4391/J XXII. GP

Eingelangt am 21.06.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Oberhaidinger

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend weitere neonazistische Umtriebe des „Bundes Freier Jugend" (BFJ)

Der neonazistische „Bund Freier Jugend" (BFJ) mit Sitz in Marchtrenk ist eine Ju-
gendorganisation der ebenfalls neonazistischen
"Arbeitsgemeinschaft für demokrati-
sche Politik" (AFP).

Im Vorjahr hat der angesehene Verfassungsrechtsexperte Univ.-Prof. DDr. Heinz
Mayer
ein Gutachten über AFP und BFJ erstellt, das u. a. von der oö. Landesregie-
rung finanziert wurde. Mayers Ergebnis war eindeutig: "Die zitierten Äußerungen sind
nur einige wenige Beispiele. Sie belegen, dass die von der AFP zu verantwortenden
Publikationen massiv gegen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verstoßen. Of-
fenkundige und verbrämte Verherrlichung nationalsozialistischer Ideen und Maß-
nahmen, zynische Leugnung von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen, eine
hetzerische Sprache mit deutlich aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und
"Volksfremde" sowie eine Darstellung „des Deutschen" als Opfer sind typische und
stets wiederkehrende Signale. Von besonderer Aggressivität sind die Beiträge im
„Jugendecho". Hier wird ständig „Kampfbereitschaft der nationalen Jugend" eingefor-
dert, NS-Biographien werden als Vorbild dargestellt, Rassenhass wird propagiert.
„Jugendecho" wird in der Erstausgabe als „Kampfschrift der nationalen Jugend in
Österreich" bezeichnet und vom „Bund Freier Jugend" (BFJ)
- einer unselbständigen
Unterorganisation der AFP
- gestaltet."

2005 haben die Sicherheitsbehörden den "Tag der volkstreuen Jugend" und einige
andere BFJ-Aktivitäten unterbunden. Ende Jänner 2006 hat der Unabhängige Ver-
waltungssenat Oberösterreich eine Geldstrafe bestätigt, die von der Bezirkshaupt-
mannschaft Wels-Land über den BFJ-Aktivisten Markus K. (26) wegen "Verbreitung
von NS-Gedankengut" verhängt wurde. Am 14. März 2006 wurde der Verfassungs-
schutz im Zuge von Hausdurchsuchungen bei mehreren BFJ-Aktivisten fündig.
Völlig unverständlicherweise wurde der heurige "Tag der volkstreuen Jugend" am 18.
März 2006 in Form einer extrem rassistischen Demonstration in Ried im Innkreis zu-
gelassen. Mehr als 100 Neonazis - vor allem BFJ-Aktivisten mit ihren deutschen Ge-
sinnungsgenossen - konnten geschützt von der Polizei durch die Stadt marschieren
und dabei übelste Hetzparolen verbreiten (zum Beispiel "Ali, Mehmet, Mustafa - geht
zurück nach Ankara!").
Der BFJ rühmt sich dieser Demonstration auf seiner Home-
page
www.b-f-j.de u. a. mit den Worten „Die Straße frei der volkstreuen Jugend". Ei-
ne Formulierung, die sich nicht zufällig an das Horst-Wessel-Lied („Die Straße frei
den braunen Bataillonen") anlehnt. Bemerkenswert ist folgende Darstellung des BFJ
auf seiner Homepage: „Zwischendurch muss angemerkt werden, dass die Polizisten
immer wieder durchblicken ließen, dass auch sie für den nationalen Protestmarsch
Verständnis hatten und die hochdisziplinierten jungen Demonstranten eindrucksvoll
fanden... Bei der Abschlusskundgebung wurde das erfreuliche Verhalten der Polizei
lobend erwähnt."

Für 27. Mai 2006 plante der BFJ neuerlich eine rassistische Demonstration in Ried
im Innkreis. Mehrere antifaschistische Organisationen - darunter die Österreichische
Lagergemeinschaft Mauthausen und das Mauthausen Komitee Österreich - forder-
ten eine Untersagung. Wie einigen Medien (u.a. den „OÖ. Nachrichten" und der
„Rieder Rundschau") zu entnehmen war, wurde die Demonstration von den lokalen
Sicherheitsbehörden dann tatsächlich verboten.

Als am 27. Mai 2006 allerdings trotz dieses Verbots 30 bis 40 BFJ-Aktivisten in der
Rieder Innenstadt aufmarschierten, blieben sie unbehelligt. Die Demonstration wurde
stundenlang (zum Teil in drei Gruppen) durchgeführt, obwohl die anwesenden Poli-
zeikräfte sie leicht hätten auflösen können. Das belegen auch zahlreiche Pressefo-
tos.

Dafür ging die Polizei gegen protestierende Antifaschisten vor. Als ein Transparent
gegen rechtsextreme Gewalt (das die Einsatzleitung zuvor mündlich genehmigt hat-
te) nicht sofort herausgegeben wurde, kam es sogar zur vorübergehenden Festnah-
me von zwei Antifaschisten.

Schon zum wiederholten Mal haben die Sicherheitsbehörden nun eine neonazisti-
sche Demonstration in Ried im Innkreis zugelassen. Gleichzeitig verhalten sie sich
so, als richte sich das Verbotsgesetz nicht gegen nationalsozialistische Umtriebe,
sondern gegen antifaschistische Aktivitäten. Das ist nicht nur eine völlige Verken-
nung der Rechtslage, sondern im Hinblick auf die ständig steigende Gewaltbereit-
schaft der deutschen Neonazi-Szene, zu der der BFJ nachweislich engste Kontakte
unterhält, auch sicherheitspolitisch mehr als fahrlässig.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem so genannten ANR-Erkenntnis aus dem
Jahr 1985 Folgendes festgestellt: „Die kompromisslose Ablehnung des National-Sozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Aus-
nahmslos jede Staatstätigkeit hat sich daran zu orientieren."

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Inneres
nachstehende

Anfrage

1.             Warum wurde die neuerliche Demonstration des neonazistischen „Bundes Freier
Jugend" (BFJ) am 27. Mai 2006 in Ried im Innkreis faktisch zugelassen, obwohl
sie behördlich verboten war und die anwesenden Polizeikräfte sie leicht hätten
auflösen können?

2.             Entspricht Ihrer Beurteilung nach die Zulassung der eigentlich verbotenen neona-
zistischen Demonstration am 27. Mai 2006 in Ried im Innkreis durch die Sicher-
heitsbehörden der Vorgabe der Verfassungsrechtsordnung, wonach sich „aus-
nahmslos jede Staatstätigkeit'
an der „kompromisslosen Ablehnung des National-
sozialismus"
zu orientieren hat?

3.             Welche Konsequenzen wird die Zulassung der eigentlich verbotenen neonazisti-
schen Demonstration am 27. Mai 2006 in Ried im Innkreis haben? Wird insbe-
sondere durch entsprechende Ausbildung der verantwortlichen Beamten dafür
gesorgt werden, dass diese Beamten künftige neonazistische Umtriebe im Sinne
der Verfassungsrechtsordnung wirksam unterbinden?

4.      Welche Maßnahmen werden Sie sonst setzen, um sicherzustellen, dass künftige
neonazistische Umtriebe des „Bundes Freier Jugend" (BFJ) und seiner Mutteror-
ganisation "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik" (AFP) - insbesondere
Demonstrationen, aber auch andere politische Aktivitäten - seitens der Sicher-
heitsbehörden wirksam unterbunden werden?