4387/J XXII. GP

Eingelangt am 19.06.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Ungereimtheiten rund um den jüngsten Unfall mit Personenschaden auf der Tempo-160-Teststrecke

 

 

In den frühen Morgenstunden des 3. Juni 2006 ereignete sich auf der Tempo-160-Teststrecke auf der Tauernautobahn A10 ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem Medienberichten zufolge vier Insassen eines PKW zum Teil erheblich verletzt wurden. Das Fahrzeug kam an einer nicht einmal durch Leitschienen gesicherten Stelle nahe dem Standort der unter dubiosen Umständen entfernten Tafel „Bleib am leben! Geh vom Gas!“ von der Fahrbahn ab und stürzte über eine 20 Meter hohe Böschung auf eine Landesstraße. Bei den Insassen und Verletzten handelte es sich um eine Familie mit zwei Kindern im Alter von 1 und 8 Jahren.

 

Auf Nachfrage gab die Polizei zunächst den von der Unfallstelle mehrere Kilometer weit entfernten Ort Stockenboi als Unfallort an, auch erfolgte keinerlei Hinweis auf die Tatsache, dass der Unfall selbst sich auf der Raser-Teststrecke der Bundesregierung ereignete. Die auch auf Nachfrage unvollständige Kommunikation legt entsprechende Anweisungen „von oben“, wie einen Maulkorberlaß, zumindest nahe. Wenig überraschend haben auch die Politiker der Regierungsparteien bei ihren Jubelberichten anlässlich der Versuchs-Halbzeit diesen Vorfall verschwiegen.

 

Dieser Unfall mit vier Verletzten, darunter zwei kleine Kinder, passierte während der Geltung des niedrigeren Nacht-Tempolimits und allen vorliegenden Informationen zufolge bei entsprechender Fahrgeschwindigkeit. Es ist nicht auszudenken, was bei Tempo 150 oder 160 die Folgen gewesen wären. Spätestens nach diesem Unfall ist nicht mehr abzuleugnen, dass das Risiko schwerer Unfälle seitens der politisch Verantwortlichen wissentlich in Kauf genommen wird.

 

Zudem ist damit bereits heute klar, dass der entsprechende Abschnitt der Tauernautobahn wie schon in den letzten Jahren so auch erneut zu den überdurchschnittlich „opferträchtigen“ Teilen des Autobahnnetzes gehören wird. Umso verantwortungsloser ist das weitere Festhalten von ÖVP und BZÖ an der Raser-Teststrecke und an Tempo 160.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Hat sich am 3.6.2006 gegen fünf Uhr früh auf der Tempo-160-Teststrecke in Kärnten ein Verkehrsunfall ereignet?

 

2.      Wurden bei diesem Verkehrsunfall vier Menschen, davon zwei kleine Kinder, zum Teil erheblich verletzt?

 

3.      Ist es zutreffend, daß bei einem Unfall dieser Art bei den untertags auf dieser Strecke erlaubten Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h Todesopfer wahrscheinlich gewesen wären?

 

4.      Wenn ja: Wie können Sie dieses im Rahmen des Tempo-160-Tests wissentlich eingegangene Risiko rechtfertigen?

 

5.      Was sagen Sie angesichts des Stellenwerts von Sicherheits- und Familienrhetorik in der Programmatik Ihrer Partei dazu, dass der Verkehr auf Österreichs Autobahnen offenbar für Familien mit kleinen Kindern nicht sicher ist, und welche Schlussfolgerungen werden Sie daher aus diesem Unfall ziehen und welche Maßnahmen konkret bis wann setzen?

 

6.      Ist es auf eine Anweisung (formeller oder informeller Art) Ihrerseits oder Ihres Hauses oder eine entsprechende Abmachung mit der Innenministerin bzw. ihrem Ressort zurückzuführen, dass beim gegenständlichen Unfall auf der Teststrecke seitens der Exekutive auf Nachfrage zunächst gar keine Auskunft gegeben und hernach sowohl der Unfallort in eine mehrere Kilometer entfernte Ortschaft verlegt wurde als auch die Tatsache verschwiegen wurde, dass es sich um einen Unfall auf der Tempo-160-Teststrecke handelte?

 

7.      Welcher Art ist die von Ihnen öffentlich zitierte „Bestätigung des Innenministeriums, dass keine Übertretungen des Geschwindigkeitslimits festgestellt worden seien“ im einzelnen – angesichts der Tatsache, dass parallel zur Section-Control-Messung der Durchschnitts(!)geschwindigkeit keine Bestrafung wegen zu hoher Momentangeschwindigkeit, zB aufgrund von Radarmessungen, zulässig ist?

 

8.      Können Sie bestätigen, dass seit Beginn des Tempo-160-Tests auf der gesamten Teststrecke keine einzige Übertretung des Geschwindigkeitslimits (nicht: der Durchschnittsgeschwindigkeit) erfolgte oder wurden diese Übertretungen des Geschwindigkeitslimits nur nicht festgestellt bzw. nicht geahndet?

 

9.      Welche Veränderungen haben sich während der Testphase im Vor- und im Nachlauf der Teststrecke bei gefahrenen Geschwindigkeiten und Unfallhäufigkeiten im Vergleich zu den Werten der letzten Jahre ergeben?

 

10.    Was haben wann im einzelnen zugunsten der Wiederaufstellung der Tafel der von Ihnen betriebenen Kampagne „Bleib am Leben – geh vom Gas“, die ursprünglich in unmittelbarer Nähe des Unfallortes situiert war, dann aber im Zusammenhang mit der Raser-Teststrecke entfernt wurde, unternommen?

 

11.    Halten Sie Fehlinformation der Öffentlichkeit unter Verwendung öffentlicher Mittel – siehe die Tatsache, dass auf der aus öffentlichen Geldern finanzierten Homepage zur Tempo-160-Teststrecke nach wie vor (Stand 8.6.) zu lesen ist: „Bis dato gab es im Testabschnitt keinen Unfall.“ – angesichts von vier Verletzten, darunter zwei kleine Kinder, für angemessen?