4432/J XXII. GP

Eingelangt am 27.06.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Nahrungsergänzungsmittel/Gefälschte Arzneimittel - Doping &

Gesundheitsgefährdung - Gerichtliche Verfahren"

Bereits im Jahre 2004 hat der Fragesteller mehrere Parlamentarische Anfragen zum Problem
„Nahrungsergänzungsmittel und Doping" an die jeweils zuständigen Bundesminister gestellt.
Aktuell waren diese Anfragen und Antworten 2005 u.a. deswegen, da zu diesem Zeitpunkt
gerade die Berufung von Schirennläufer Hans Knauss gegen seine Dopingsperre vom
Internationalen Sportgerichtshof (CAS) abgewiesen wurde. Für den positiven Dopingbefund
wurde von Hans Knauss ein Nahrungsergänzungsmittel aus den USA verantwortlich gemacht.

Die wesentlichsten Erkenntnisse aus diesen Anfragebeantwortungen:

•    Die von der Innenministerin im Jahr 2005 beantwortete Parlamentarische Anfrage hat
erstmals gezeigt, welche sicherheitsbehördliche Maßnahmen (BKA) wegen
Gemeingefährdung, sowie wegen Verstößen nach dem Arzneimittelgesetz bei verunreinigten
Nahrungsergänzungsmitteln, Dopingmitteln und gefälschten Arzneimitteln - insbesondere
bei Internetangeboten - in Österreich 2004 gesetzt wurden (2624/AB
XXII. GP).
Obwohl die Innenministerin einige Fragen nur teilweise beantwortet hat, haben wir doch
erstmals nähere Informationen über die Ermittlungsmöglichkeiten und bisherigen
Maßnahmen des BMI im Rahmen der Dopingbekämpfung erhalten. Vorraussetzung für
sicherheitsbehördliche Maßnahmen sind, dass der Verdacht einer (oder mehrerer)
gerichtlich strafbaren Handlung (z.B. §§ 5a, 84a AMG oder § 176 StGB) vorliegt.

Die absolut positive Überraschung dabei: Es gab schon 2004 Ermittlungen die u.a. gegen
Inhaber von Websites geführt wurden, wenngleich die konkreten produktbezogenen
Ermittlungsergebnisse nicht bekannt gegeben wurden. Bekannt gegeben wurden auch die
Adressen der einzelnen Websites gegen die ermittelt wurde. Nun wäre die Justiz am Zug
gewesen, da dieser diese Ermittlungsergebnisse des BMI und Analysen (ARC-Seibersdorf)


übermittelt wurden. Die Antworten der Frau Justizministerin waren aber dazu absolut
unbefriedigend, da genau diese Fragen nicht beantwortet wurden (2897/AB
XXII. GP).

•    Auch 2006 waren Antworten des Innenressorts äußerst informativ. Zur Vollziehung des § 84a
AMG wurde allerdings ein legislativer Handlungsbedarf festgestellt.

Da nach § 84a Arzneimittelgesetz nur das in Verkehr bringen bzw. die Anwendung bei

anderen „zu Dopingzwecken im Sport" gerichtlich strafbar ist, haben die Staatsanwaltschaften

bzw. im Vorfeld die Ermittlungsbehörden den Vorsatz nachzuweisen, dass diese

Dopingmittel eben mit diesem Vorsatz „zu Dopingzwecken im Sport" in Verkehr

gebracht wurden.

Bei Käufen über das Internet findet aber kein direkter Kontakt zwischen Käufer und

Verkäufer statt, womit der Nachweis in der Praxis sehr schwer zu führen ist, was wiederum

zu der hohen Zahl von Zurücklegungen bzw. Einstellungen von Verfahren führt.

Weitere Probleme sind die unterschiedlichen (oft fehlenden) rechtlichen Regelungen in den

einzelnen Staaten aus denen diese Mittel bezogen werden.

Aus Sicht der Bundesministerin für Inneres besteht daher zu den §§ 5a und 84a

Arzneimittelgesetz legislativer Handlungsbedarf (AB 4096/XXII. GP). „Die Worte „zu

Dopingzwecken im Sport" sollten herausgenommen werden, sodass jegliches in Verkehr

bringen bzw. anwenden bei anderen ohne Einschränkung sanktioniert werden kann.

Dies würde es den Staatsanwaltschaften erleichtern Fälle zur Anklage zu bringen, da der

Nachweis des Vorsatzes, dass diese Mittel „zu Dopingzwecken im Sport" in Verkehr gebracht

bzw. bei anderen angewendet wurden, nicht mehr nachgewiesen werden müsste. "

•    Die Antworten der Frau Justizministerin gaben im Jahr 2005 einen Überblick über die
bisherigen Anzeigen nach § 84a AMG
sowie welche Straftatbestände mitangezeigt wurden.
Informativ die Zahlen der Gerichtsverfahren (2002 - 2004) sowie die Art der Erledigung bei
Gericht. Es überrascht negativ die hohe Anzahl von Zurücklegungen bzw. Einstellungen nach
der Strafprozessordnung: von 15 Gerichtsverfahren wurden 13 eingestellt. Es kam nur zu
einer Verurteilung, ein Fall wurde diversionell erledigt. Dies ist aus meiner Sicht
grundsätzlich rechtspolitisch zu hinterfragen, für die Innenministerien liegt der Grund in der
missglückten Formulierung des AMG. Die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft und das
Nichtagieren der Bezirksverwaltungsbehörde im Dopingfall Hans Knauss gegenüber den
angezeigten Importeuren dieses US-Nahrungsergänzungsmittels bedarf einer eigenen
Diskussion.


