4576/J XXII. GP

Eingelangt am 12.07.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

 

betreffend Gültigkeit bzw. Aufhebung von NS-Beschlüssen zur Zwangssterilisation

 

 

 

Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses war in NS-Deutschland seit Jänner 1934 in Kraft. Es ging von der (auch damals umstrittenen) Erblichkeit von verschiedenen körperlichen und geistigen Krankheiten aus. Menschen, an denen diese diagnostiziert wurden, sollten unfruchtbar gemacht werden, explizit auch gegen ihren Willen.

 

Zu diesen Krankheiten zählten vor allem: „Schwachsinn“, „Schizophrenie“, manisch-depressives Irresein, aber auch Epilepsie, Chorea Huntington, Blindheit, Taubheit, körperliche Missbildungen und: Alkoholismus. (RGBl I, S. 529, §1 und §12)

 

Die deutsche Historikerin Gisela Bock recherchierte, dass mindestens 400.000 Menschen in NS-Deutschland und den besetzten Gebieten zwischen 1934 und 1945 zwangssterilisiert wurden. In der „Ostmark“ trat das Gesetz am 1. Jänner 1940 in Kraft, der österreichische Historiker Wolfgang Neugebauer geht von etwa 6.000 zwangssterilisierten Menschen aus.

 

Aufhebung des nationalsozialistischen Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses im Mai 1945

 

Im Mai 1945 stellte die provisorische Staatsregierung fest, dass das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses „für den Bereich der Republik Österreich mit 10. April 1945 außer Kraft getreten“ ist. (StGBl. 17(1)/1945). Anders als die Nürnberger Gesetze galt es jedoch nicht als ein Gesetz mit typisch nationalsozialistischem Gedankengut. Dass „vorbeugende Maßnahmen“ zur Erhaltung der „Erbgesundheit“ „zu den zentralen Zielen der NSDAP gehörten“ wurde erst 1988 in einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Zuge der Nichtanerkennung einer neonazistischen Partei festgestellt. (VGH-Entscheid vom 25.6.1988 (B 999/87-15).

 

In Deutschland wurden die Beschlüsse der nationalsozialistischen Erbgesundheitsgerichte 1998 generell als NS-Unrecht erklärt (Bundestags-Drucksache 13/10848 vom 28.5.1998).
 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Haben die Beschlüsse der nationalsozialistischen Erbgesundheitsgerichte rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprochen?

 

2.      Sind die Beschlüsse, in denen nationalsozialistische Erbgesundheitsgerichte in der sogenannten „Ostmark“ die Zwangssterilisation von Frauen und Männern nach dem nationalsozialistischen Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses anordneten, heute noch gültig?

 

3.      Wenn ja, werden Sie dafür Sorge tragen, diese so rasch wie möglich aufzuheben?

 

4.      Wie sind diese konkret aufzuheben?

 

5.      Welche Maßnahmen werden getroffen, um der Öffentlichkeit, aber auch zwangssterilisierten Frauen und Männern mitzuteilen, dass diese Beschlüsse eines nationalsozialistischen Gerichtes nicht mehr gültig sind und somit die Diffamierung als „erbkrank“, „schwachsinnig“, „asozial“, usw. endlich beendet ist?

 

6.      Wenn nein, wodurch und wann wurden sie aufgehoben?

 

7.      Was wurde getan, um der Öffentlichkeit, aber auch zwangssterilisierten Frauen und Männern mitzuteilen, dass die Beschlüsse nicht mehr gültig sind und damit auch die Diffamierung als „erbkrank“, „schwachsinnig“, „asozial“, usw. beendet ist?