4280/J XXII. GP

Eingelangt am 18.05.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

(gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR)

der Abgeordneten Dr. Cap

und GenossInnen

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend Eurofighter-Knebelungsvertrag zum Nachteil der Republik und zu

Lasten der Österreicherinnen und Österreicher

Bei dem durch NEWS veröffentlichten Eurofighter-Kaufvertrag handelt es sich
um eine Knebelungsvereinbarung zu Lasten der Republik Österreich. Namhafte
Juristen kritisieren diesen Vertrag heftig. Univ. Prof. Dr. Heinz Mayer stellt zu
dem ihm vorliegenden kaufmännischen Vertragsteil fest: „Ein Hammer. Selbst
wenn die uns Papierflieger liefern, müssten wir zahlen."

Nach Veröffentlichung dieser Vertragsinhalte ist offensichtlich, warum die
verantwortlichen schwarz-orangen Amtsträger alles getan haben, um diese
Vereinbarung zum Nachteil der Steuerzahler geheim zu halten - dies entgegen
der Rechtsmeinung nahezu aller österreichischen Verfassungsexperten.

Die nachfolgend dargelegten Vertragsbestimmungen zeigen klar, dass das von
Minister Platter zu verantwortende Vertragswerk eine Vereinbarung zu Lasten
Dritter, nämlich der Österreicherinnen und Österreicher, ist.

Der Vertrag mit der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH sieht Zahlungen in Form
von 18 Halbjahresraten, beginnend mit März 2006 - lange vor Lieferung des
ersten Eurofighters - vor. Gleichzeitig wurde aus wahltaktischen Gründen die
nächste Bundesregierung belastet, indem die ersten vier Raten samt Zinsen im
Jahr 2007 zu bezahlen sind. In diesem Ausmaß erhöht sich auch der
Konsolidierungsbedarf für den Bundeshaushalt.

Der Rechnungshof stellte bereits fest, dass das BMLV grundsätzlich jederzeit
schriftlich vom Vertrag zurücktreten könne, sofern es der Eurofighter
Jagdflugzeug GmbH sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen
bezahle und die durch den Rücktritt entstehenden Kosten ersetze. Keine


Angaben wurden durch den Rechnungshof über die tatsächlichen Kosten des
Ausstiegs getätigt.

Nunmehr ergibt sich aus den veröffentlichten Vertragsbestimmungen, dass
seitens der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH bereits konkrete Zahlen
hinsichtlich des Mittelbedarfes des Verkäufers vertraglich festgelegt wurden.

Diese Zahlen bewerten die Leistungen und die angeblich entstandenen Kosten
der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH. Ein Ausstieg ab 1. November 2006 würde
exakt 45 % des Gesamtbetrages ohne Zinsen an Schadenersatzleistungen nach
sich ziehen, dies obwohl dem keine konkreten Aufwendungen des Verkäufers
gegenüberstehen. Die Ausstiegskosten würden zumindest 600 Millionen Euro
betragen, wahrscheinlich aber mehr als 1 Milliarde Euro.

Der Rechnungshof erhob im Zuge seiner Prüfung der Vertragsabschlüsse einen
Cash-Neutral-Preis (dabei handelt es sich um jenen Preis, der unmittelbar
nach Abschluss des Kaufvertrages im voraus zu bezahlen wäre) von 1,139
Milliarden Euro. Die Ausstiegskosten sind damit fast so hoch wie der vom
Rechnungshof erhobene Cash-Neutral-Preis.

Geht man nun davon aus, dass im Kaufvertrag ein pauschalierter
Schadenersatz - unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten des
Lieferanten - vereinbart wurde, stellt dies ein derartiges Ungleichgewicht
zwischen den Vertragsparteien her, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten
samt daraus resultierender Nichtigkeit des Vertrages anzunehmen ist.

