Eingelangt am 17.05.2006
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ANFRAGE
des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend
Unwahrheiten und Irreführungen
Am
29. März 2006 erklärte der Finanzminister dem Nationalrat: „Hohes Haus! Ich
darf darüber informieren, dass in diesem Prüfbericht der Österreichischen
Nationalbank aus dem Jahr 2001 kein Wort über ein Engagement der BAWAG in der
Karibik von 500 Millionen Euro aus dem Jahr 1995 enthalten ist, dass kein Wort
über ein weiteres Engagement aus dem Jahr 1998 enthalten ist und dass kein Wort
über ein weiteres Engagement von 350 Millionen Euro im Jahr 2000 enthalten ist.
Ich darf davon berichten, dass es im Prüfbericht kein Wort darüber gibt, dass
es zu deutlichen Verlusten durch diese Karibik-Spekulationen gekommen ist. Ich
darf darüber berichten, dass es in diesem Prüfbericht mit keinem Wort einen
Hinweis auf eine Haftung gibt, die der österreichische Gewerkschaftsbund
übernommen hat. Ich muss darauf hinweisen, dass es mit keinem Wort einen Hinweis
darauf gibt, dass die Wirtschaftsprüfer ein Problem gesehen hätten, die
Bilanzen der BAWAG zu erstellen.“
Diese
Erklärung hat weder mit der Realität noch mit der Wahrheit zu tun. Sie
dokumentiert die Bereitschaft des Finanzministers, den Nationalrat irre zu
führen und ihm die Unwahrheit zu sagen.
Die
unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
- „Die
im Prüfungsbericht der OeNB im Jahre 1994 beschriebenen Geschäfte
umfassten einerseits Engagements sowohl mit, als auch ohne
„Karibik“-Bezug, zumeist jedenfalls Bezug zu sogenannten
„Off-shore“-Plätzen, andererseits Engagements mit Firmen und
Gesellschaften mit und ohne direktem bzw. indirektem Bezug oder Einfluss seitens
Wolfgang Flöttl. Von der BAWAG werden die Geschäfte intern, seit ihrer
Neuaufnahme nach der OeNB-Prüfung im Jahr 1994, als ´Sondergeschäfte´
tituliert.“ (S 15) Warum haben Sie dem Nationalrat verschwiegen, dass
Ihnen die OeNB berichtete, dass die BAWAG bereits 1995 die
Karibik-Geschäfte wieder aufgenommen hatte?
- Sie erklären vor dem
Nationalrat, „dass kein Wort über ein weiteres Engagement von 350
Millionen Euro im Jahr 2000 enthalten ist“. Im Bericht der OeNB heißt
es auf S 24: „Die BAWAG hat sich zu Beginn des Geschäftsjahres 2000 mit
einem Volumen von EUR 350 Mio an einer von der Investmentfirma
International Asset Management Limited mit Sitz in Bermuda aufgelegten
Konstruktion... beteiligt.“ Sie haben dem Nationalrat erklärt: „dass
kein Wort über ein weiteres Engagement von 350 Millionen Euro im Jahr 2000
enthalten ist“. Warum haben Sie dem Nationalrat die Unwahrheit gesagt?
- Auf Seite 25 des Berichts
heißt es: „Weiters ist anzumerken, dass diese für die BAWAG neuartige
Veranlagung mit einem Volumen von Euro 350 Mio seitens der Innenrevision
nicht überprüft worden ist.“ Warum haben Sie dem Nationalrat
verschwiegen, dass Sie bereits 2001 informiert wurden, dass die
Innenrevision der BAWAG beim letzten großen Karibik-Geschäft nicht
funktioniert hatte?
