4177/J XXII. GP
Eingelangt am 26.04.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und GenossInnen
an
die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Pflichtpraktika
Pflichtpraktika sind ein wesentlicher Bestandteil der
praktischen Ausbildungsteile in den Lehr- und
Studienplänen der
berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, der Schulen für Sozialarbeit,
der Fachhochschulen, der Universitäten und der Berufspädagogischen Akademien
bzw. der
Pädagogischen Hochschulen.
Viele tausende Schülerinnen und Schüler sowie
Studentinnen und Studenten absolvieren
alljährlich solche Praktika.
Deren
Nützlichkeit ist grundsätzlich unbestritten. Andererseits bereiten die arbeits-
und
sozialrechtlichen Aspekte erhebliche
Probleme. Nach Erhebungen der Tiroler Arbeiterkammer
reichen die Beschäftigungsarten von voll versicherten
Normalarbeitsverhältnissen bis zu
Schwarzarbeit und Gratisarbeit.
Das
Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 hat seit 1. September 2005 die
Situation noch
einmal deutlich verändert, indem der versicherungsrechtliche Sondertatbestand
des
Pflichtpraktikums aus dem ASVG gestrichen wurde. In einer Dienstgeberinformation
der
österreichischen Sozialversicherung vom 13. Dezember 2005 wird dazu ausgeführt:
„Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie eine Reihe
von Praktikum-
Anbietern haben die Forderung erhoben, die Bestimmungen über diese besondere
Versicherung
aufzuheben, insbesondere in Hinblick darauf, dass für PraktikantInnen, die kein
Entgelt beziehen,
eine fiktive Beitragsgrundlage zur Anwendung gelangt. Diese Beitragspflicht
erschwere die
Offerierung von Ausbildungsplätzen bzw. die Absolvierung der in den Lehrplänen
vorgeschriebenen Praktika. Vom Bildungsressort wird in diesem Zusammenhang ins
Treffen
geführt, dass die genannte Regelung bei den Universitäten, den Studierenden,
den SchülerInnen,
aber auch deren Eltern großen Unmut erzeugt, da sie letzten Endes dazu führe,
dass im Rahmen
der einzelnen Studien- bzw.
Schulausbildungen immer weniger Praktika absolviert werden können.
Dies laufe dem Interesse an einer guten Berufs- bzw. Schulausbildung
zuwider."
Die
Konsequenz daraus ist, dass nur dann keine Sozialversicherungspflicht
einschließlich
Beitragspflicht zur betrieblichen
Mitarbeitervorsorge besteht, wenn die Praktikanten/innen keinen
Entgeltanspruch mehr haben.
Während also auf der einen Seite Betriebe ihren
Praktikantinnen gar nichts mehr bezahlen gibt es
andererseits eine
Reihe von Kollektivverträgen, in denen der Praktikant den Status verankert ist.
Einige Kollektivverträge wie jene im Metall- und Elektrobereich sehen eigene
Entlohnungssätze
vor, andere wie beispielsweise das Gastgewerbe und die Textilindustrie
orientieren sich an den
Lehrlingsentschädigungssätzen.
Für die duale Berufsausbildung gibt es durch das
Berufsausbildungsgesetz und die einschlägigen
schulrechtlichen
Bestimmungen seit langem klare und nachvollziehbare Regelungen sowohl für
den theoretischen, als auch für den praktischen Teil der Berufsausbildung.
Diese fehlen für den
praktischen Teil der berufsbildenden
mittleren und höheren Schulen sowie der Hochschulen und
Universitäten. Eine rechtlich einwandfreie Lösung bestünde in der
Schaffung eines eigenen
PraktikantInnen-Gesetzes in Anlehnung an das Berufsausbildungsgesetz für
Lehrlinge. Damit
könnte sowohl für die Jugendlichen, als auch für die Betriebe in Form einer
allgemeinen und
transparenten Regelung Rechtssicherheit geschaffen werden, was sicherlich zur
Erhöhung der
Bereitschaft der Betriebe zum Angebot von Praktikumsplätzen beitragen könnte.
Da
es sich bei dieser Materie primär um eine bildungspolitische Frage handelt,
richten die
unterzeichneten Abgeordneten an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
folgende
Anfrage:
1.
Entspricht es den Tatsachen, dass die Streichung der
versicherungsrechtlichen
Sonderbestimmungen für Pflichtpraktikanten aus dem ASVG (mit einer fiktiven
Beitragsgrundlage
von € 609,- für entgeltfreie Praktika) einem Wunsch des
Bundesministeriums
für Bildung, Wissenschaft und Kultur entsprach?
2.
Wurde in diesem Zusammenhang auch eine Veränderung der
fiktiven Beitragsgrundlage in
Erwägung gezogen?
3.
War seitens des Bildungsministeriums beabsichtigt, dass
Pflichtpraktikantinnen künftig
keinen
Entgeltanspruch mehr haben sollen?
4.
Gibt
es bereits Erkenntnisse, ob sich die Streichung dieses speziellen
Versicherungstatbestandes auf die Zahl der
angebotenen Praktikaplätze in den heurigen
Ferien positiv auswirkt?
5.
Wie beurteilen Sie die Überlegungen, durch ein
Praktikantengesetz Rechtssicherheit für
Jugendliche und
Betriebe zu schaffen und darin Mindeststandards bezüglich
Ausbildungsumfang und Leistungsabgeltung zu formulieren sowie eine
Vollversicherungspflicht festzuschreiben?
6.
In wie vielen Fällen wurden im vergangenen Schuljahr von
den Schulbehörden Dispensen
von der Ablegung des
Pflichtpraktikums erteilt, weil kein Praktikumsplatz zur Verfügung
stand und wie hoch ist der prozentuelle
Anteil der Dispensen im Verhältnis zur Gesamtheit
an SchülerInnen, die das Pflichtpraktikum ablegen hätten müssen?
7.
Gibt es bei diesen Dispensen Besonderheiten in dem Sinn,
dass sie für einzelne
Ausbildungszweige und
Schularten besonders gehäuft auftreten?