Auch der Umstand, dass für die Mängelfreiheit des gelieferten Kampfflug-
zeuges sowie der Nebenleistungen bloß ein Jahr garantiert wird, zeigt, dass
durch das BMLV schlecht verhandelt wurde. Im Übrigen handelt es sich dabei
um einen Aspekt, der aus unbekannten Gründen nicht in den Prüfbericht des
Rechnungshofes eingeflossen ist.

Ein weiterer Vertragsmangel ist der Umstand, dass die Rechte an der
Software, welche notwendig ist, um den Eurofighter zu bedienen, nicht in das
Eigentum der Republik Österreich übertragen wurden und somit ein etwaiger
Weiterverkauf von der Einwilligung des Erzeugers bzw. Lieferanten abhängig
gemacht wurde.


Damit wird die Verwertung des nicht benötigten militärischen Materials ohne
Zustimmung des Lieferanten verunmöglicht. Dieser wesentliche Kritikpunkt
findet sich ebenfalls nicht im Bericht des Rechnungshofes.

Eine Haftungsbegrenzung für Mängel und Mangelfolgeschäden (z.B.
Folgeschäden eines möglichen Flugzeugabsturzes) des Erzeugers und
Lieferanten wurde mit maximal 0,296 Milliarden Euro vereinbart. Ein darüber
hinaus gehender Schaden im Zusammenhang mit den gegenständlichen
Leistungen/Teilleistungen ist ausschließlich durch die Republik Österreich zu
tragen. Ein weiterer Umstand, der daran zweifeln lässt, ob es sich bei diesem
Vertragsverhältnis tatsächlich um eine gleichberechtigte vertragliche
Beziehung handelt.

Dem im Vertrag fixierten Schadenersatz bei Vertragsrücktritt (1. November
2006: 45% der Gesamtkosten) steht eine minimale Pönale des Lieferanten für
den Fall des Lieferverzuges gegenüber: Die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH ist
verpflichtet, eine Vertragsstrafe zu entrichten, wenn die geschuldete
Leistung/Teilleistung nicht innerhalb von 60 Tagen nach dem vereinbarten
Termin getätigt wird. Erst nach dem 61. Tag wird pro vollendeter
Kalenderwoche 0,5 % des Wertes der ausstehenden Leistung als Vertragsstrafe
vereinbart, dies begrenzt mit maximal 10% des Wertes.

In Summe ergeben die bekannt gewordenen Bestimmungen des Eurofighter-
Liefervertrages ein extrem unausgewogenes Verhältnis der Vertragspflichten zu
Lasten der Republik Österreich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass
Bundesminister Platter trotz entgegenstehender Verfassungsverpflichtung
versuchte, den gegenständlichen Vertrag gegenüber Bundesrat und Nationalrat
geheim zu halten.

Aber nicht nur das kaufmännische Versagen im Zuge der
Vertragsverhandlungen, sondern auch technische und militärische Details
stellen den blau-schwarzen Verteidigungsministern ein negatives Zeugnis
hinsichtlich ihrer Führungs- und Verhandlungsfähigkeit aus.

Der Rechnungshof hat in seinem Wahrnehmungsbericht hinsichtlich der
Luftraumüberwachungsflugzeuge (Kaufverträge, Finanzierung,
Gegengeschäftsvertrag) festgestellt, dass


        enorme Mängel bei der Vertragsgestaltung vorhanden sind, darunter auch
ein so genannter „Einredeverzicht", der bei Leistungsmängeln keine
Einstellung der Ratenzahlung ermöglicht, und

        die Anzahl der militärischen Anforderungen, wie etwa Ziele in der Nacht
erkennen zu können oder Selbstschutz-Systeme, jährliche Flugstunden,
Pilotenausrüstungen und Betriebsstandorte, erheblich reduziert wurde und
Träger für Aufklärungseinrichtungen sowie Zusatztanks im Gegensatz zur
Angebotseinholung im Kaufvertrag nicht mehr vorgesehen waren.

Nicht zuletzt angesichts der wesentlichen Abänderungen im kommerziellen
Bereich erachtet der Rechnungshof die Vorgangsweise des BMLV als mit
hohem Risiko behaftet.

