4252/J XXII. GP

Eingelangt am 17.05.2006
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Unwahrheiten und Irreführungen

 

 

 

Am 29. März 2006 erklärte der Finanzminister dem Nationalrat: „Hohes Haus! Ich darf darüber informieren, dass in diesem Prüfbericht der Österreichischen Nationalbank aus dem Jahr 2001 kein Wort über ein Engagement der BAWAG in der Karibik von 500 Millionen Euro aus dem Jahr 1995 enthalten ist, dass kein Wort über ein weiteres Engagement aus dem Jahr 1998 enthalten ist und dass kein Wort über ein weiteres Engagement von 350 Millionen Euro im Jahr 2000 enthalten ist. Ich darf davon berichten, dass es im Prüfbericht kein Wort darüber gibt, dass es zu deutlichen Verlusten durch diese Karibik-Spekulationen gekommen ist. Ich darf darüber berichten, dass es in diesem Prüfbericht mit keinem Wort einen Hinweis auf eine Haftung gibt, die der österreichische Gewerkschaftsbund übernommen hat. Ich muss darauf hinweisen, dass es mit keinem Wort einen Hinweis darauf gibt, dass die Wirtschaftsprüfer ein Problem gesehen hätten, die Bilanzen der BAWAG zu erstellen.“

 

Diese Erklärung hat weder mit der Realität noch mit der Wahrheit zu tun. Sie dokumentiert die Bereitschaft des Finanzministers, den Nationalrat irre zu führen und ihm die Unwahrheit zu sagen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Die im Prüfungsbericht der OeNB im Jahre 1994 beschriebenen Geschäfte umfassten einerseits Engagements sowohl mit, als auch ohne „Karibik“-Bezug, zumeist jedenfalls Bezug zu sogenannten „Off-shore“-Plätzen, andererseits Engagements mit Firmen und Gesellschaften mit und ohne direktem bzw. indirektem Bezug oder Einfluss seitens Wolfgang Flöttl. Von der BAWAG werden die Geschäfte intern, seit ihrer Neuaufnahme nach der OeNB-Prüfung im Jahr 1994, als ´Sondergeschäfte´ tituliert.“ (S 15) Warum haben Sie dem Nationalrat verschwiegen, dass Ihnen die OeNB berichtete, dass die BAWAG bereits 1995 die Karibik-Geschäfte wieder aufgenommen hatte?

 

  1. Sie erklären vor dem Nationalrat, „dass kein Wort über ein weiteres Engagement von 350 Millionen Euro im Jahr 2000 enthalten ist“. Im Bericht der OeNB heißt es auf S 24: „Die BAWAG hat sich zu Beginn des Geschäftsjahres 2000 mit einem Volumen von EUR 350 Mio an einer von der Investmentfirma International Asset Management Limited mit Sitz in Bermuda aufgelegten Konstruktion... beteiligt.“ Sie haben dem Nationalrat erklärt: „dass kein Wort über ein weiteres Engagement von 350 Millionen Euro im Jahr 2000 enthalten ist“. Warum haben Sie dem Nationalrat die Unwahrheit gesagt?

 

  1. Auf Seite 25 des Berichts heißt es: „Weiters ist anzumerken, dass diese für die BAWAG neuartige Veranlagung mit einem Volumen von Euro 350 Mio seitens der Innenrevision nicht überprüft worden ist.“ Warum haben Sie dem Nationalrat verschwiegen, dass Sie bereits 2001 informiert wurden, dass die Innenrevision der BAWAG beim letzten großen Karibik-Geschäft nicht funktioniert hatte?

