4347/J XXII. GP
Eingelangt am 09.06.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Inneres
Im Iran ist das MOIS – Ministry of Information and Security – für die nachrichtendienstliche Tätigkeit im Ausland zuständig. Anschläge im Ausland werden in der Regel von Pasdaran-Kommandos, die in der Ramadan-Basis in Kermanshar stationiert sind, durchgeführt. Wie der Mykonos-Prozess in Berlin erwiesen hat, werden die Pasdaran-Kommandos von MOIS angeleitet. MOIS und Pasdaran sind im Inland und im Ausland die beiden wichtigsten Säulen des staatlichen Terrorismus der iranischen Regierung. Im April 2006 erließ der Ermittlungsrichter des Schweizer Kantons Waadt einen Haftbefehl gegen Ali Fallahian - den Minister des MOIS. Der deutsche Bundesgerichtshof hatte bereits am 15. März 1996 einen Haftbefehl gegen Fallahian ausgestellt. Beide werfen dem MOIS-Minister die Anordnung von Morden an Oppositionellen vor.
“Defendant The Iranian Ministry of Information and Security is, and at all times relevant hereto was the Iranian intelligence service responsible for providing material support and resources, and sponsoring the terrorists who planned and executed the terrorist bombing. Within the scope of its agency and office, The Iranian Ministry of Information and Security provided material support and resources for terrorism and performed actions which caused the terrorist bombing and plaintiffs’ injuries.” Zu diesem Schluss gelangte das Bezirksgericht in Washington DC am 18. Mai 2001.
Das TCO – das Technical Cooperation Office - ist die Proliferationsagentur, die militärische Beschaffungsorganisation, des iranischen Präsidenten. Über TCO versucht die iranische Regierung, von Informationstechnologien und Biowaffen-Komponenten bis zu Waffensystemen Zugang zu Rüstungsgütern und militärisch relevantem Wissen zu bekommen.
Dr. Gert René Polli ist als Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT zweifellos ein Spezialist für iranische Angelegenheiten. Aus Gründen, die in den folgenden Fragen dargelegt werden, erscheint es notwendig, die Beziehungen von Polli zu MOIS und TCO zu überprüfen.
Diese Überprüfung ist im Rahmen des dafür zuständigen Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses des Nationalrats begonnen worden. Der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit hat das Büro für Interne Angelegenheiten BIA beauftragt, zum Fragenkreis „Daten von iranischen AsylwerberInnen“ eine Untersuchung durchzuführen.
Zwei
weitere Fragenkreise sind zu klären: „Polli und TCO“ und
„Polli und MOIS“. Es ist zu klären,
ob der Direktor des BVT in unzulässiger Weise mit iranischen
Nachrichtendiensten und Beschaffungsorganisationen kooperiert hat; und ob er es
unterlassen hat, in mehreren Fällen die sicherheitspolitischen Interessen
der Republik Österreich zu wahren.
Polli hat nun mit seinem – ohne Wissen der Ministerin und des Generaldirektors für Öffentliche Sicherheit erteilten - Auftrag an das BIA, gegen den Fragesteller im Unterausschuss Ermittlungen einleiten zu lassen, den Fall öffentlich gemacht – und möglicherweise die durch das StGB geschützte Geheimhaltung im Unterausschuss gebrochen. Daher werden die Fragen jetzt öffentlich gestellt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Hat zwischen Polli und dem MOIS-Minister des Iran ein Treffen in Wien/Schwechat gemeinsam mit dem iranischen Botschafter statt gefunden?
2. Wie lautet der Name des MOIS-Ministers?
3. Wann und wo hat Polli zum ersten Mal Kontakt mit dem MOIS-Minister gehabt?
4. Zu welchem Zweck hat Polli vom 24. bis 26.5.2004 dem MOIS in Teheran einen Besuch abgestattet?
5. Hat es für diesen Besuch eine Genehmigung durch den Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit und/oder den Bundesminister für Inneres gegeben?
