4363/J XXII. GP

Eingelangt am 13.06.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend ÖBB-Personenverkehrs-Finanzen

 

 

Im Zusammenhang mit der Nachvollziehbarkeit der Finanzierung und des wirtschaftlichen Gebarens der ÖBB Personenverkehr AG haben Geschehnisse der letzten Monate einige Unklarheiten entstehen lassen, die auf das Entstehen einer Finanzierungslücke hindeuten. 
 
Dies ist von umso größerer Brisanz, als zugleich seitens des Unternehmens mehrfach einnahmengefährdende Schritte gesetzt werden. 
 
So werden KundInnen durch die rechtlich fragwürdige Einführung von „Selbstbedienungsstrecken“, durch benutzerfeindliche Ticket-Automaten und dergleichen vertrieben werden. Zugleich sind auch zu bester Berufsverkehrszeit verkehrende Leerpersonenzüge (zB Zug 20001 leer von St. Pölten bis Rekawinkel) sowie Leer-Busse eher zur Kundenvertreibung als zur Kunden- und damit Einnahmengewinnung und Entlastung öffentlicher Budgets geeignet. Nicht ohne finanzielle Bezüge ist auch die Tendenz, trotz des aus Budgetmitteln den ÖBB bezahlten „Umweltbonus“ mit hinsichtlich Schadstoff- und Lärmemission nachteiliger Dieseltraktion unter Fahrdraht zu fahren, inzwischen sogar schon im Wiener Stadtgebiet durch Tunnel-Stationen. Jüngst wurde Diesel unter dem Fahrdraht von Verkehrsstaatssekretär Kukacka für die Strecke Graz-Maribor gar für den Städteschnellverkehr angeregt und als international besonders innovativ dargestellt, was grob an der Realität vorbeigeht. 
 
Wie aus Budget-Sicht ist diese Tendenz auch aus Sicht der Fahrgäste fragwürdig, ist doch im ÖBB-Personenverkehr für Herbst bereits die zweite deutliche Tariferhöhung in diesem Jahr geplant, die mit erhöhten Treibstoffkosten argumentiert wird! 
 
Schließlich zeichnet sich auch bei der Barrierefreiheit vor allem des Rollmaterials nach wie vor kein Sinneswandel im Hinblick auf wirklich optimale Beschaffung ab.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.        Bei der ersten Sitzung des Aufsichtsrates der ÖBB Personenverkehr AG zur (planmäßigen) Absegnung des Budgets für 2006 konnte der Aufsichtsrat der Vorlage nicht zustimmen. 
       Was haben Ihnen die zuständigen Beamten Ihrer Abteilung II/10 dazu berichtet? Was hat Ihnen der Staatskommissär des BMVIT im Zusammenhang mit dieser Sitzung des Aufsichtsrates zu den Vorstellungen des Vorstandes der ÖBB Personenverkehr AG über das Budget 2006 berichtet? 
       Über welche Aktivitäten des Staatskommissärs des BMVIT im Aufsichtsrat der ÖBB Personenverkehr AG wurde Ihnen in diesem Zusammenhang berichtet?
 
2.        Welche Gründe für die Nicht-Zustimmung des Aufsichtsrates zu den Budget-Entwürfen des Vorstandes der ÖBB Personenverkehr AG in dieser Sitzung des Aufsichtsrates haben Ihnen die zuständigen Beamten Ihrer Abteilung II/10 dazu berichtet? 
 
3.        In der darauffolgend hastig eingeschobenen Sitzung des Aufsichtsrates der ÖBB Personenverkehr AG in der 51. Kalenderwoche 2005 wurde dann ein Budget für 2006 beschlossen. Der einzige Unterschied zum davor abgelehnten Entwurf scheinen höher angesetzte Einnahmen im Bereich des Nahverkehrs zu sein. Auf der Kostenseite hat sich wenig geändert. Angeblich wurden so gut wie alle Einnahmenpositionen in diesem Bereich, von gemeinwirtschaftlichen Leistungen inkl. Ökobonus bis zu Verkehrsdienstverträgen der Länder, mit höheren Summen veranschlagt als zuvor, obwohl bereits zuvor alle Positionen im Kapitel 65 des Bundesvoranschlages für 2006 ausgeschöpft wurden. 
 
