4337/J XXII. GP

Eingelangt am 02.06.2006
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Kundenvertreibungsschritte im Bereich Nahverkehr der ÖBB Personenverkehr AG

 

 

Die Aufgaben der ÖBB sind nicht alleine in betriebswirtschaftlichen Erfolgen zu sehen, sie liegen unseres Erachtens in erster Linie in der Erbringung guter Verkehrsdienstleistungen zur Sicherung der Mobilität, der Umweltqualität und des Wirtschaftsstandortes Österreich.

 

Bei allen diesen Zielen sind die Leistungen der ÖBB Personenverkehr AG nicht derart, dass sie die wirtschaftliche Lage der ÖBB Personenverkehr AG rechtfertigen. Die jüngsten Schritte wie die Einführung von "Selbstbedienungsstrecken" haben den Charakter von (noch dazu rechtlich fragwürdigen) Fahrgast-Vertreibungsaktionen seitens der ÖBB Personenverkehr AG.

 

Es sind aber auch weitere Fehlentwicklungen zu beobachten, bei denen sich die Frage stellt, ob es sich um politisches oder Management-Versagen handelt:

1)      Das Verkehrsangebot in den Bundesländern wird von Jahr zu Jahr schlechter. Dabei geht es in vielen Fällen nicht um die Reduktion des Angebotes, sondern um die Qualität der Planung. Am Land fahren Züge zu für die Nachfrager unbrauchbaren Zeiten. Gleichzeitig fahren zu für den Berufsverkehr günstigen Zeiten Busse der ÖBB Personenverkehr AG als Leerfahrten, ohne Fahrgäste mitzunehmen. Es fällt schwer, hinter derart gehäuften Fehlleistungen keine Strategie (kostensparender Rückzug aus der Fläche bei Weiterbezug der Öffentlichen Mittel) zu vermuten.

2)      Der (auch bezahlte) Umweltbonus der ÖBB wird dann ins Absurde verkehrt, wenn bei vorhandenem Fahrdraht mit rußenden Dieselloks gefahren wird, sogar in Stationen im Tunnel in Wien.

3)      Die Automaten der ÖBB sind ein geradezu exemplarisch für die ÖBB. Nicht barrierefrei, grotesk umständliche Menüführung, kundenfeindliche Beschränkung der Zahlungsmittel (jeweils nur der dem Ticketpreis nächsthöhere Geldschein).

4)      Wenig überraschend zeichnet sich auch bei der Barrierefreiheit noch immer kein Sinneswandel ab, so dass die ÖBB Personenverkehr AG auch in dieser Hinsicht ihre Stellung als Schlusslicht verteidigt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

 

1. Die „Kronen Zeitung“ berichtete mehrfach und umfangreich vom Ärger mit den neuen Selbstbedienungs-Strecken. Grund der Aufregung ist folgende neue – auf der Homepage der ÖBB nachzulesende - Regelung: "Sollten Sie im Zug ohne gültiger Fahrkarte angetroffen werden, muss der Mitarbeiter der ÖBB zusätzlich zur Fahrkarte eine Kontrollgebühr von 60,- EUR verrechnen."


Für viele ist neben dieser "Strafsteuer" - wie es zB die Krone nennt – die grotesk anmutende Regelung zur Bezahlung der Fahrkarten ein Ärgernis. Die ÖBB erläutern: "Bei der Bezahlung in Bar ist zu beachten, dass der Ticketautomat maximal 9,90 Euro Rückgeld gibt. Abhängig vom zu zahlenden Betrag werden 20 Euro Noten ab einem zu zahlenden Mindestbetrag von 10,10 Euro, 50 Euro Noten ab einem Mindestbetrag von 40,10 Euro und 100 Euro Noten ab einem Mindestbetrag von 90,10 Euro angezeigt und akzeptiert. 10 Euro und 5 Euro Noten werden immer akzeptiert. Die kleinste akzeptierte Münze ist die 10 Euro Cent Münze."