6. Wer waren die iranischen Gesprächspartner von Polli?
7. Hat sich in Teheran in Begleitung Pollis ein iranischer Staatsbürger namens Hossein Shafazand befunden?
8. Ist dem BMI bekannt, dass Shafazand als „Berater für iranische Angelegenheiten“ in der iranischen Botschaft in Wien erreichbar ist?
9. Arbeitet Shafazand in Wien insbesondere im Bereich der Informationstechnologien für TCO?
10. Was sind die Aufgaben von TCO?
11. Welche Aufgaben erfüllt TCO nach Kenntnis des BMI im Ausland?
12. Warum ist Shafazand mit Polli von Wien zum MOIS in Teheran gefahren?
13. Polli rechtfertigt die Anwesenheit von Shafazand bei seinen Gesprächen im MOIS in Teheran mit dessen Funktion als „Übersetzer“. Ist die österreichische Botschaft in Teheran nicht in der Lage, dem Direktor des BVT einen eigenen Übersetzer zur Verfügung zu stellen?
14. Ist es üblich, dass sich der Direktor des BVT bei Gesprächen mit MOIS von einem Beschaffungs-Kontaktmann der iranischen Botschaft in Wien übersetzen lässt?
15. Seit wann hat Polli persönlich mit Shafazand Kontakt?
16. Aus welchen dienstlichen Gründen hat Polli mit Shafazand Kontakt?
17. Hat Polli nach seiner Rückkehr nach Wien die Gründung einer TCO-Niederlassung in Wien befürwortet?
18. Mit wem in der Bundesregierung bzw. in der Wirtschaftskammer wurde der Plan, gemeinsam mit Vertretern des Iran ein „Clearinghouse“ von TCO in Wien einzurichten, besprochen?
19. Ist es im Sommer 2004 zu Interventionen seitens der US-Botschaft gegen die Gründung einer TCO-Niederlassung in Wien gekommen?
20. Wenn ja, wer hat wann bei wem interveniert?
21. Ist Polli ein schriftlicher Protest („USA release Austria“) übergeben worden?
22. Hat Polli den Innenminister über diesen Protest informiert?
23. Mit welcher Begründung hat der Innenminister den Plan zur Gründung einer Wiener TCO-Niederlassung abgelehnt?
24. Hat der Bundesnachrichtendienst der BRD das BVT rechtzeitig gewarnt, dass ein Iraner namens Manavi Said Majid als TCO-„Beschaffungsoffizier“ für das iranische Biowaffenprogramm mit einer Delegation die Reise nach Wien plant?
25. Ist am 7.3.2005 Manavi Said Majid mit einer Delegation nach Wien eingereist?
26. Ist diese TCO-Delegation vom BVT überwacht worden?
27. Ist bei diese Observation festgestellt worden, dass Hossein Shafazand und der iranische Botschafter die TCO-Delegation begleiteten?
28. Hat Polli, als er am 10.3.2005 von der Observation erfuhr, die Weisung erteilt, die Überwachung abzubrechen?
29. Ist der Abbruch der Observation mit möglichem „wirtschaftlichem Schaden für Österreich“ begründet worden?
30. Hat Polli Ihnen bzw. dem GD für Öffentliche Sicherheit über diese Observation bzw. ihren Abbruch zum damaligen Zeitpunkt berichtet?
31. Am 12.11.2004 hat das BMI den Export von 800 panzerbrechenden Waffen 50-HS der Firma Steyr an den Iran genehmigt. Hat Polli trotz des Faktums, dass diese Waffen vom Iran für terroristische Zwecke missbraucht werden können, an diesem Tag telefonisch das „OK“ des BVT gegeben?
32. Ist von den zuständigen Beamten des BVT dieser Export im Licht der Unterstützung der iranischen Regierung für terroristische Organisationen wie Hisbollah geprüft worden?
33. Hat Polli ohne Überprüfung durch die zuständige Abteilung des BVT das „OK“ gegeben?
34. Gibt es über dieses „OK“ einen Aktenvermerk in der für Kriegsmaterialexporte zuständigen Abteilung des BMI?
35. Im End User Certificate des Iran heißt es: „... to protect our officers in conduct of their official law enforcment duties, anti-narcotics, anti-terrorism and border control…” Warum wurde trotz des Bezugs zur Terrorismusbekämpfung das BVT nicht offiziell befasst?