- Der Bericht der OeNB
spricht die Kontrolle der Karibik-Geschäfte direkt an: „Angesichts einer
verstärkt notwendigen Kontrolle neuartiger Geschäfte (Abschnitte 7.3 und
7.4) sowie der im Rahmen der Konzernrevision der
BAWAG-Kreditinstitutsgruppe nicht im gesetzlich geforderten Umfang
durchgeführten Tätigkeit erscheint die Einhaltung des § 42 BWG als derzeit
nicht gewährleistet.“ Sie haben dem Nationalrat erklärt, „dass es mit keinem Wort einen
Hinweis darauf gibt, dass die Wirtschaftsprüfer ein Problem gesehen
hätten, die Bilanzen der BAWAG zu erstellen“. Durch den Bericht
wussten Sie aber, dass die interne Revision nicht mehr funktioniert hatte
und es zu Klumpenrisiko (s. Bericht OeNB S 17) gekommen war. Warum haben
Sie dem Nationalrat gegenüber den Eindruck erweckt, die Kontrolle habe
funktioniert?
- Der Bericht der OeNB
weist darauf hin, dass die „Sondergeschäfte“ (wie die Karibik-Geschäfte)
ab 1994 jährlich von Bankprüfern überprüft werden sollten. „Das
Ergebnis einer solchen Überprüfung wurde letztmalig in einer Aktennote vom
Oktober 1998 dokumentiert.“ Warum haben Sie dem Nationalrat
verheimlicht, dass es ab 1999 keine der vorgeschriebenen Bankprüfungen der
Karibik-Geschäfte mehr gegeben hat?
- Sie wussten auf Grund des
Berichts der OeNB, dass bei den Sondergeschäften mit der Innenrevision die
erste Stufe und mit der Bankprüfung die zweite Stufe der Kontrolle
ausgefallen war. Warum haben Sie trotzdem mit Ihrer in Frage 4) zitierten
Erklärung den falschen Eindruck erweckt, durchgeführte Wirtschaftsprüfungen
hätten keinen Hinweis auf Probleme ergeben?
- Wer im BMF hat im Jahr
2001 den BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?
- Wann hat das Kabinett des
Bundesministers den BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?
- Wann haben Sie den
BAWAG-Bericht der OeNB erhalten?
- Wann sind Sie zum ersten
Mal über den BAWAG-Bericht der OeNB informiert worden?
- Welche Schritte hat die
Finanzmarktaufsicht als dritte Stufe der Kontrolle nach dem Vorliegen des
OeNB-Berichts unternommen?
- Warum hat auch die FMA
als dritte Sicherung des Bankwesens für derartige Fälle versagt?
- Warum versuchen Sie heute
das Versagen aller drei Stufen der Kontrolle zu vertuschen?
- Am 8. Mai 2006 haben Sie
anlässlich der BAWAG-Sondersitzung des Nationalrats erklärt: „Weil Sie,
Herr Professor Van der Bellen – und ich bin froh, dass ich nach Ihnen
sprechen kann –, jetzt wiederum die Kontrolle releviert haben
beziehungsweise diese in den letzten Wochen mehrmals angesprochen worden
ist, möchte ich zum Ersten sehr klar und massiv zurückweisen, dass ich,
wie Sie es sagen, dem Hohen Haus die Unwahrheit gesagt hätte. Das ist nicht
richtig! Ich habe in meinen Aussagen zur Dringlichen Anfrage davon
gesprochen, dass im Nationalbank-Prüfbericht kein Wort von den Verlusten
aus den Karibikgeschäften drinnen steht. (Abg. Öllinger: Von 350
Millionen!) Ich habe in meinen Aussagen davon gesprochen – und Alfred Finz
hat das danach ergänzt –, dass die Karibikgeschäfte, die mit dem Betrag
von 350 Millionen € angeführt sind, laut Notenbankbericht zurückgeführt
worden sind.“ Im stenografischen Protokoll des Nationalrats findet
sich diese Äußerung nicht. Sie ist frei erfunden. Warum haben Sie auch in
diesem Punkt dem Nationalrat die Unwahrheit gesagt?
- Die bewusste und
vorsätzliche Unwahrheit nennt man „Lüge“. Haben Sie dem Nationalrat
bewusst und vorsätzlich die Unwahrheit gesagt?