sich Amtsträger dieser
Bundesregierung auf Staatskosten Möglichkeiten eines „privatwirtschaft-
lichen" Einkommens sichern, wie dies Bundesminister Gorbach durch den
Verkauf der Bodenseeschifffahrt an seinen späteren Dienstgeber bereits
anschaulich demonstriert hat.

Aus all den aufgezeigten Sachverhalten, deren Aufzählung nahezu endlos
fortgesetzt werden könnte, und die sämtliche Ressorts der gegenwärtigen
österreichischen Bundesregierung betreffen, richten die unterzeichneten
Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1. Wie viele Verträge, die dem Stellenbesetzungsgesetz sowie der
Vertragsschablonenverordnung unterliegen, wurden seit 4.2.2000
abgeschlossen und wie viele Personen mit einem entsprechenden
Vertragsverhältnis wurden vorzeitig von ihrem Posten, unabhängig von
der Begründung, abberufen?


2.           In welcher Höhe zogen vorzeitig gelöste Verträge, die auf dem
Stellenbesetzungsgesetz beruhen, Zahlungen ausschließlich aufgrund
des Bestandes dieses Vertrages ohne Arbeitsleistung des Angestellten
(so genannte Abfindungen) nach sich, geordnet nach Budgetjahren?

3.           Sind auch Sie der Meinung, dass die Verträge der ÖIAG-Vorstände
nicht dem Stellenbesetzungsgesetz unterliegen oder unterscheidet sich
Ihre Rechtsmeinung von der des Finanzministers?

4.           Wurden die vom Rechnungshof heftig kritisierten Bonifikationen und
Mietzuschüsse an die ÖIAG-Vorstände auch im Jahr 2005 ausbezahlt
und wenn ja, in welcher Höhe?

5.           Wie hoch ist der Gesamtjahresbezug von Ex-Minister Reichhold als
Vorstand der ASFINAG, beinhaltet dieser Vertrag auch variable
Bezugsbestandteile und wenn ja, wie sind diese definiert?

6.           Worin lagen die besonderen Qualifikationen von Ex-Landeshauptfrau
Waltraud Klasnic für ihre Bestellung als Leiterin des Zukunftsfonds?

7.           Können Sie ausschließen, dass Ex-Minister Strasser mit einer
Leitungsfunktion im Bereich der ÖBB (Tochterunternehmen,
Unternehmensbeteiligungen) betraut wird?

8.           In welchen staatsnahen Betrieben sollen noch vor der
Nationalratswahl weitere Leitungsfunktionen neu besetzt werden,
geordnet nach Unternehmen und Ausmaß der neu zu bestellenden
Leitungsfunktionen?

9.     Wer wird die Geschäftsführung der Gesundheit Österreich GmbH
übernehmen? Können Sie ausschließen, dass damit ehemalige ÖVP-
Politikerlnnen versorgt werden?

10. Finden sie es angemessen, dass eine Immobilienmanagerin in der
dritten Berichtsebene des ÖBB-Konzerns mit 348.000 Euro im Jahr
wesentlich mehr verdient als Sie als Bundeskanzler?


In formeller Hinsicht wird gem. § 93 Abs. 2 GOG verlangt, diese Anfrage
vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.