36. Warum konnte Polli ohne sachliche Befassung des BVT das „ok“ geben?
37. Hat US-Botschafter Lyons Brown am 17.1.2005 versucht, Sie persönlich von der Genehmigung des Waffenexports in den Iran abzubringen?
38. Wollte das BMI im Juli 2005 den Export-Bescheid für die 50-HS-Waffen von Steyr abändern und den Export der noch nicht gelieferten Waffen verhindern?
39. Hat sich zu diesem Zweck der zuständige Abteilungsleiter an Polli gewendet und ihn ersucht zu prüfen, „ob die Waffen zu terroristischen Zwecken verwendet werden können“?
40. Hat Polli in der e-mail-Antwort durch seinen Stellvertreter vermeiden lassen, auf diese Frage überhaupt einzugehen und hat er mit der Antwort, „dass sich die Rahmenbedingungen für die Ausfuhrgenehmigung seit der letzten Bescheiderlassung nicht geändert haben“, bewirkt, dass auch noch die restlichen 50-HS an den Iran geliefert wurden?
41. Hat das BMA am 15.9.2005 schriftlich um einen „dringenden Widerruf“ des Bescheids zum Export der 50-HS in den Iran mit der Begründung, es bestehe ein „enormes Risiko der Umleitung“, ersucht?
42. Was hat das BMI daraufhin unternommen?
43. Die Firma Steyr plante
ursprünglich, 2000 Stück 50-HS in den Iran zu exportieren und
brachte dazu am 20.10.2003 den Antrag auf die Genehmigung des Exports von 2000
Stück plus 500 000 Patronen für einen Preis von insgesamt 8.885.000
€ an die iranische Polizei zur
„Drogenhandels-Bekämpfung“ im BMI ein. Ist das BMI nach der
Intervention aus dem BMA zur Entscheidung, keine weiteren Exporte von 50-HS in
den Iran zu genehmigen, gekommen?
44. Worum handelt es sich Ihrer Information nach beim MOIS des Iran?
45. Ist Ihnen bekannt, dass laut Urteil des Berliner Mykonos-Prozesses der Mord an den drei Führern der iranischen Kurden von MOIS angeleitet wurde?
46. Ist Ihnen bekannt, dass seitens der BRD-Behörden gegen den damaligen MOIS-Minister Ali Fallahian ein Haftbefehl ausgestellt wurde?
47. Ist Ihnen bekannt, dass seitens des Ermittlungsrichters des Schweizer Kantons Waadt gegen den damaligen MOIS-Minister Fallahian ein Haftbefehl ausgestellt wurde?
48. Ist Ihnen bekannt, dass terroristischen Anschläge des Iran vom MOIS geplant und geleitet und von den Quds-Pasderan ausgeführt werden?
49. Am 29.8.2005 wurde Majid Ashrafi Ghahi als 3.Botschaftsrat an iranischen Botschaft notifiziert. Wusste Polli zu diesem Zeitpunkt, dass es sich bei dem Genannten um einen hochrangigen MOIS-Mann handelt?
50. Hat Polli vor der Notifizierung gewarnt?
51. Hat Polli die Notifizierung befürwortet?
52. Hat Polli Sie bzw. den GD für Öffentliche Sicherheit informiert, dass es sich bei Majid Ashrafi Ghahi um einen hochrangigen MOIS-Vertreter handelt?
53. Ist das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten darüber informiert worden, dass es sich bei Majid Ashrafi Ghahi um einen hochrangigen MOIS-Vertreter handelt?
54. Hat Polli am 2.1.2006 dem MOIS neuerlich in Teheran einen Besuch abgestattet?
55. Was war der Grund für diesen neuerlichen Besuch?
56. Mit welchen Personen hat sich Polli bei diesem dreitägigen Besuch getroffen?
57. Hat Polli den GD für Öffentliche Sicherheit oder Sie persönlich von seiner Absicht eines neuerlichen Besuchs beim MOIS in Teheran informiert?