 

  1. Der Bericht der OeNB spricht die Kontrolle der Karibik-Geschäfte direkt an: „Angesichts einer verstärkt notwendigen Kontrolle neuartiger Geschäfte (Abschnitte 7.3 und 7.4) sowie der im Rahmen der Konzernrevision der BAWAG-Kreditinstitutsgruppe nicht im gesetzlich geforderten Umfang durchgeführten Tätigkeit erscheint die Einhaltung des § 42 BWG als derzeit nicht gewährleistet.“ Sie haben dem Nationalrat erklärt,  „dass es mit keinem Wort einen Hinweis darauf gibt, dass die Wirtschaftsprüfer ein Problem gesehen hätten, die Bilanzen der BAWAG zu erstellen“. Durch den Bericht wussten Sie aber, dass die interne Revision nicht mehr funktioniert hatte und es zu Klumpenrisiko (s. Bericht OeNB S 17) gekommen war. Warum haben Sie dem Nationalrat gegenüber den Eindruck erweckt, die Kontrolle habe funktioniert?

 

  1. Der Bericht der OeNB weist darauf hin, dass die „Sondergeschäfte“ (wie die Karibik-Geschäfte) ab 1994 jährlich von Bankprüfern überprüft werden sollten. „Das Ergebnis einer solchen Überprüfung wurde letztmalig in einer Aktennote vom Oktober 1998 dokumentiert.“ Warum haben Sie dem Nationalrat verheimlicht, dass es ab 1999 keine der vorgeschriebenen Bankprüfungen der Karibik-Geschäfte mehr gegeben hat?

 

  1. Sie wussten auf Grund des Berichts der OeNB, dass bei den Sondergeschäften mit der Innenrevision die erste Stufe und mit der Bankprüfung die zweite Stufe der Kontrolle ausgefallen war. Warum haben Sie trotzdem mit Ihrer in Frage 4) zitierten Erklärung den falschen Eindruck erweckt, durchgeführte Wirtschaftsprüfungen hätten keinen Hinweis auf Probleme ergeben?

 

  1. Wer im BMF hat im Jahr 2001 den BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?

 

  1. Wann hat das Kabinett des Bundesministers den BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?

 

  1. Wann haben Sie den BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?

 

  1. Wann sind Sie zum ersten Mal über den BAWAG-Bericht der OeNB informiert worden?

 

  1. Welche Schritte hat die Finanzmarktaufsicht als dritte Stufe der Kontrolle nach dem Vorliegen des OeNB-Berichts unternommen?

 

  1. Warum hat auch die FMA als dritte Sicherung des Bankwesens für derartige Fälle versagt?

 

  1. Warum versuchen Sie heute das Versagen aller drei Stufen der Kontrolle zu vertuschen?

 

  1. Am 8. Mai 2006 haben Sie anlässlich der BAWAG-Sondersitzung des Nationalrats erklärt: „Weil Sie, Herr Professor Van der Bellen – und ich bin froh, dass ich nach Ihnen sprechen kann –, jetzt wiederum die Kontrolle releviert haben beziehungsweise diese in den letzten Wochen mehrmals angesprochen worden ist, möchte ich zum Ersten sehr klar und massiv zurückweisen, dass ich, wie Sie es sagen, dem Hohen Haus die Unwahrheit gesagt hätte. Das ist nicht richtig! Ich habe in meinen Aussagen zur Dringlichen Anfrage davon gesprochen, dass im Nationalbank-Prüfbericht kein Wort von den Verlusten aus den Karibikgeschäften drinnen steht. (Abg. Öllinger: Von 350 Millionen!) Ich habe in meinen Aussagen davon gesprochen – und Alfred Finz hat das danach ergänzt –, dass die Karibikgeschäfte, die mit dem Betrag von 350 Millionen € angeführt sind, laut Notenbankbericht zurückgeführt worden sind.“ Im stenografischen Protokoll des Nationalrats findet sich diese Äußerung nicht. Sie ist frei erfunden. Warum haben Sie auch in diesem Punkt dem Nationalrat die Unwahrheit gesagt?

 

  1. Die bewusste und vorsätzliche Unwahrheit nennt man „Lüge“. Haben Sie dem Nationalrat bewusst und vorsätzlich die Unwahrheit gesagt?