Für die Krone ist klar: "Das Unternehmen strengt sich, so scheint's, derzeit ganz besonders an, um seine Fahrgäste zu vergraulen." Eine vom Verkehrsministerium einberufene Krisensitzung nahm sich der Themen "Strafgebühr, Fahrschein-Automaten" an, berichtet die Tageszeitung. Ergebnis der Besprechung: Es wurde eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe zusammengestellt und es sollen 130 neue Fahrscheinautomaten aufgestellt und kaputte schneller repariert werden. Weiters soll die Ausgabe des Wechselgeldes verbessert werden.


Was ist in Umsetzung der erwähnten Ergebnisse der „Krisensitzung“ bereits konkret geschehen, nachdem sich seit dem Wunsch des BMVIT (Krone vom 8.2.2006) – nicht ganz untypisch - nichts Wahrnehmbares zugunsten der ÖBB-Kunden geändert hat?

 

2. "Kontrollgebühr nicht unumstritten"

 

Laut §15 Eisenbahnbeförderungsgesetz ist es - so meinen Juristen übereinstimmend - fraglich, ob diese "Kontrollgebühr" überhaupt in allen Fällen legal eingehoben wird.

"Der Anspruch des Reisenden auf Ausgabe eines Fahrausweises erlischt fünf Minuten vor der Abfahrt des Zuges", ist dem Gesetzestext zu entnehmen. Die Dauer der Fahrscheinausgabe beim Automaten beträgt geschätzt knapp über eine Minute. Daraus folgt, dass bei einer Schlange von z. B. 5 Personen vor dem Automaten, der Zug eigentlich nicht abfahren darf, sofern sich die Kaufwilligen mehr als 5 Minuten vor der Abfahrt des Zuges eingefunden haben. Wenn einer dieser Wartenden dann ohne Kauf einer Fahrkarte den Zug besteigt, um diesen doch noch zu erwischen, ist mehr als fraglich, ob die nunmehr von den ÖBB kassierte Kontrollgebühr von ihm gemäß Gesetz überhaupt eingehoben werden darf.

Die Eisenbahn müsste dann - so die Argumentation - beweisen, dass beim Fahrschein-Automaten keine Schlange angestanden ist. Nur wenn der ÖBB dies gelingt, dürfte eine Kontrollgebühr von dieser Person eingehoben werden.

Für behinderte Personen ist diese Kontrollgebühr in vielen Fällen eigentlich illegal, weil die Automaten nicht barrierefrei sind. Ein Umstand, den die ÖBB anscheinend erkannt haben.


a) Ist Ihnen bekannt, dass die Kontrollgebühr im Lichte der erwähnten Passage in §15 Abs 7 Eisenbahnbeförderungsgesetz sehr fragwürdig ist?

b) Ist Ihnen weiters bekannt, dass die Kontrollgebühr auch im Tarif der ÖBB Personenverkehr AG nicht enthalten ist, was im Zusammenhang mit §15 Eisenbahnbeförderungsgesetz die Rechtmäßigkeit der Einhebung der Kontrollgebühr weiter in Frage stellt?

c) Sind Ihnen die gesetzlichen Möglichkeiten des BMVIT im Bezug auf den Tarif bekannt? Wenn ja, weshalb tun Sie nichts, um die ÖBB zu einer gesetzeskonformen Vorgangsweise im Zusammenhang mit der „Kontrollgebühr“auf sogenannten „Selbstbedienungsstrecken“ anzuhalten?

 

3.    Was haben Sie getan bzw. werden Sie bis wann tun, um den Fahrgästen, von denen möglicherweise gesetzwidrig Kontrollgebühren abverlangt wurden, eine entsprechende Entschädigung zu verschaffen?

 

4. Können Sie ausschließen, dass Sie §15 Eisenbahnbeförderungsgesetz zum Nachteil der Fahrgäste ändern werden, zB auf Zuruf von Vorständen aus dem ÖBB-Konzern?

 

5. Werden Sie in den verbleibenden Wochen Ihrer Amtsführung endlich damit beginnen, eine vernünftige Nahverkehrs-Politik zu machen, und werden Sie in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG dahingehend einwirken, dass derlei rechtlich fragwürdige Kundenschikanierungsmanöver unterlassen werden?