58. Hat der GD für Öffentliche Sicherheit bzw. haben Sie diesen Besuch genehmigt?
59. Hat Polli kurz danach den Leiter des Bundesasylamtes ersucht, ihm sämtliche Daten von IranerInnen, die zwischen dem 1.8.2005 und dem 28.2.2006 in Österreich um Asyl angesucht hatte, zu übermitteln?
60. Hat das Bundesasylamt diese Daten am 27.3.2006 an Polli übermittelt?
61. Waren die Bundesministerin bzw. der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit darüber informiert?
62. Hat daraufhin der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit die Weisung gegeben, dass das BVT nicht mehr direkt Daten von AsylwerberInnen abfragen darf?
63. Warum hat der GD für Öffentliche Sicherheit Polli diese Vorgangsweise verboten?
64. Hat Polli diese Abfrage mit dem Verdacht auf „Visamissbrauch“ begründet?
65. Wer ist im BMI für die Verfolgung von Visamissbrauch zuständig?
66. Ist das BVT für die Verfolgung von Visamissbrauch zuständig?
67. Welche Beamten haben im BVT zu diesem Zeitpunkt eine Untersuchung wegen „Visamissbrauchs“ durch iranische Staatsbürger durchgeführt?
68. Wie lautet die Aktenzahl der BVT-Untersuchung wegen „Visamissbrauchs“ durch iranische AsylwerberInnen?
69. Wem im BVT hat Polli die Daten weiter gegeben?
70. War die Abfrage der Asylwerberdaten sachlich gerechtfertigt?
71. Zu welchem sachlichen Ergebnis hat Pollis Untersuchung geführt?
72. Besteht der Verdacht, dass Polli die Daten iranischer AsylwerberInnen an Behörden des Iran weiter gegeben hat?
73. Hat Polli vom iranischen Botschafter Geschenke angenommen?
74. Wenn ja, welche?
75. Hat Polli vom iranischen Botschafter einen Teppich als Geschenk erhalten?
76. Hat er die Annahme von Geschenken ordnungsgemäß gemeldet?
77. Was ist mit diesen Geschenken geschehen?
78. Wofür hat Polli vom iranischen Botschafter Geschenke erhalten?
79. Wie oft, wann, wo und zu welchem Zweck hat Polli den iranischen Botschafter getroffen?
80. Zu welchen anderen Botschaftern hält Polli ähnlich regelmäßigen Kontakt?
81. Wie oft, wann, wo und zu welchem Zweck hat Polli Shafazand getroffen?
82. Wie oft, wann, wo und zu
welchem Zweck hat Polli den MOIS-Regenten Majid Ashrafi
Ghahi getroffen?
83. Hat Polli mit Ihrem Wissen das BIA auf Grund der Fragen, die ihm im Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses gestellt wurden, mit Ermittlungen gegen „unbekannte Täter“ bzw. den Fragesteller beauftragt?
84. Hat Polli den GD vor der Beauftragung informiert?
85. Wenn nein, warum nicht?
86. Hat Polli den stv. Leiter des BIA über die Besprechung einer „im März 2005 durchgeführte Observation gegen eine iranische Delegation der TCO“ im ständigen Unterausschuss des Innenausschusses informiert?
87. Hat Polli an den stv. Leiter des BIA damit Informationen aus dem ständigen Unterausschuss weiter gegeben?
88. Besteht damit der Verdacht, dass der Leiter des BVT den § 310 Abs. 2 StGB verletzt hat?
89. Welche Akten und welche Berichte sind im BVT in den Tagen seit der Sitzung des parlamentarischen Unterausschusses am 17.5.2006 geshreddert worden?
90. Wer hat die Vernichtung dieser Akten und Observationsberichte angeordnet?
91. Wer hat die Vernichtung dieser Akten und Observationsberichte genehmigt?
92. Können Sie mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass Polli ausschließlich die Interessen der Republik Österreich vertritt?
93. Verfügt Polli von Ihrer Seite weiterhin über das ausreichende Vertrauen, um das BVT zu leiten?