•     Die Antworten des Bundeskanzlers - als Sportminister - zur Dopingbekämpfung sind zur
Kenntnis zu nehmen, aber nicht zu akzeptieren (2643/AB
XXII. GP):

Nach 2003 wurden auch 2004 trotz Zuständigkeit des BKA in keinem einzigen
Fitnessstudio Proben von NEM gezogen und Doping-Analysen in Auftrag gegeben.

Deutlich wurde auch in dieser Antwort, dass die internationale Zusammenarbeit und
Kontrolle — insbesondere bei Internetangeboten — verbessert werden muss.

Mit dieser Antwort wurde auch bekannt, um welches Produkt es sich beim Dopingfall Hans
Knauss gehandelt hat: „Super Complete capsules" aus den USA. Mitgeteilt wurde damals
auch, dass eine diesbezügliche Strafanzeige gegen die Importeure erstattet wurde (StA
Leoben). "Die Anzeige an die StA Leoben bzw. LG Leoben umfasst auch die
Gesundheitsgefährdung, das Produkt super Complete capsules mit der Chargennummer
404001, Herkunftsland USA wird bei Nichterweislichkeit des Tatbestandes nach § 84a AMG
auch nach § 84b AMG bzw. § 26 StGB zu behandeln sein. "

Diese Anzeige wurde aber aus nicht näher bekannten Gründen zurückgelegt, es gab auch kein
Verwaltungsstrafverfahren wie auch kein Finanzstrafverfahren. Nicht einmal der Strafakt
wurde den Bezirksverwaltungsbehörden übermittelt. Ergebnis: Es kam zu keiner Verfolgung
der Importeure dieses NEM.

•     Die Antworten des BMF für 2004 und 2005 haben wieder einmal die wertvolle Arbeit der
Betrugsbekämpfung beim Import von NEM aus Drittstaaten aufgezeigt (2585/AB und
3791/AB
XXII. GP), wobei die Erfolge zumeist auf die Internetbeobachtung (Web-sites) der
Zollfahndung zurückgehen.

Seitens des Bundesministeriums für Finanzen konnten dabei aber nur zollrechtliche
Überprüfungen und Ermittlungen zur Feststellung der Warenbeschaffenheit bzw. des
Warenursprungs der in Frage stehenden Waren sowie finanzstrafrechtliche Ermittlungen
wegen Verkürzung von Eingangsabgaben nach dem Finanzstrafgesetz (Schmuggel oder
Hinterziehung von Eingangsabgaben) durchgeführt werden. Die Verkehrsfähigkeit von
Waren bzw. Beschränkungen beim Inverkehrbringen nach dem AMG bzw. LMG konnten
nicht überprüft werden.

Diese Informationen ergänzten die bereits vorliegenden Daten und bestätigten neuerlich
unsere Forderungen u.a. nach einem „Internet-Kompetenzzentrum für Arzneimittel- und


Lebensmittelsicherheit" (EA 370/A(E) XXII.GP). Dem wurde seitens der
Regierungsparteien - trotz höchster Aktualität - allerdings bis heute nicht Rechnung
getragen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage:

1.  Zu wie vielen Strafanzeigen nach § 84a Arzneimittelgesetz (AMG) u.a. kam es durch
Private, die jeweils zuständigen Behörden oder Bundesanstalten (z.B. BIFA) bzw. die AGES
etc. im Jahr 2005 (Aufschlüsselung auf Staatsanwaltshaften bzw. Landesgerichte)?

2.                 Welche Delikte und Tatbestände wurden in diesem Zusammenhang jeweils noch angezeigt?

3.                 Wie viele dieser Strafanzeigen nach § 84a AMG wurden zurückgelegt?
Wie wurde dies jeweils begründet?

4.        Wie viele dieser Verfahren wurden eingestellt?
Wie wurde dies jeweils begründet?

5.                 Zu wie vielen rechtskräftigen Verurteilungen kam es aufgrund von Anzeigen im Jahr 2005?
Welche Strafen wurden konkret ausgesprochen?

6.                 In wie vielen Fällen wurden 2005 die diversionsrechtlichen Bestimmungen angewandt?
Welche Maßnahmen wurden jeweils konkret aufgetragen?

7.                 Wie viele Strafverfahren nach § 84a AMG sind noch nicht rechtskräftig entschieden?
Wie ist jeweils der Verfahrensstand?

8.                 Vertritt auch das Justizministerium die Rechtsauffassung, dass nach der Einnahme von
verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Prohormone) wegen Dopings gesperrte
SportlerInnen Ihre Schadenersatzansprüche gegenüber Hersteller, Importeure oder Händler
auf das Produkthaftungsgesetz (PHG) stützen können?

Wenn nein, warum nicht?

 

9.    Warum wurde die Strafanzeige nach § 84a AMG gegen die verantwortlichen Importeure von
„Super Complete capsules" (Dopingfall Hans Knauss) zurückgelegt?

 


10.        Wurde dieser Strafakt an die Finanzstrafbehörden (Zollvergehen) weitergeleitet?
Wenn nein, warum nicht?

11.        Wurde dieser Strafakt an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zur Einleitung eines
Verwaltungsstrafverfahrens weitergeleitet?

Wenn nein, warum nicht?

12.        Wurden bei den in den Jahren 2002 bis 2005 zurückgelegten Anzeigen bzw. eingestellten
Verfahren nach § 84a AMG die jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden zur
Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens verständigt?

13.        Wie erklären Sie sich die hohe Anzahl von Zurücklegungen von Anzeigen bzw. von
Einstellungen von Strafverfahren nach § 84a AMG?

14.        Sehen auch Sie einen legislativen Handlungsbedarf und sind auch Sie der Auffassung der
Innenministerin, dass die §§ 5a und 84a AMG novelliert werden müssen?

Wenn nein, warum nicht?