4385/J XXII. GP

Eingelangt am 19.06.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Weinzinger, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

 

betreffend Standard-Bericht vom 12.6.2006 über Vergewaltigungsanzeige

 

 

Im heutigen Standard (12.6.2006) wird von der Anzeige einer Vergewaltigung bei der Polizei berichtet, in der das Opfer Unglaubliches erleben musste. Die die Anzeige aufnehmende Polizeibeamtin zog alle Register, um es nicht zur Anzeige kommen zu lassen: Von der Unterstellung, sie wolle mit der Anzeige nur einen Seitensprung vertuschen über die Drohung, dass sie sich bei unrichtigen Angaben strafbar mache bis zum „Ratschlag“, die Anzeige doch zurückzuziehen. Die Vertrauensperson der Anzeigenden durfte bei dem Gespräch nicht dabei sein.

 

Bei den geschilderten Vorfällen handelt es sich um ein absolut unzulässiges und skandalöses Verhalten einer Polizeibeamtin, mit der sie das Opfer eines Sexualdeliktes offenbar davon abbringen wollte, das Recht für sich in Anspruch zu nehmen. Aufklärungsbedürftig ist dabei, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder ein solches Verhalten seitens PolizeibeamtInnen öfter oder regelmäßig vorkommt. Im konkreten Fall sind selbstverständlich sofort Konsequenzen zu ziehen. Systematische Defizite in der Polizeiausbildung und –arbeit mit Gewaltopfern und Opfern von Sexualdelikten müssen unverzüglich beseitigt werden.

 

Situationen wie die Beschriebene führen dazu, dass Frauen bzw. Opfer von Sexualdelikten aufgrund von beleidigendem und erniedrigendem Verhalten seitens der Behörden den Schutz des Strafrechtes nicht beanspruchen können. Somit gilt dieser Schutz nicht für alle in gleicher Weise, sondern ist von der Willkür und vom Wohlwollen von PolizeibeamtInnen abhängig. Das darf in einem Rechtsstaat nicht so sein.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Wie können Sie erklären, dass bei der Anzeige einer Vergewaltigung bei der Polizei die Vertrauensperson der Anzeigenden nicht dabei sein darf?

2.      Wie kann es Ihrer Meinung nach dazu kommen, dass eine Polizistin einer Frau, die eine Vergewaltigung anzeigen möchte, zunächst unterstellt, mit dieser Anzeige einen Seitensprung vertuschen zu wollen?

3.      Wie beurteilen Sie die Drohung der Polizeibeamtin, dass sich die Anzeigende bei unrichtigen Angaben strafbar mache?

4.      Was werden Sie tun, um den im Standard berichteten Fall zu klären?

5.      Wird die betroffene Beamtin während der Klärung des Falles suspendiert?

6.      Welche sonstigen dienstrechtlichen Konsequenzen werden im Falle der betroffene Beamtin gesetzt?

7.      Kommt es häufiger vor, dass bei Polizeianzeigen wegen Sexualdelikten oder anderen Gewalttaten Vertrauenspersonen der Anzeigenden ausgeschlossen werden?
Wenn ja: Was sind die Gründe dafür?

8.      Müssen Opfer von Sexualdelikten für eine ärztliche Untersuchung bzw. ein ärztliches Gutachten selbst zahlen?

9.      Ist es zulässig, dass PolizeibeamtInnen Menschen, die Anzeigen erstatten, nahe legen, diese Anzeigen wieder zurückzuziehen?

10.    Was kann getan werden, wenn PolizeibeamtInnen in polizeiliche Niederschriften Unterstellungen aufnehmen, die von den Anzeigenden wegen des Drucks, der in dieser Situation auf ihnen lastet, nicht bestritten werden?

11.    Welche Beratung und Hilfsangebote sollten Opfer von Sexualdelikten von PolizeibeamtInnen eigentlich erhalten?

12.    Was wird in der Polizeiausbildung konkret getan, um den künftigen PolizistInnen einen sensiblen Umgang mit Opfern von Sexualdelikten nahezubringen? Welche Ausbildungsmodule gibt es dazu in welchem Umfang? Wer leitet diese?

13.    Welche Schritte werden Sie – angesichts der abschreckenden Wirkung solcher Berichte auf andere Gewaltopfer – unternehmen, um Opfer von Sexualdelikten dazu zu bewegen, die gegen sie begangenen Straftaten den Behörden zu melden statt sie zu verschweigen?

14.    Meinen Sie, dass Menschen durch Verhaltensweisen wie die beschriebenen, motiviert werden, den Schutz des Rechtsstaates – der für alle gleichermaßen gelten sollte - für sich in Anspruch zu nehmen?

15.    Wie werden Sie sicherstellen, dass solche Vorgehensweisen wie die im Artikel beschriebene in Zukunft sicher nicht mehr vorkommen?