Haben Sie im Dezember 2005 die im Bundesvoranschlag für 2006 vorgesehenen Mittel für gemeinwirtschaftliche Leistungen der ÖBB Personenverkehr AG und andere Positionen des Budget 2006, die der ÖBB Personenverkehr AG zugute kommen können, erhöht, und wenn ja, in welchem genauen Ausmaß und warum?
 
4.        Ist Ihnen bekannt, daß die Länder im Dezember 2005 die in den jeweiligen Budgets vorgesehenen Mittel für gemeinwirtschaftliche Leistungen der ÖBB Personenverkehr AG und andere Positionen der jeweiligen Budgets für 2006, die der ÖBB Personenverkehr AG zugute kommen, erhöht hätten?
 
5.        Falls die in der KW 51 des Jahres 2005 aufgetauchten „Mehreinnahmen“ der ÖBB Personenverkehr AG („Mehreinnahmen“ im Vergleich zu dem in vorhergehenden Budget-Entwurf) nicht „auftauchen“ sollten, welche Konsequenzen werden Sie ziehen, welche Konsequenzen erwarten Sie vom Staatskommissär des BMVIT?
 
6.        Sehen Sie für einen Aufsichtsrat, der wissentlich ein nicht haltbares Budget genehmigt, das zu einem Teil auf nicht zu erwartenden Einnahmen beruht, Gründe, weshalb keine strafrechtlichen Konsequenzen und zivilrechtlichen Haftungen drohen sollten?
 
7.        Trotz der angeblichen wirtschaftlichen Schieflage der ÖBB Personenverkehr AG, seitens des Vorstandes wurde in diesem Zusammenhang bereits von einem drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch gesprochen, bestellen die ÖBB weiterhin Fahrzeuge der behindertenfeindlichen ÖBB-Sondervariante des „Talent“ in auffallend großen Stückzahlen. In diesem Zusammenhang fällt weiters auf, dass die ÖBB Personenverkehr AG - angeblich auf Wunsch der Firma Bombardier, um in Ungarn schneller liefern zu können - sofort auf die Auslieferung der angeblich so dringend notwendigen 10 Stück Mehrsystem-Talente „zugunsten“ der MAV (Ungar. Staatsbahnen) verzichtet hat. 
 
Halten Sie es für vereinbar mit kaufmännischer Sorgfalt, mehr Fahrzeuge zu bestellen, als man braucht, was durch die sofortige Abgabe von 10 „Talenten“ an die MAV belegt wird? 
Was haben Ihnen die zuständigen Beamten Ihrer Abteilung II/10 dazu berichtet?
Welche Aktivitäten des Staatskommissärs des BMVIT im Aufsichtsrat der ÖBB Personenverkehr AG wurden Ihnen dazu berichtet? 
 
8.        Wurden die zuständigen Beamten Ihrer Abteilung II/10 darüber informiert, dass die ÖBB über eine große Zahl erst in den letzten Jahren umgebauter/erneuerter Fahrzeuge des Typs „City-Shuttle“ verfügen, die sofort und mit geringen Kosten barrierefrei nachgerüstet werden könnten, was gegenüber der behindertenfeindlichen ÖBB-Sondervariante des „Talent“ Vorteile bei Barrierefreiheit und Wirtschaftlichkeit brächte?
 
Wenn nein, weshalb wurden diese nicht informiert? Werden Sie diese anweisen, sich zu informieren? 
Über welche Aktivitäten des Staatskommissärs des BMVIT im Aufsichtsrat der ÖBB Personenverkehr AG wurde Ihnen in diesem Zusammenhang berichtet?
 
9.        Zumindest ein Teil der Mittel im Kapitel 65 des Bundesvoranschlages für die ÖBB Personenverkehr AG sind als Förderungen zu verstehen. 
 
Was werden Sie im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes unternehmen, damit Bundesmittel künftig nicht mehr zum Ankauf von behindertenfeindlichen Fahrzeugen wie z.B. der ÖBB-Sondervariante des „Talent“ verwendet werden können?