Erhebliche Zweifel bestehen an der Einhaltung des Liefertermins sowie der
grundsätzlichen Einsatzfähigkeit des ausgewählten Flugzeugtyps. Dem
gegenüber stehen exorbitant hohe Lebenszykluskosten.

Aus der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die Regierung trotz Kenntnis
eines wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 und am 1. Juli 2003
Ministerratsentscheidungen auf Basis von falschen bzw. geschönten
Preiskalkulationen herbeigeführt hat.

Ebenso haben sich die Ankündigungen von Bundeskanzler Schüssel
hinsichtlich der Finanzierung der Abfangjäger über eine Wirtschaftsplattform
als unwahr herausgestellt.

Nach Aussagen von renommierten Verfassungsrechtlern im
Verteidigungsausschuss des Bundesrates ist klar, dass etwas, was öffentlich
ist, nicht mehr der Amtsverschwiegenheit unterliegt. Die anfragenden
Abgeordneten schließen daher die von NEWS veröffentlichten Vertragsteile
dieser Anfrage an.

Die unterfertigten Abgeordneten richten aus den genannten Gründen an den
Bundesminister für Landesverteidigung nachstehende

Anfrage:

1.   Entspricht der von NEWS veröffentlichte Vertragsteil dem tatsächlich
durch die Republik Österreich, vertreten durch das BMLV,
abgeschlossenen kaufmännischen Vertragsteil mit der Eurofighter


Jagdflugzeug GmbH? Wenn nein, worin unterscheidet sich der
veröffentlichte Vertrag von jenem, den die Republik Österreich
abgeschlossen hat, und sind Sie nunmehr bereit, eine offizielle Abschrift
des Vertrages dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen?

2.              Sie haben mehrfach dem Nationalrat und dem Bundesrat mit dem Hinweis
auf Amtsverschwiegenheit die Herausgabe der bzw. die Einsicht in die
kaufmännischen Teile dieses Vertrages verweigert, obwohl Ihrer
Rechtsansicht von maßgeblichen Verfassungsrechtsexperten
widersprochen wurde. Damit haben Sie das Recht des Nationalrates und
des Bundesrates auf Kontrolle der Geschäftsführung der Bundesregierung
oder einzelner Mitglieder verunmöglicht. Gleichzeitig waren Sie nicht in der
Lage, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Vertrag in Ihrem Ressort unter
Verschluss gehalten wurde. Sind Sie bereit, die politischen Konsequenzen
dafür zu tragen und umgehend als Bundesminister für Landesverteidigung
zurückzutreten?

3.              Wie hoch sind die Kosten eines Ausstieges aus dem Eurofighter-Vertrag
zum heutigen Tag und zum 1. November 2006?

4.      Wieso bezahlt Österreich Anfang 2007 mehrere Raten für noch nicht
gelieferte und abgenommene Flugzeuge?

5.              Ist es richtig, dass durch Ihr Ressort einem so genannten „Einredeverzicht"
zugestimmt wurde, aufgrund dessen eine Zahlung durch die Republik auch
dann zu erfolgen hat, wenn der Kaufvertrag zur Gänze aufgehoben wird
bzw. für nichtig erklärt wird?

6.      Ist es richtig, dass jede Lieferung eines Eurofighter-Abfangjägers,
unabhängig von der Entwicklungsstufe und Tranche, schuldbefreiend für
den Verkäufer wirkt?

7.              Wurden durch das BMLV ergänzende Vereinbarungen bzw. Nebenabreden
bzw. einseitige Erklärungen zum Kaufvertrag abgeschlossen? Wenn ja,
welche?

8.      Wurden durch die Vertragsparteien, durch den Erzeuger-Konzern und
dessen Tochterunternehmen sowie dritte Personen Zahlungen (Provisionen,
nützliche Aufwendungen, etc.), die nicht im kaufmännischen Teil des
Kaufvertrages vereinbart wurden, geleistet? Wenn ja, von wem in welcher
Höhe an wen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2
GOG-NR dringlich zu behandeln.